Kennzeichen der Versammlung in Antiochien

Apostelgeschichte 11,19-30; Apostelgeschichte 13,1-3; Apostelgeschichte 14,27; Apostelgeschichte 15; Galater 2,11

Beim Nachdenken über die Apostelgeschichte staunt man immer wieder darüber, wie die ersten Christen den Willen Gottes erkannten und in die Tat umsetzten, ohne die Belehrungen des ganzen Neuen Testaments zu besitzen. Sie hatten die Belehrung der Apostel, und sie besassen den Heiligen Geist. Das genügte in dieser Anfangszeit, den Willen Gottes zu erkennen.

So haben wir bis heute in den Begebenheiten aus der Zeit des frühen Christentums praktische Beispiele für biblisches Handeln – sowohl für den persönlichen Weg, für den Dienst im Reich Gottes als auch für das gemeinsame Leben als Versammlung. Am Beispiel der Versammlung in Antiochien lernen wir Wichtiges für den gemeinsamen Weg in der heutigen Zeit.

Der Anfang

(Apg 11,19-26)

Durch die beginnende Christenverfolgung veranlasst, kamen erste Christen auch nach Antiochien und verkündigten dort die Botschaft vom Herrn Jesus. Die Leute in Antiochien nahmen diese Vertriebenen bereitwillig auf und hörten ihren Worten zu. Das ist ein erstes Kennzeichen dieser Menschen, die später zur Versammlung Gottes in Antiochien gehören sollten.

Bereitwillige Aufnahme

Die Botschaft der verfolgten Glaubenden wurde aufgenommen. So kamen Menschen aus jener Stadt zum Glauben an den Herrn Jesus. Als die Versammlung in Jerusalem davon hörte, sandte sie Barnabas nach Antiochien, um dort das Werk Gottes zu besehen. Auch diesen Abgesandten von Jerusalem nahmen die jungen Glaubenden in Antiochien bereitwillig auf. Damit verwirklichten sie bereits von Beginn an die Wahrheit von dem einen Leib, ohne durch die Apostel darüber belehrt worden zu sein.

Doch die Aufnahmebereitschaft der Versammlung in Antiochien hörte damit nicht auf. Sie nahmen auch die Ermahnung von Barnabas, die Belehrungen durch Barnabas und Paulus und den prophetischen Dienst von Agabus bereitwillig auf und handelten entsprechend (V. 23.26.28). Welch ein schönes Beispiel für eine gottgemässe Haltung, die zu einem Handeln führt, das Gott ehrt!

Jakobus schreibt in seinem Brief, dass jeder Mensch schnell zum Hören und langsam zum Reden sein soll (Jak 1,19.22). Damit meint er genau diese Haltung der Bereitschaft, auf das zu hören, was Gott zu sagen hat. Wenn jemand schnell zum Reden ist, dann zeigt er eine andere Einstellung. Dann ist er es, der gern sein Wissen vermitteln möchte. Ist diese Haltung der Glaubenden aus Antiochien die unsere heute? Nehmen wir – persönlich oder als örtliche Versammlung – die Botschaft Gottes noch an? Was muss alles geschehen, bis wir bereit sind, in unserem Leben etwas zu ändern?

Glauben und Verharren

In dem Moment, da Menschen in Antiochien die Botschaft vom Heil im Herrn Jesus aufnahmen und zum Glauben kamen, entstand die Versammlung Gottes in Antiochien. Zu dieser Versammlung gehörten alle Glaubenden, die in Antiochien lebten.

Im Neuen Testament finden wir den Begriff Versammlung als Gesamtheit aller, die an den Herrn Jesus glauben unter einem dreifachen Aspekt: dem ewigen, dem zeitlichen und dem örtlichen.

In Epheser 1,22.23 wird die Versammlung als Leib Christi beschrieben, und zwar als seine Fülle. An dieser Stelle haben wir die umfassendste Bedeutung des Begriffs. Alle Glaubenden der Gnadenzeit – von Pfingsten bis zur Entrückung – sind da eingeschlossen. Das ist der ewige Aspekt. In diesem Umfang wird die Versammlung einmal verherrlicht ohne Flecken und Runzeln an der Seite des Herrn Jesus sein und seine Fülle ausmachen.

