Der zweite Johannesbrief

2. Johannes

Im ersten Brief des Johannes fanden wir die Lehre von der Person Christi. Er wurde im Blick auf die Irrtümer geschrieben, die damals schon – wie auch heute – im Umlauf waren. Er begegnet den Angriffen des Feindes auf die Wahrheit, dass Jesus Christus Gott und Mensch war, in einer Person. In diesem zweiten Brief nun wird uns gezeigt, wie sich der einzelne Gläubige den Werkzeugen des Feindes, den Verführern gegenüber verhalten soll.

An wen richtet sich dieser zweite Brief?

Verse 1.2

«Der Älteste der auserwählten Frau und ihren Kindern, die ich liebe in der Wahrheit; und nicht ich allein, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben, um der Wahrheit willen, die in uns bleibt, und sie wird mit uns sein in Ewigkeit.»

Dieser trotz seiner Kürze so wichtige Brief ist nicht an eine Versammlung und nicht an einen Diener Gottes gerichtet, der eine besondere Verantwortung trug, sondern an eine Frau und ihre Kinder. Offensichtlich wollte der Geist Gottes dadurch anzeigen, dass die darin enthaltenen Empfehlungen und Ermahnungen jedem von uns persönlich gelten. Nicht nur jeder Bruder, sondern auch jede Schwester, die ja mehr einen Platz im Haus und in der Verborgenheit einnimmt, ist verantwortlich, die Wahrheit in Liebe festzuhalten und sich durch niemanden davon abziehen zu lassen.

Johannes, der letzte der Apostel, berufen über die Kirche zu wachen, in einer Zeit, wo schon viele Antichristen geworden waren, nennt sich hier nur «der Älteste». Als erstes erinnert er die Empfängerin des Briefes an ihre Auserwählung. In jenen Tagen, wo es in der bekennenden Christenheit schon Verführer gab, sollte sie dies nicht vergessen. Sie war in Christus durch und für Gott auserwählt; Er hatte sie aus ihren natürlichen Verbindungen zur Umwelt herausgenommen und sie in neue, göttliche Beziehungen versetzt. Wie gut ist es, sich allezeit dieses souveränen Aktes der Gnade Gottes bewusst zu sein!

Der Apostel schliesst auch die Kinder dieser Schwester in seine Anrede ein. Auch sie sollen ja in die Wahrheit eingeführt werden und darin bleiben. Dächten doch auch wir allezeit daran, wie unser Verhalten gegenüber Christus, gegenüber der christlichen Wahrheit und ihren Widersachern alle beeinflusst, die in unserem Haus sind!

Wahrheit, Liebe und Gehorsam

Diese drei Dinge: Wahrheit, Liebe und Gehorsam (in den Geboten wandeln) werden in diesem kurzen Briefe auffallend oft genannt. Sie sind eng miteinander verbunden und können nicht voneinander getrennt werden, ohne ihren Charakter zu verlieren. Eines kommt aus dem anderen hervor; und sie sind voneinander abhängig.

Vor allem wird auf die Wahrheit hingewiesen. Sie ist durch Jesus Christus geworden (Joh 1,17) und die Grundlage des Christentums: Gott offenbart als Vater – im Sohn, durch den Geist und durch das Wort. Die Wahrheit ist nicht nur eine Lehre; es geht bei ihr um Lebendiges: Um einen lebendigen Christus; – um den Heiligen Geist als Kraft des Lebens; – um das lebendige Wort, den vollkommenen Ausdruck dessen, was Gott ist, um den Ausdruck seiner Gedanken, seiner Ratschlüsse und seines Willens.

Es wird nicht gesagt, Gott sei die Wahrheit; Er kann nicht der Vertreter oder die Darstellung eines anderen sein. Aber Christus ist die Wahrheit (Joh 14,6), indem Er uns Gott so dargestellt hat, wie Er ist, in allen seinen Vollkommenheiten. Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit (Joh 16,13), weil Er der Seele durch das Wort Christus offenbart. Auch das Wort ist die Wahrheit (Joh 17,17). Wir besitzen also, was in Ewigkeit bleibt und nicht vergehen kann: Christus, den Heiligen Geist und das Wort, die Wahrheit, «in uns bleibt, und sie wird mit uns sein in Ewigkeit». Diese göttlichen Hilfsquellen inmitten des Verfalls und der Verwirrung in der Christenheit sind für den Glauben eine so mächtige Ermunterung!

Wie lieblich ist die Gemeinschaft des Geistes zwischen dem «Ältesten» und dieser Schwester und ihren Kindern! Sie besteht zwischen denen, die die Wahrheit kennen und darin wandeln. Die Liebe aus Gott entspricht der Wahrheit; denn «sie freut sich mit der Wahrheit» (1. Kor 13,6) und nicht mit Lehren, die die Wahrheit leugnen.

