Ein kleiner Glaube

Matthäus 6,25-34; Matthäus 8,23-27; Matthäus 14,22-34; Matthäus 16,5-12; Matthäus 17,14-20

Einleitung

Im Wort Gottes hat der Begriff Glaube verschiedene Bedeutungen.

  • Manchmal bezeichnet er das Mittel, mit dem der Sünder die Gnade annimmt, die Gott ihm anbietet: «Durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es» (Eph 2,8).
  • Der Glaube kann auch als die Gesamtheit der christlichen Wahrheiten verstanden werden. Judas ermahnt in seinem Brief, «für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen» (Jud 3).
  • Es gibt noch eine dritte Bedeutung. Sie betont besonders das Vertrauen in Gott, dass Er seine Kinder schützen, führen und versorgen kann. Der Glaube in dieser letzten Bedeutung bringt eine ständige innere Übung mit sich. Es geht darum, alles Gott zu überlassen und sich vollständig und vertrauensvoll in seine Hände zu begeben.

Wenn wir diesen dritten Aspekt betrachten, erkennen wir, dass der Mangel an Glauben die Ursache vieler Probleme und Schwierigkeiten im christlichen Leben ist und dem Herzen sowohl Frieden als auch Freude raubt.

Im Matthäus-Evangelium sehen wir einige Fälle, wo der Herr Jesus einem kleinen Glauben begegnet.

1) Bei Lebenssorgen

Matthäus 6,25-34

Der Herr Jesus spricht hier über Sorgen und Ängste. Im Blick auf die Kleider sagt Er: «Wenn Gott aber das Gras des Feldes, das heute da ist und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet: dann nicht viel mehr euch, ihr Kleingläubigen?» Anschliessend fordert Er uns auf, uns keine Sorgen darüber zu machen, was wir essen, trinken oder anziehen sollen. Wie oft sorgen wir uns im Blick auf das Materielle um unsere Zukunft, obwohl wir bis jetzt alles gehabt haben, was wir brauchten, ja, sogar im Überfluss! Manchmal bestehen echte, ernsthafte Probleme. Aber in vielen Fällen werden die Sorgen und Ängste durch düstere Szenarien, die wir uns gedanklich ausmalen, genährt und verstärkt. All das führt zu einer inneren Unruhe: Wir verlieren den Frieden und die Freude im Herrn, die unser Leben als Gläubige kennzeichnen sollten. Der Herr sagt: «Jeder Tag hat an seinem Übel genug.» Seine Aufforderung lautet: «Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.»

Wirtschaftliche Krisen, Arbeitsplatzverlust und Jugendarbeitslosigkeit können tatsächlich sorgenvolle Gedanken und Ängste in unseren Herzen hervorrufen. Es wird uns bewusst, dass der materielle Wohlstand nicht voraussehbar ist. Vielleicht sollten wir uns auch fragen, ob wir in den vergangenen Jahren unser Vertrauen auf unsere Ersparnisse und unseren Besitz, d.h. «auf die Ungewissheit des Reichtums» (1. Tim 6,17), anstatt auf Gott gesetzt haben. Lasst uns die Lebensreise im Wissen fortsetzen, dass der gleiche Gott, der sich um die Vögel des Himmels kümmert und die Lilien auf dem Feld bekleidet, vollkommen in der Lage ist, für unseren materiellen und lebensnotwendigen Bedarf aufzukommen. Unsere Angst beweist unseren kleinen Glauben und verunehrt somit Gott in seiner Liebe, Allmacht, Allwissenheit und Treue. Wenn wir das bedenken, werden wir mit allen Mitteln versuchen, die negativen, ängstlichen Gedanken zu vermeiden.1

Wir wollen uns gegenseitig ermutigen, uns auf den Herrn zu verlassen und auf seine Verheissungen zu vertrauen. «All eure Sorge werft auf ihn; denn er ist besorgt für euch» (1. Pet 5,7).

2) In Lebensstürmen

Matthäus 8,23-27

Der Herr Jesus ist mit seinen Jüngern in einem Boot. Ein grosser Sturm kommt auf, doch der Herr schläft im hinteren Teil des Schiffes. Da ertönt ein Ruf der Jünger: «Herr, rette uns, wir kommen um!» Er wacht auf und sagt zu ihnen: «Was seid ihr furchtsam, ihr Kleingläubigen?» Das Unwetter war in diesem Moment eine Realität, so wie auch bei uns ein Lebenssturm plötzlich auftreten kann. Warum aber fürchten wir uns so oft und so leicht, wenn es in unserem Leben stürmt oder sich auch nur kleine Wellen erheben? Warum vergessen wir, dass der Herr bei uns ist, so wie Er bei den Jüngern im Boot war? Warum denken wir nicht daran, dass Er uns nie vergisst und immer bereit ist, sowohl den Wind als auch das Meer zu beruhigen? Die Antwort lautet wie bei den Jüngern: Wir sind Kleingläubige!

