Wohlriechender Duft

Hohelied 4,10-11

«Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, meine Braut; wie viel besser ist deine Liebe als Wein, und der Duft deiner Salben als alle Gewürze! … Der Duft deiner Gewänder ist wie der Duft des Libanon» (Hld 4,10.11).

Auf dem Tisch stand ein Topf mit einem Dutzend roter Rosen. Sie sahen so frisch aus im Sonnenschein, der in den Raum hereinflutete. Ein Besucher, angezogen durch den lieblichen Anblick, trat näher, um sich an dem Duft der Blumen zu erquicken. Aber ach, da war keiner! Sie waren künstlich, täuschend nachgemacht, leblose Dinge, die wohl Farbe und Form besassen, aber ihnen fehlte die Vortrefflichkeit des wirklichen Pflanzenlebens und der wohlriechende Duft. Keine Honigbiene besuchte je diese Rosen von Menschenhand.

Ist es nicht so, dass oft auch im Leben des Christen der wohlriechende Duft des abwesenden Meisters fehlt? Da sind freundliche Worte, fröhliches Lächeln und Liebeswerke, alles sehr empfehlenswerte und wertvolle Züge an sich. Aber etwas fehlt daran. Der Geist Christi wirkt nicht im Herzen, um dem äusseren Tun Wohlgeruch zu verleihen. Es sind Blumen, von menschlichen Fingern gemacht; sie sind nicht in Gottes Erde gewachsen.

Bei den Gaben, die Epaphroditus von der Versammlung in Philippi dem gefangenen Paulus brachte, war es nicht so. Jene kostbare Opfergabe, die ihm mit so viel hingebender Bemühung überbracht wurde, duftete ganz nach der Liebe Christi, und ihr Wohlgeruch war für den einsamen und betrübten Diener des Herrn, gefangen in Rom, eine grosse Freude.

In seinem Dankesschreiben an jene Gläubigen beschreibt der Apostel diese ihre Gabe als «einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig» (Phil 4,18). Sie sprach zu ihm von Christus, der in den Herzen dieser weit entfernten Brüder wirkte; denn er gebraucht ähnliche Ausdrücke, wenn er die Selbsthingabe Christi als Schlachtopfer für Gott beschreibt (Eph 5,2). Gewiss, die Philipper wandelten in enger Gemeinschaft mit dem Herrn, und die Liebe Christi hatte sie getrieben, den Bedürfnissen des Paulus in dieser Weise zu dienen. Ihre Freigebigkeit entsprang dem Leben Christi, das in ihnen war, und der Weihrauch und die Myrrhe ihres Opfers waren dem geistlichen Sinn des Apostels offenbar.

Welche Überraschungen für das menschliche Urteil bieten unser Wandel und unsere Wege, wenn sie sich in dem Heiligtum der Gegenwart des Herrn in ihrem wahren Charakter abwickeln! Süsser Wohlgeruch war in den Kupfermünzen der Witwe, während die Talente von Gold und Silber, die die Reichen darbrachten, nur verrostetes Metall und fauler Reichtum waren (Jak 5,2.3). Da war angenehmer Duft für den Herrn in der Alabasterflasche der Maria, aber nur schädliche Dämpfe des Verrats und des Todes für die Armen in der Tasche des Judas.

«Das Leben ist für mich Christus», sagte der Apostel, und auch: «nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir». Ist unser Wandel von dieser Art, «sind wir Gott ein Wohlgeruch Christi», indem wir den Duft seiner Gesinnung und seines Lebens unter den Menschen um uns her verbreiten.