Gideon und das Woll-Vlies

Richter 6,11-40

Ein klarer Auftrag von Gott

(Richter 6,11-24)

Gideon hatte einen klaren Auftrag von Gott bekommen: «Geh hin in dieser deiner Kraft und rette Israel aus der Hand Midians!» Dazu hatte Gott ihm eine doppelte Zusage gegeben. Er selbst wollte mit Gideon sein, und Er versprach ihm den Sieg.

Gideon hatte verstanden, dass es der HERR selbst gewesen war, der ihn besucht und ihm diesen Auftrag gegeben hatte. Er hatte die Geduld und Gnade des HERRN erlebt, als Dieser gewartet hatte, bis Gideon ihm eine Mahlzeit zubereitet und herausgebracht hatte. Schliesslich hatte er die Worte des HERRN gehört, der ihn ermuntert hatte: «Fürchte dich nicht!» Daraufhin hatte Gideon einen Altar gebaut, den er «Der HERR ist Frieden» nannte.

Zubereitung zur Erfüllung des Auftrags

(Richter 6,25-32)

In diesem Frieden hatte Gideon den ersten Schritt getan, zu dem Gott ihn aufgefordert hatte. Den Altar des Baal und die dazu gehörende Aschera, die seinem Vater gehörten, hatte er umgerissen und stattdessen auf dem Gipfel der Bergfestung, sichtbar für die ganze Stadt, einen Altar für den HERRN aufgerichtet. Obwohl er Furcht vor den Menschen hatte, war seine Gottesfurcht doch grösser, und im Herzensfrieden konnte er gehorsam das tun, was Gott ihm aufgetragen hatte. Diesen Gehorsam belohnte Gott reich. Er durfte eine Zustimmung seines Vaters erleben, mit der er nicht gerechnet hatte.

Nun waren Gideon und das Volk auf die Ausführung des eigentlichen Auftrags – die Rettung Israels von den Midianitern – vorbereitet. Gott hatte die innere Ursache für die äussere Bedrückung aufgedeckt und in der unmittelbaren Umgebung Gideons für Reinigung vom Götzendienst gesorgt.

Der Zeitpunkt für die Ausführung des Auftrags

(Richter 6,33-35)

Doch Gott, der Gideon den klaren Auftrag gegeben und seinen Knecht vorbereitet hatte, machte auch den Zeitpunkt deutlich, an dem Gideon losziehen sollte. Dieser Zeitpunkt wird durch drei Ereignisse offensichtlich und klar erkennbar.

1) Die Feinde versammeln sich zum Kampf

Gideon musste nicht lange auf die Gelegenheit warten, um seinen Auftrag auszuführen. Gott selbst führte sie herbei. Die Feinde versammelten sich im Tal Jisreel. Für Gideon wurde klar: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um den von Gott gegebenen Auftrag auszuführen.

Dabei gab Gott ihm noch indirekte Ermutigungen. Die Feinde versammelten sich im Tal Jisreel. In der gleichen Talebene liegt auch Megiddo. Im Lied von Debora und Barak hatte man gesungen, dass in diesem Tal die Feinde kämpften, aber keine Beute davontrugen (Ri 5,19). War das nicht eine Ermutigung für Gideon? Keine Beute, d.h. kein Sieg der Feinde!

Und aus der Geschichte seines Volkes wusste Gideon, wie oft der HERR Rettung bewirkt hatte. Wie? Durch Gottes Macht, die sich in vielfacher Weise erwiesen hatte. Jetzt stand sie Gideon im Kampf gegen die Midianiter zur Verfügung.

Auch uns steht die Macht Gottes bis heute zur Verfügung. Im Glauben dürfen wir zugreifen, um sie uns nutzbar zu machen.

2) Der Geist des HERRN kommt über Gideon

Wenn Gott einerseits die Gelegenheit schafft, dann gibt Er anderseits auch jede Kraft und Ausrüstung, um in der Gelegenheit den gegebenen Auftrag in Treue auszuführen. Das erlebte auch Gideon – der Geist des HERRN kam über ihn, Er bekleidete ihn.

In der Kraft dieses Geistes konnte Gideon nun den ersten Schritt tun, aber auch den Auftrag komplett ausführen. Und in der Kraft dieses Geistes konnte er nach der eigentlichen Schlacht richtig reagieren, als es aus den eigenen Reihen Widerstand gab (Kap. 8,1-3). So durfte Gideon die Wahrheit der Worte Gottes erleben, die erst Jahrhunderte später durch den Propheten Sacharja ausgesprochen wurden: «Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen» (Sach 4,6). Wie viel mehr dürfen wir als Glaubende der Gnadenzeit, in denen der Heilige Geist wohnt, auf diese Kraftquelle in uns bauen!

3) Die Posaune zeigt Wirkung

Gideon, bekleidet mit dem Geist des HERRN, greift nun zur Posaune und darf erleben, wie sie Wirkung zeigt. Zunächst kommen die Menschen aus seiner direkten Umgebung (die Abieseriter), dann auch aus Manasse, Aser, Sebulon und Naphtali. Sie folgen bereitwillig dem Ruf der Posaune und versammeln sich hinter Gideon. Auch das war ein deutlich erkennbares Wirken Gottes.

Die Posaune ist ein schönes Bild des Wortes Gottes. Wenn der Herr für einen Auftrag die Kraft seines Geistes gibt, dann schenkt Er auch sein Wort, durch das Er wirken möchte. Dieses Wort wird den Knecht des Herrn als das Werkzeug bestätigen, das Er gebrauchen will. So erlebte es Gideon und so wird es auch in unserer Zeit sein.