Eine Überlegung finde ich wichtig: Was verstehen wir unter dem Ausdruck «den Sturm stillen»? Es gibt Prüfungen in unserem Leben, die unwiderrufliche Auswirkungen haben. Ich denke an den Verlust eines geliebten Menschen, an eine Krankheit, für die es kein wirksames Heilmittel gibt, oder an den Fall, dass ein Ehepartner den anderen verlässt. Wenn wir glauben, dass sich der Sturm nur durch die Wiederherstellung einer zerbrochenen Beziehung oder die Heilung einer Krankheit legen wird, wird er sich schwerlich beruhigen. Es gibt Stürme, die aus menschlicher Sicht nie enden. Ich bin davon überzeugt, dass echte Ruhe und Gelassenheit nur dann erreicht werden, wenn der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, unser Herz und unsere Gedanken in Christus Jesus bewahrt (Phil 4,7). Wie jemand sagte: Es ist nicht unser Herz, das seinen Frieden bewahrt, sondern es ist sein Friede, der unser Herz bewahrt.

Diese Geschichte in Matthäus 8 legt mir noch einen Gedanken aufs Herz: Was unseren kleinen Glauben ans Licht bringt, ist oft ein fehlendes Bewusstsein von der Grösse unseres Gottes. Wir haben vielleicht ein theoretisches Wissen darüber, aber es fehlt uns eine echte, praktische Überzeugung davon, wie allmächtig Gott ist. Je besser wir eine Person kennen und schätzen, desto mehr vertrauen wir ihr. Fremden gegenüber sind wir in der Regel misstrauisch. Kennen wir den Herrn wirklich und ganz praktisch? Kannten Ihn die Jünger auf dem Schiff? Nach dem, was in der Bibel steht, muss man diese Frage mit Nein beantworten: «Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was für einer ist dieser, dass auch die Winde und der See ihm gehorchen?» Wir wollen daraus lernen, in unserem Leben mehr daran zu denken, wer der Herr Jesus ist, der uns seine Gegenwart versprochen hat. Er ist der Schöpfer, durch den und für den alle Dinge geschaffen worden sind (Kol 1,16). Er ist auch der Erhalter, der «alle Dinge durch das Wort seiner Macht» trägt (Heb 1,3). Mit einem einzigen Wort kann Er den grössten Sturm stillen!

3) In Schwierigkeiten

Matthäus 14,22-34

Der Herr gibt seinen Jüngern den Auftrag, ans andere Ufer zu fahren. Er selbst steigt auf den Berg, um zu beten. Während der Überfahrt leidet das Boot Not von den Wellen, weil der Wind ihnen entgegen ist. Wer weiss, wie viele Fragen da in den Herzen der Jünger aufsteigen! Warum hat uns der Herr zu dieser Fahrt genötigt? Warum ist Er nicht mit uns gekommen? Warum ist Er in dieser Not nicht bei uns? Ganz ähnlich tönen unsere Fragen: Warum durchlebe ich diese Situation? Warum ist es gerade jetzt so schwierig? Warum greift der Herr nicht ein?

In der vierten Nachtwache, als das Boot etwa 25 bis 30 Stadien vom Ufer entfernt ist, kommt der Herr zu den Jüngern, gehend auf dem See. Als die Jünger meinen, es sei ein Gespenst, und vor Furcht schreien, sagt Er ihnen sogleich: «Seid guten Mutes; ich bin es, fürchtet euch nicht!» Nun hat Petrus eine besondere Bitte: «Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern.» Die Antwort des Herrn lautet: «Komm!» Da geht Petrus auf den Wassern und kommt zu Jesus. Als er aber den starken Wind sieht, fürchtet er sich und fängt an zu sinken. In seiner Not schreit er: «Herr, rette mich!»

Petrus beginnt zu sinken, als er nicht mehr zum Herrn blickt, sondern seine Augen auf die Wirkungen des Windes richtet. Wie oft passiert es uns, dass wir in kleinen oder grossen Schwierigkeiten nur auf das schauen, was uns zustösst. Zugleich vergessen wir völlig, dass der Herr in seiner Macht da ist und uns befähigt, im Glauben «auf den Wassern zu gehen». Was ist die Ursache dafür? Ein kleiner Glaube. Der Herr muss Petrus sagen: «Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?» Welche Gnade, dass der Herr bereit ist, ihm zu helfen. Er streckt seine Hand aus, ergreift ihn und rettet ihn.

Wenn ich diese Geschichte lese, erinnere ich mich gern daran, was ein älterer Bruder einmal gesagt hat: «Die Jünger sind 25 bis 30 Stadien weit gerudert, und in der vierten Nachtwache kommt der Herr zu ihnen. Es gibt eine gemessene Distanz und eine abgezählte Zeit, bevor unser Herr direkt eingreift. Als Er die Nachricht von der Krankheit seines Freundes Lazarus erhielt, blieb Er noch zwei Tage an dem Ort, wo Er sich befand, anstatt sofort nach Bethanien zu gehen. Oft möchten wir sogleich sehen, dass der Herr eingreift, oder schnell wissen, wie Er handeln wird, oder sofort verstehen, welche Lösung für unser Problem gefunden werden kann. Wie schwer fällt es uns, auf die Diagnose des Arztes oder auf das Ergebnis des Vorstellungsgesprächs zu warten! Doch die Zeiten Gottes sind nicht unsere Zeiten. Wenn wir in einer schwierigen Situation sind, will Er uns lehren, geduldig und von Ihm abhängig zu sein. Setzen wir unser Vertrauen auf Ihn und halten wir fest, dass wir in der vierten Nachtwache seine Stimme hören werden: ‹Seid guten Mutes; ich bin es, fürchtet euch nicht.› Wenn wir Gefahr laufen, in den Problemen zu versinken, streckt Er seine Hand aus, um uns zu ergreifen und zu retten.»

