Abgleiten

Hebräer 2,1-3

Wenn es um geistliche Dinge geht, ist abgleiten eine wirkliche Gefahr. Im Blick darauf finden wir in der Heiligen Schrift deutliche Warnungen und Ermahnungen, weil dies so leicht möglich ist. Ein Boot zu rudern, erfordert überlegte Anstrengung; zum Steuern braucht es konsequente Zielsetzung; aber zum Treibenlassen ist weder das eine noch das andere nötig. Gib nach in deinem geistlichen Streben, lockere deine Aufmerksamkeit, und du beginnst sogleich abzugleiten. Das Tragische dabei ist, dass der, der sich treiben lässt, oft der Letzte ist, der es bemerkt.

«Deswegen sollen wir umso mehr auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa abgleiten. Denn wenn das durch Engel geredete Wort fest war … wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so grosse Errettung vernachlässigen?» (Heb 2,1-3).

Wir tun wohl zu beachten, dass dieses Wort nicht an Ungläubige gerichtet wurde, sondern an Personen, die ein christliches Bekenntnis hatten und in Gefahr standen, von der gehörten und erkannten Wahrheit abzugleiten.

Im Satz «damit wir nicht etwa abgleiten» haben wir das Bild vor uns, dass wir uns in einem starken Strom mitreissen oder wegtreiben lassen könnten. Nicht die Dinge, die wir gehört haben, wollen von uns weggleiten, sondern wir können sie loslassen und uns davon entfernen. Diese Möglichkeit ist weder weither geholt noch unwahrscheinlich. Darum werden wir davor gewarnt. Wenn unser Geist sich nicht eng an die Worte hält, die Gott gesprochen hat, wird er sich unvermeidlich von ihnen und vom Heil distanzieren, von dem der Herr geredet hat und das durch den Heiligen Geist bestätigt worden ist.

Wir sollten weise sein und uns vor folgenden drei Dingen hüten, die im Leben des Gläubigen ein Abgleiten herbeiführen: Zerstreuung des Geistes, Mangel an geistlicher Entschiedenheit, Liebe zum Geld. Fast jeder Fall von Abweichung kann auf eine oder zwei oder auf alle diese Ursachen zurückgeführt werden.

  • Zerstreuung des Geistes ergibt sich, wenn beim Gang durch die Welt die Menge der irdischen Dinge, die sich in einem stets wechselnden Panorama unseren Blicken darbieten, unsere Aufmerksamkeit fesseln können.
  • Mangel an geistlicher Entschiedenheit entsteht, wenn ein Christ dem Herrn Jesus und dem Zeugnis seines Wortes nicht mehr ungeteilt anhängt. Er hält dann die Wahrheit nicht mehr fest. Er ist bereit, zu argumentieren und zu diskutieren. Vielleicht kommt es sogar so weit, dass er das, was er einst aufgrund des Wortes Gottes als unumstössliche Wahrheit kannte, nun als offene Frage betrachtet. In einem solchen Zustand können seine Gedanken und Energien vorwiegend mit vergänglichen Ereignissen beschäftigt sein, so dass er unbewusst mit dem Strom der Dinge dahintreibt. Dabei gleitet er ständig weiter von dem ab, was er einst hörte und mehr schätzte, als alles andere. Wie wichtig ist es doch, «den Glauben zu bewahren und ein gutes Gewissen»! (1. Tim 1,19).
  • Liebe zum Geld besteht darin, dass sich ein Christ auf dieser Erde ein falsches Ziel setzt. Er trachtet zuerst nach weltlichem Gedeihen und Vorwärtskommen oder nach einer hohen Stellung. Es fehlt ihm an geistlicher Einsicht, um zu beurteilen, für was und für wen er in dieser Zeit leben soll. Hat unser Herr seinen Jüngern nicht gesagt: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes»? (Mt 6,33).

In keinem Alter, Stand und Beruf ist der Gläubige gegen die Gefahr und die schreckliche Möglichkeit des Abgleitens gefeit. Die Strömung der Weltlichkeit ist in diesem bösen Zeitlauf zu reissend, als dass man sich gehen lassen dürfte.

«Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so grosse Errettung vernachlässigen?» Diese ernste Frage zwingt uns zur Aufmerksamkeit und verlangt augenblickliche und persönliche Beachtung. Manche christlichen Bekenner haben einen sehr unzureichenden Begriff von der Bedeutung des Heils Gottes. Sie meinen, es sei mit Bekehrung und Vergebung erschöpft, und vergessen, dass Bekehrung nur die anfängliche Kehrtwendung in der rechten Richtung ist: «ihr habt euch zu Gott bekehrt». Damit ist aber auf dem Pilgerpfad noch kein Schritt getan. Es ist wahr, wir sind gerettet, wenn wir an den Herrn Jesus Christus glauben. Aber der gleiche Apostel, der dies bestätigt, ermahnt die Gläubigen auch: «Bewirkt eurer eigenes Heil mit Furcht und Zittern» (Phil 2,12), indem er ihnen anderswo versichert: «Jetzt ist unsere Errettung näher, als damals, als wir gläubig wurden» (Röm 13,11).

Wer wirklich an den Herrn Jesus glaubt, geht nicht verloren. Das bestätigt Er uns. Aber gerade für wahre Gläubige ist das Bewirken ihres «eigenen Heils mit Furcht und Zittern» die grosse Aufgabe ihres Lebens, bis Er als Heiland wiederkommt, um ihren Leib der Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit umzugestalten. Dann ist unser Heil vollständig. Leib, Seele und Geist werden am Tag Christi alle gerettet sein.

Aber es gibt zwei Arten von Nachhausekommen: Da sind solche, mit denen Gott viel Mühe hatte, um sie als Errettete bis zum Ende durchzubringen, weil sie manchmal abgeglitten sind. Andere aber haben sich «beeifert, ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig zu sein» (2. Kor 5,9).

Vor elfhundert Jahren hat ein christlicher Schreiber, der in seinen Unternehmungen manche Wechselfälle erfahren hat – unter anderem wurde er auf einer Meerfahrt von Seeräubern ausgeraubt und als Sklave verkauft – einen englischen Vers verfasst, der merkwürdigerweise als ein Bild für die Ankunft des Gläubigen im Himmel gegolten hat. Doch ist er von einem ganz anderen Gedanken getragen als dem, der im zweiten Brief des Petrus zum Ausdruck kommt. Er lautet auf Deutsch etwa so:

  • «Sicher daheim jetzt im Hafen!
    Tauwerk zerrissen, das Deck ist entzwei,
    Segel zerfetzt, keine Zehrung an Bord,
    – doch nicht zerschellt ist die Barke.
    Hier an der Küste ist Freude;
    Not und Gefahr sind vorüber!»

Und wie lautet das Bibelwort? «Darum, Brüder, befleissigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn so wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus» (2. Pet 1,10).

Der Herr wird keines der Seinen verlieren. Aber in welcher Weise möchten wir ankommen? Wie ein Schiff voll Wasser, gerade noch vor dem Untergang gerettet? Oder als solche mit einem reichlichen Eingang, der jedem guten und treuen Knecht zuteilwird?

Möchten wir durch Gottes Gnade unser eigenes Heil so bewirken, dass wir nicht als geistliche Wracks ankommen, sondern als solche, die mit Herzensentschluss dem Herrn und dem Wort Gottes anhingen, sich selbst verleugneten, täglich ihr Kreuz aufnahmen und Ihm bis zum Ende nachfolgten. «Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen» (Phil 2,13).