Vers 3

«Es wird mit euch sein Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, in Wahrheit und Liebe.»

Das ist nicht nur ein Wunsch, sondern eine positive Zusicherung an diese auserwählte Frau und ihre Kinder. Die Gunst Gottes begleitet den Treuen, der auf seinen Wegen vorangeht.

Weshalb hier dieser ungewöhnliche Ausdruck: «Der Sohn des Vaters»? Er ist eine Antwort auf die Leugnung seiner Herrlichkeit durch den Feind. Der Geist Gottes lässt vor den Blicken des Widersachers das leuchtende Banner wehen, um diese christliche Familie, die zur Treue aufgerufen wird, zu stärken.

Vers 4

«Ich habe mich sehr gefreut, dass ich einige von deinen Kindern in der Wahrheit wandelnd gefunden habe, wie wir von dem Vater ein Gebot empfangen haben.»

Johannes macht hier eine Einschränkung. Eines oder mehrere ihrer Kinder haben Jesus vielleicht noch nicht als ihren Herrn und Heiland bekannt oder waren unter den Einfluss der Verführer geraten. – Es geht nicht nur darum, die Wahrheit zu erkennen, sondern auch darin zu «wandeln», oder, wie in Johannes 3,21 gesagt ist, die Wahrheit zu «tun». Das Herz muss daran beteiligt und ihre Autorität im Gewissen anerkannt sein. Darauf kommt es an.

Da handelt es sich nicht um ein gesetzliches Gebot, das sich an den natürlichen Menschen richtete, sondern um «ein Gebot von dem Vater», aus dem wir geboren sind und aus dem wir Leben haben. Im Geist wandelnd, in seiner Kraft, ist es uns eine Freude, nach seinem Willen zu forschen und nach seinen Geboten zu leben. Gerade im Johannes-Evangelium, wo das Gesetz völlig dahinten gelassen wird, ist so oft von Geboten die Rede. Der Sohn Gottes leuchtet nirgendwo so sehr hervor wie dort, und gerade Er liebte es, von den Geboten des Vaters für Ihn und für uns zu reden, weil Er so völlig die Stellung eines Menschen in Gehorsam und Abhängigkeit eingenommen hat.

Verse 5.6

«Und nun bitte ich dich, Frau, nicht als ob ich dir ein neues Gebot schriebe, sondern das, was wir von Anfang an gehabt haben: dass wir einander lieben sollen. Und dies ist die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln. Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang an gehört habt, dass ihr darin wandeln sollt.»

Der Apostel beharrt auf dem Gebot, das wir «gehabt» und «von Anfang an gehört haben». Er fasst es in die Worte zusammen: «dass wir einander lieben sollen». Die Liebe aus Gott kommt zu ihrem reinen Ausdruck, wenn wir «nach seinen Geboten wandeln». Wahrheit und Gehorsam sind die Bahn der wahren Liebe und zugleich ihr Schutz. In Christus sehen wir dies so wunderbar dargestellt. In Ihm ist die Liebe in die Welt gekommen. Aber Er war auch die Wahrheit, indem Er alles offenbarte und an den richtigen Platz stellte. Und zudem war Er auch der gehorsame Mensch, dessen Liebe zum Vater sich in allen Dingen durch Gehorsam zeigte. Er war gekommen, um den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte.

Auch der Christ ist zu einem solchen Wandel berufen. Christus gehorchen, mit der Wahrheit im Herzen, im Genuss der Liebe als der Quelle von allem: Das ist «Christus».

Das Fleisch kann sich einen gewissen Schein geben und eine grosse Liebe zur Schau stellen; aber da ist weder Wahrheit noch Gehorsam dabei; es vermag nicht «Christus» darzustellen. Halten wir fest, was uns schon im ersten Brief gesagt worden ist: «Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten» (1. Joh 5,2).

Unser Verhalten gegenüber Irrlehrern

Vers 7

«Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist.»

Johannes kommt immer wieder auf das zurück, was «wir von Anfang gehabt haben» (Vers 6), weil in seinen Tagen schon «viele Verführer in die Welt ausgegangen» waren. Diese hatten sich einst zur Versammlung gezählt, aber, getäuscht durch Satan, verliessen sie sie, um die Wahrheit bezüglich der Person Christi zu leugnen. Sie trugen nun den schrecklichen Charakter von Verführern und Antichristen. Im Brief des Judas rührte das Böse von denen her, die sich «nebeneingeschlichen» hatten. Die Briefe des Johannes dagegen haben auf eine spätere Zeit Bezug, auf «die letzte Stunde», wo diese Männer «ausgingen», um als offene Widersacher der Wahrheit zu widerstehen. Einer, der sich, ohne erlöst zu sein, der Versammlung Gottes anschliesst und für eine Weile seinen Platz als Christ in ihr einnimmt, geht um vieles schlechter hinaus, als er hereingekommen ist. Er hasst jetzt sowohl die Wahrheit als auch die, die sie festhalten. Er betrachtet es nun als seine Aufgabe, die Gläubigen zu verführen, die Wahrheit zu verdrehen und Christus zu leugnen.