In 1. Korinther 15,9 hat der Begriff «Versammlung» eine etwas andere Bedeutung. Paulus spricht hier davon, dass er die Versammlung Gottes verfolgt habe. Dass er die nicht verfolgen konnte, die noch gar nicht geboren waren, später aber einmal an den Herrn Jesus glauben würden, verstehen wir gut. Und er konnte auch nicht die Glaubenden verfolgen, die bereits gestorben waren. Beide Gruppen gehören zur Versammlung im Sinn von Epheser 1,22.23. In 1. Korinther 15,9 dagegen sind in diesem Begriff all jene eingeschlossen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Erde leben und an den Herrn Jesus glauben. Hier wird uns der zeitliche Aspekt vorgestellt.

Schliesslich finden wir in 1. Korinther 1,2 die Versammlung Gottes in Korinth. Hier sind alle Glaubenden eingeschlossen, die zur Zeit der Abfassung des Briefes in Korinth lebten. Das ist der örtliche Aspekt der Versammlung.

So gab es nun auch in Antiochien die Versammlung des lebendigen Gottes. Wie Barnabas feststellen konnte, gingen sie in der Gnade Gottes voran. Sich auf die Gnade Gottes stützen, ist bis heute der einzig verlässliche Weg. Das Bauen auf die eigene Kraft ist nicht zur Freude Gottes und wird langfristig keinen Bestand haben. Aber im Bewusstsein der Gnade Gottes dürfen wir im festen Vertrauen vorangehen, dass es immer einen Weg nach Gottes Gedanken geben wird. Das taten die Glaubenden in Antiochien, indem sie mit Herzensentschluss beim Herrn verharrten.

Vielleicht bist du schon lange ein Kind Gottes und vielleicht schon lange auf dem gemeinsamen Weg der Kinder Gottes. Aber willst du mit Herzensentschluss beim Herrn bleiben? Was macht das Leben aus? Ist es dir wirklich das Wichtigste, beim Herrn zu sein und die Gemeinschaft mit Ihm zu kennen? Dann wirst du alles vermeiden, was diese Gemeinschaft stören könnte.

Auch in Bezug auf den gemeinsamen Weg darf es unser aller Wunsch sein, beim Herrn zu verharren. Nicht bei Gewohnheiten oder Traditionen, nicht bei Meinungen oder Erfahrungen. Dies alles hat seinen Wert, solange es sich nicht zwischen uns und den Herrn stellt, solange es uns nicht daran hindert, wirklich seinen Willen zu suchen und zu tun. Bei Ihm dürfen wir bleiben. Dazu gehört aber ein Entschluss des Herzens und geistliche Energie.

Zusammenkommen

In Vers 26 lesen wir, dass die Versammlung in Antiochien regelmässig zusammenkam. Das war für Barnabas und Paulus die Gelegenheit, die Gläubigen zu belehren. Doch nicht nur das Interesse an der apostolischen Belehrung oder – in der heutigen Zeit – der Unterweisung durch das Wort Gottes führt die Glaubenden zusammen. Es gibt noch einen anderen wichtigen Grund dafür, dass Glaubende zusammenkommen.

Wir haben bereits gesehen, dass zur Versammlung Gottes in einer Stadt alle Glaubenden gehören, die an diesem Ort leben. Das ist eine Tatsache, die wahr ist und bleibt. Der Herr Jesus kennt sie alle, und Er sieht seine Versammlung an dem betreffenden Ort. Aber da, wo Glaubende sich auf der Grundlage des Wortes Gottes versammeln, wird auch auf dieser Erde etwas von dem sichtbar, was Versammlung Gottes ist. Das ist ein wichtiges und bedeutungsvolles Motiv dafür, dass Glaubende zusammenkommen. Es ist Gottes Wunsch, dass hier auf der Erde etwas von seiner Versammlung sichtbar wird. Um diesem Wunsch Gottes zu entsprechen, kommen Glaubende zusammen und fragen dabei: «Wie möchte Gott, dass wir uns auf unserem gemeinsamen Weg verhalten?» Das ist bis heute ein besonderer Grund dafür, dass Gläubige zusammenkommen.

In Antiochien kamen die Glaubenden regelmässig zusammen. Dass es auch die Gefahr gibt, das Zusammenkommen zu versäumen, macht Hebräer 10,25 deutlich. Wenn wir aber verstanden haben, dass durch das Zusammenkommen der Glaubenden göttliche Wahrheiten auf dieser Erde und vor einer unsichtbaren Welt dargestellt werden – und genau das ist eine unserer Aufgaben nach Epheser 3,10 –, dann werden wir nicht leichtfertig fern bleiben, wenn Glaubende sich versammeln, weder im Alltag noch im Urlaub.