4) Nach Glaubenserfahrungen

Matthäus 16,5-12

Die Jünger kommen ans jenseitige Ufer und merken, dass sie vergessen haben, Brote mitzunehmen. Als der Herr sie vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer warnt, denken sie, Er würde sich auf die vergessenen Brote beziehen. Der Herr sieht, was sie beschäftigt, und sagt: «Was überlegt ihr bei euch selbst, Kleingläubige, weil ihr keine Brote mitgenommen habt? Versteht ihr noch nicht, erinnert ihr euch auch nicht?» Er hat doch mit fünf Broten und zwei Fischen Tausende von Menschen gespeist! Wie ist das möglich gewesen? Sind sie damals nicht unter der Leitung des Herrn gestanden, der die Nahrung an all diese Menschen ausgeteilt hat? Haben sie danach nicht alle übrig gebliebenen Brocken aufgesammelt?

Das gilt auch für uns. Wir haben vielleicht gesehen, wie Gott mächtig gewirkt hat. Aber kurze Zeit später haben wir uns so verhalten, wie wenn nichts geschehen wäre und wie wenn das Erlebte keine Auswirkung auf unser Leben gehabt hätte. Es wird oft gesagt, dass man nicht von Erinnerungen leben soll. Aber ich glaube, dass der Glaube gerade durch Erinnerungen gestärkt wird. Mangelnder Glaube kann auch das Ergebnis eines vergesslichen Herzens sein. Wir wollen immer wieder an Gottes Wirken, an seine Rettung, an seine Macht und an seine Treue zurückdenken. Das wird unseren Glauben stärken. Im fünften Buch Mose wird das Volk Israel oft ermahnt, sich an die Befreiung aus Ägypten und an die Treue Gottes während der 40-jährigen Wüstenwanderung zu erinnern. Der Psalmdichter sagt: «Mein Mund soll deine Gerechtigkeit erzählen, den ganzen Tag deine Rettung; denn ich weiss sie nicht zu zählen» (Ps 71,15). Sind unsere Erinnerungen an Gottes Wirken unklar und verschwommen?

5) Im Dienst für den Herrn

Matthäus 17,14-20

Hier handelt es sich um einen besessenen Jungen, der oft ins Wasser und ins Feuer fällt. Er wird zu den Jüngern gebracht, die ihn aber nicht heilen können. Der Herr Jesus greift ein und befreit ihn aus der Macht Satans. Die Jünger fragen Ihn: «Warum haben wir ihn nicht austreiben können?» Da gibt der Herr Jesus ihnen eine sehr direkte Antwort: «Wegen eures Unglaubens.» Dann fügt Er hinzu: «Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: Werde versetzt von hier nach dort!, und er wird versetzt werden; und nichts wird euch unmöglich sein.» Einen Glauben wie das kleinste aller Samenkörner zu haben (Mt 13,32), kann Berge versetzen. Wie klein ist oft unser Glaube! Im Dienst für den Herrn gibt es geistliche Kämpfe zu führen. Er kann eine grosse und wirkungsvolle Tür öffnen, aber die Widersacher sind zahlreich (1. Kor 16,9). Denken wir an die evangelistische Arbeit, an den Einsatz in den Familien oder an den Dienst in der Versammlung. Was ist nötig, wenn wir auf Schwierigkeiten stossen, wenn uns der Boden hart erscheint, wenn wir keine Früchte sehen? Beten, ausharren und glauben!

Schluss

Alle diese Begebenheiten, die einen Kleinglauben zeigen, haben eins gemeinsam: Die betroffenen Personen sind immer die Jünger, die mit dem Herrn unterwegs gewesen sind und Ihn in Gnade und Macht am Werk gesehen haben! Passiert uns manchmal nicht das Gleiche? Vielleicht kennen wir den Herrn Jesus von Kind auf und haben Ihn schon früh als Retter angenommen. Nun sind wir berufen, Ihm zu folgen. Aber die Lebensumstände und die Prüfungen, denen wir ausgesetzt sind, offenbaren oft unseren kleinen Glauben. So wollen wir uns neu ermutigen lassen: Unser Glaube ehrt den Herrn, macht unser Zeugnis für Ihn wirksam und wird in der Offenbarung Jesu Christi zu seinem Ruhm und seiner Herrlichkeit ausschlagen (1. Pet 1,7).

  • 1Diese Ermahnung kann nicht auf Gläubige angewendet werden, die aufgrund einer Krankheit Angstzustände haben.