Machten diese drei offensichtlichen Ereignisse nicht deutlich genug, dass Gideon jetzt im Vertrauen auf Gottes Hilfe den Auftrag, den er von Ihm selbst bekommen hatte, ausführen sollte? Waren wirklich noch weitere Bestätigungen nötig?

Gideon fordert ein Zeichen

(Richter 6,34-40)

Wir verstehen Gideon gut, der angesichts der grossen Übermacht der Feinde ängstlich war. Doch wir stellen auch fest, dass die Zeichen ihm keine zusätzliche Sicherheit gaben. Nachdem Gott die erste Bitte nach einem Zeichen erfüllt hatte, bat Gideon noch um ein zweites Zeichen. Er war durch das erste nicht sicherer geworden. Auch nachdem beide eingetroffen waren, blieb Gideon ängstlich. Seine Hände erstarkten erst, als Gott ihm in Kapitel 7,9-14 zu Hilfe kam. Danach konnte Gideon anbeten und mit Energie und Kraft den Kampf eröffnen.

Ohne Gideon zu verurteilen, stellen wir fest, dass das Fordern von Zeichen weder eine hilfreiche noch eine notwendige Sache ist. Gott kommt Gideon in Gnade entgegen. Er macht seinem Knecht keinen Vorwurf und lässt ihn die Erfüllung seiner Bitten erleben. Er schenkt im ersten Zeichen nicht nur ein wenig Wasser auf dem Vlies, sondern ein volles Mass – eine Schale voll Wasser. Und Er gibt beim zweiten Zeichen nicht nur ein wenig Wasser auf dem Boden, sondern Tau auf dem ganzen Boden. Das ist souveräne Gnade Gottes, über die wir nur staunen können. Doch wir wollen dabei nicht übersehen, dass es auf der Seite Gideons an Vertrauen und Glaubensstärke mangelte.

Für unser Leben halten wir fest, dass Gott uns durch seinen Geist leiten möchte, indem Er uns Frieden ins Herz gibt zur richtigen Entscheidung. Zeichen müssen und sollen wir nicht fordern, sie bringen uns in der Entscheidungsfindung nicht weiter. Das gilt für uns umso mehr, als wir – im Gegensatz zu Gideon als Glaubender aus der Zeit des Alten Testaments – den Geist Gottes in uns wohnend besitzen. Es wäre eine Missachtung Gottes, wenn wir, statt auf das Wirken seines Geistes in uns, auf äussere Zeichen achten würden.

Die bildliche Sprache in diesen Zeichen

Wir haben die historische Situation gesehen und in den Zeichen die gnädige Antwort Gottes auf die Bitten seines Knechtes gesehen. Gottes Gnade triumphierte über den Kleinglauben Gideons. Darüber hinaus reden diese beiden Zeichen eine bildliche Sprache.

Dem Tau des Himmels kam in Bezug auf die Fruchtbarkeit des Landes Kanaan eine zentrale Bedeutung zu. Somit spricht er vom Segen Gottes. War es nicht so, dass Gott diesen irdischen Segen ganz besonders einem Volk – seinem Volk Israel – geben wollte? Daran erinnert uns das tropfnasse Woll-Vlies im ersten Zeichen. Doch durch die Sünde Israels kam eine Zeit, in der diesem Volk der Segen Gottes vorenthalten blieb. Das irdische Volk Gottes wurde beiseite gesetzt und der göttliche Segen wurde allen Völkern angeboten. Daran erinnert das trockene Vlies und der Tau auf dem ganzen Boden im zweiten Zeichen.

Wir leben heute in der Gnadenzeit, in der Gott im Herrn Jesus allen Menschen – unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk – seinen Segen anbietet. Er steht allen zur Verfügung. Jeder, der den Herrn Jesus im Glauben annimmt, wird diesen Segen bekommen.

Damit das möglich wurde, musste Christus jedoch das Werk der Erlösung vollbringen. Er kam als Mensch auf die Erde, um am Kreuz zu sterben. Während seines Lebens war Er das Lamm Gottes (beim Woll-Vlies handelte es sich um eine Woll-Schur, d.h. um Schafwolle; siehe Anmerkung zu Ri 6,37). Auf Ihm konnte der Segen des Himmels ruhen. Nur Er allein fand aufgrund seines vollkommenen Lebens jederzeit das Wohlgefallen des Himmels. Auch das wird im ersten Zeichen vorgebildet.

Doch der Herr Jesus wollte die Schleusen des Segens Gottes für alle Menschen öffnen. Alle sollten die Möglichkeit haben, in dessen Genuss zu kommen. Dafür musste Er am Kreuz von Golgatha in den drei Stunden der Finsternis vom Segen des Himmels abgeschnitten sein. In jenen Stunden traf Ihn das Gericht des heiligen Gottes mit aller Schrecklichkeit. Weil Er dieses schwere Werk vollbracht hat, kann jetzt in Ihm Errettung für alle Menschen verkündigt werden. Das wird im zweiten Zeichen angedeutet.

Wieder einmal staunen wir über die Geduld, Weisheit und Gnade Gottes mit den Seinen. Er kommt Gideon in Gnade entgegen und öffnet dabei den Blick für eine noch viel grössere Gnade – für die Gnade Gottes, die im Herrn Jesus erschienen ist, heilbringend für alle Menschen. Auf diesen Gott aller Gnade dürfen wir uns stützen. Im Vertrauen auf Ihn wollen wir jeden Auftrag ausführen, den Er uns gibt!