Schon im ersten Brief, Kapitel 2,18-27 und 4,2-6, sind uns diese Verführer vorgestellt worden. Sie leugnen nicht unbedingt die historische Tatsache seiner Geburt, aber sie bekennen nicht, wie die, die Leben aus Gott und die Salbung des Geistes haben, dass die Person Christi im Fleisch, als «Gott offenbart im Fleisch» gekommen ist. Es geht um das Bekenntnis der Wahrheit, dass in Ihm Göttlichkeit und Menschheit vereinigt sind. Diese Tatsache ist die Grundlage des Christentums, ohne die die Erlösung unmöglich ist.

Vers 8

«Gebt acht auf euch selbst, damit wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.»

Diese Schwester und ihre Kinder – wie natürlich auch wir alle (vgl. 1. Joh 2,28) – sollten auf sich selbst achthaben, damit ihre Gedanken nicht von der Einfalt gegen Christus abgelenkt würden und sie nicht in Berührung kämen mit denen, die die Lehre des Christus verwerfen.

Wären diese Seelen von der Wahrheit abgekommen, so hätte der Apostel die Frucht seiner Arbeit verloren. Offenbar hatte er ihnen in besonderer Weise gedient. Aber er kommt ihnen hier zu Hilfe und appelliert dabei an ihre Liebe zu ihm: Wenn sie an der Wahrheit festhielten, so würde er am Tag Christi vollen Lohn empfangen.

Vers 9

«Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn.»

Jeder, der weitergeht, das heisst, die Grenzlinie der uns gegebenen Offenbarungen überschreitet, die uns «von Anfang an» gegeben worden sind, indem er behauptet etwas Neues zu bringen, – jeder, der eine Lehre verkündigt, die die Wahrheit bezüglich der Person Christi antastet, hat Gott nicht. Eine Weiterentwicklung der uns im Wort offenbarten Wahrheit Christi führt von Gott weg, zur Lüge hin. Wer aber in der Lehre bleibt und alles abweist, was von ihr wegführt, hat sowohl den Vater als auch den Sohn (vgl. auch 1. Joh 2,23.24.)

Verse 10.11

«Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüsst ihn nicht. Denn wer ihn grüsst, nimmt teil an seinen bösen Werken.»

Diese unmissverständliche Anweisung des Wortes, die sich hier an eine Schwester und ihre Kinder richtet, braucht keine Erklärung, sondern nur eine treuen Befolgung, auch in unseren Tagen, wo so viele Verführer umhergehen und Hörer suchen.

Jeder Umgang mit solchen Werkzeugen der Finsternis, jede Bezeugung der Liebe oder Freundschaft ihnen gegenüber, und wäre es nur ein Gruss, durch den man eine gewisse Gemeinschaft bezeugt, bedeutet Teilnahme an seinen bösen Werken, selbst wenn man dabei vorgibt, seine böse Lehre zu verwerfen. Wer mit solchen Irrlehrern Gemeinschaft pflegt, muss gemieden werden, wie dieser selbst. Es geht um die Frage der Treue gegenüber dem Herrn selbst; Kompromisse sind Verrat an Ihm.

Verse 12.13

«Obwohl ich euch vieles zu schreiben habe, wollte ich es nicht mit Papier und Tinte tun, sondern ich hoffe, zu euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, damit unsere Freude völlig sei. Es grüssen dich die Kinder deiner auserwählten Schwester.»

Dieser Gruss zeugt von einer Liebe, wie sie unter den Gläubigen herrschen sollte. Der Apostel erwartete, dass diese Schwester mit ihren gläubigen Kindern die Anweisungen dieses Briefes befolgte. Er hoffte, sie besuchen zu können und setzte voraus, dass sie sich dann ungehindert über die Wahrheit von der Person Christi unterreden und die sich daraus ergebende «völlige Freude» miteinander geniessen könnten.

Nachdem Christus in die Welt gekommen ist, können sich die Gläubigen nun um diesen Mittelpunkt versammeln und sich so in der Gegenwart des Gottes der Gnade aufhalten. Gelingt es dem Feind, sie im Festhalten an dieser Wahrheit wankend zu machen, so bleibt ihnen keine andere Hilfsquelle mehr übrig. Satan sucht sein böses Ziel durch Verfolgung oder durch List zu erreichen. Aber wenn sich die Seele in persönlichem Glauben und Gehorsam an Christus und seine Wahrheit hält, wird sie zu ihrem eigenen Frieden und Segen allen seinen Anläufen standhalten.