Diese Gelegenheiten, zu denen die Versammlung zusammen war, nutzten Paulus und Barnabas, um die Glaubenden zu belehren. Auch heute noch darf und soll die Lehre der Apostel, wie sie uns im Neuen Testament niedergeschrieben ist, in den Zusammenkünften der Glaubenden einen grossen Raum einnehmen. Halten wir an diesen Belehrungen fest und freuen wir uns immer wieder darauf, etwas davon zu hören?

Ein gutes Zeugnis

Die Glaubenden, die sich auf diese Weise regelmässig versammelten, blieben in der Stadt Antiochien nicht unbemerkt. Man erkannte sie als solche, die zu Christus gehörten und gab ihnen deshalb den Namen «Christen». Das ist das schönste Zeugnis, das man ihnen ausstellen konnte.

Welches Zeugnis haben wir in unserer Umgebung, in unserem Dorf, in unserer Stadt? Die Versammlung ist der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit (1. Tim 3,15). Sie ist das Haus Gottes, in dem Gott als Heiland-Gott gekannt ist. Dieses Zeugnis vom Heiland-Gott soll auch von denen ausgehen, die als Versammlung zusammenkommen und so das Haus Gottes darstellen. Zudem soll die Versammlung auch Herberge sein, in der man sich geborgen fühlt. Auch das Miteinander der Glaubenden auf dem gemeinsamen Weg darf ein Zeugnis für Gott sein. Ist es durch Liebe, Frieden und Heiligkeit gekennzeichnet, so ist dies zur Freude Gottes, zum Wohl für die Glaubenden und zum Zeugnis für die Umgebung. Damit dieses gute Zeugnis von der örtlichen Versammlung ausgehen kann, ist die Verwirklichung der Gedanken Gottes erforderlich.

Liebe äussert sich durch Hilfeleistung

(Apg 11,27-30)

In Antiochien finden wir auch die Ausübung von prophetischem Dienst. Dieser Dienst wurde ebenfalls angenommen, indem er gehört und in die Tat umgesetzt wurde. Als der Prophet Agabus eine Hungersnot ankündigte, die unter Klaudius eintrat, waren sich die Glaubenden in Antiochien schnell darüber einig, dass sie den in Not geratenen Glaubenden in Jerusalem helfen wollten. So sandten sie finanzielle Hilfe dorthin.

Damit bewiesen sie einmal mehr, dass sie die Wahrheit von dem einen Leib verstanden hatten und ausleben wollten. Sie fühlten sich mit den Glaubenden in Jerusalem verbunden und wollten das durch ihre praktische Unterstützung zeigen. Zudem wird darin deutlich, dass sie untereinander durch Liebe verbunden waren. Wären sie sonst zu einem solchen Opfer bereit gewesen?

Die Liebe zum Herrn Jesus und die Liebe untereinander ist bis heute der Schlüssel für ein Versammlungsleben zur Ehre Gottes.

Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes

(Apg 13,1-3)

In Antiochien konnte der verherrlichte Herr vom Himmel aus viele Gaben geben. Dort wirkten Propheten und Lehrer, die ein Gott hingegebenes Leben führten. Dabei zeigt uns der biblische Bericht in Apostelgeschichte 13, wie der Heilige Geist in Antiochien wirken konnte. Er wirkte in Paulus und Barnabas und machte ihnen deutlich, dass Er sie für eine besondere Aufgabe vorgesehen hatte. Er machte aber auch den anderen Propheten und Lehrern klar, dass Paulus und Barnabas zu diesem Dienst ausgesandt werden sollten. Welch schönes Ergebnis: Ausgesandt vom Heiligen Geist und verbunden mit denen, die in Antiochien zurückblieben, begannen diese beiden Diener des Herrn eine gesegnete Arbeit.

Auch heute ist die Wirksamkeit des Heiligen Geistes eine wichtige Sache für das Versammlungsleben. Dazu gehört nicht nur der Wunsch, Ihm in den Zusammenkünften den grösstmöglichen Freiraum zu geben, damit Er ungehindert wirken kann, indem wir jede Regelung ablehnen und auch Gewohnheiten nicht zum Gesetz erheben. Dazu gehört vor allem, dem Geist Gottes im persönlichen Leben die Leitung zu überlassen. Wie können wir erwarten, dass Er uns in den Zusammenkünften leitet, wenn wir uns in der übrigen Zeit nicht leiten lassen?

Auch in den äusseren Dingen dürfen und sollen wir danach fragen, wie der Geist Gottes uns führen möchte. Er kann beiseite geschoben werden, wenn unser Verstand alleiniger Massstab wird, wenn unsere Gefühle nicht unter seine Kontrolle gestellt werden und wenn unser Wille die eigenen Interessen vertritt, statt die Interessen Gottes. Wie leicht betrüben wir den Geist Gottes oder löschen Ihn in seinen Wirkungen aus. Wenn wir Ihn jedoch ungehindert wirken lassen, werden wir niemals enttäuscht. Wir werden erleben, welchen Segen Gott für uns vorgesehen hat. Dann wird sogar der Segen über die örtliche Versammlung hinausfliessen, wie es in Antiochien der Fall war.

Interesse für das Werk des Herrn

(Apg 14,27)

Die von Antiochien ausgegangenen Diener kehrten immer wieder gern dorthin zurück. Dort berichteten sie jeweils über die Werke, die Gott durch sie wirken konnte. Sie erzählten alles, was Gott gewirkt hatte. Die Glaubenden in Antiochien haben ihnen sicher gern und mit Interesse zugehört.

Haben auch wir dieses Interesse an dem Werk des Herrn? Oder sind wir mit eigenen Schwierigkeiten und örtlichen Problemen so beschäftigt, dass unser Blick gar nicht mehr auf das weite Feld im Werk des Herrn gerichtet ist? Wie viel vermag das Gebet derer, die zum Namen des Herrn Jesus versammelt und übereingekommen sind, für eine Sache zu beten!

Das Bewahren der Einheit des Geistes

(Apg 15)

Im Leben der Versammlung in Antiochien gab es ein schönes Wachstum. Darauf kam eine Zeit der Schwierigkeiten. Einige brachten aus Judäa Lehren, die die Glaubenden in Antiochien beunruhigten.

Wie reagierte man darauf? Man kam überein, die Sache in Jerusalem zur Sprache und zur Klärung zu bringen. Man wies diese Lehrer nicht einfach ab, und blieb auch nicht dabei stehen, für sich selbst ein Urteil abzugeben. Man war sich bewusst, dass diese Frage im Einklang mit den Geschwistern in Jerusalem zu klären sei.

Wir sehen daraus deutlich, dass die örtliche Versammlung in Antiochien nicht unabhängig handeln wollte. Nicht ohne Grund macht der biblische Bericht deutlich, dass die Versammlung in Antiochien Paulus und Barnabas das Geleit gab und dass die Versammlung in Jerusalem sie aufnahm (V. 3.4). Mit Gottes Hilfe und durch das Wirken des Heiligen Geistes konnte eine Klärung und Einigung in der anstehenden Frage erzielt werden. In Antiochien und an anderen Orten wurden die Beschlüsse bereitwillig aufgenommen. Dieses Vorangehen in der Einheit des Geistes war für die Glaubenden zur Freude und zum Nutzen (V. 31).

Das Festhalten an der biblischen Lehre

(Gal 2,11)

Schliesslich denken wir noch an eine Begebenheit, die sich ebenfalls in Antiochien zugetragen hat. Petrus kam dorthin und verhielt sich auf eine Weise, die nicht der gesunden Lehre entsprach. Durch sein Verhalten wurden andere mitgerissen. Als dies deutlich wurde, widerstand Paulus dem angesehenen Apostel Petrus, damit der gerade Weg nach der Wahrheit des Evangeliums nicht verfälscht wurde. So ging man in Antiochien auf diesem Weg voran und wollte weder zur Rechten noch zur Linken davon abweichen.

Mit der Hilfe des Herrn möchten auch wir auf diesem geraden Weg vorangehen, bis Er kommt. Er hat uns in seinem Wort gezeigt, dass es bis zu seinem Kommen einen gemeinsamen Weg nach seinen Gedanken geben wird. Das Beispiel der Versammlung in Antiochien macht uns Mut, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren und mit dem festen Wunsch voranzugehen, die Gedanken Gottes über das Leben als Versammlung zu verwirklichen. Er wird uns dabei nicht allein lassen.