Der Brief an die Hebräer (29)

Hebräer 12,25-29

Verse 25-27

Nachdem der Verfasser des Briefes den auffallenden Unterschied zwischen dem Sinai mit seinem Schrecken und der wunderbaren Szene der himmlischen und irdischen Herrlichkeit festgestellt hat, zu der die Hebräer gekommen waren, ermahnt er sie in eindringlicher Weise, sich nicht von dem abzuwenden, der von den Himmeln her redet, das heisst von Christus. Er war es schon, der HERR des Alten Testaments, der damals in Aussprüchen auf der Erde geredet hatte, als Er auf dem Sinai «lebendige Aussprüche» gab, damit Mose sie dem Volk überbrächte (Apg 7,38). Das Volk weigerte sich zu hören, aber konnte damit seiner Verantwortung nicht entgehen. Christus hat wohl sein Zeugnis auf der Erde abgelegt; da hat Er seine Stimme vernehmen lassen. Aber die Hebräer, wie auch wir selbst, haben es jetzt mit dem zu tun, «der von den Himmeln her redet», mit einem verherrlichten Christus, der zur Rechten der Majestät sitzt, mit dem Herrn der Herrlichkeit, von woher Er den Heiligen Geist herabgesandt, der sein Zeugnis bestätigt hat (Heb 2,1-4). Wenn das Volk Israel nicht entgehen konnte, als es den abwies, der damals auf der Erde redete, wie viel weniger wird man jetzt entfliehen, wenn man sich von dem abwendet, «der von den Himmeln her redet»!

Seine Stimme erschütterte die Erde, als Er vom Sinai herab redete (2. Mo 19,18). Jetzt aber redet Er mit Gnade und Autorität vom Himmel herab, und was verkündigt Er uns? Dass Er noch einmal, nicht nur die Erde, sondern auch die Himmel bewegen werde (vgl. Hag 2,6). Diese Erschütterung wird also nach der Erklärung des Verfassers in der Verwandlung aller geschaffenen Dinge bestehen, so wie wir es in 2. Petrus 3,7.12 sehen. Für die Hebräer kam als erste Erschütterung die Zerstörung Jerusalems und das Verschwinden des Judentums, dieses Systems, das in Beziehung stand mit dem Menschen in seiner Verantwortlichkeit vor Gott. Weitere schwere Erschütterungen werden das Tausendjährige Friedensreich Christi einleiten. Schliesslich aber wird die Erde und alles, was auf ihr ist, verunreinigt durch die Sünde und die Verdorbenheit, die Erde und alles, worin der Mensch seine Ruhe und seine Befriedigung zu finden sucht, aufgelöst werden und verschwinden. Sogar der Himmel selbst, der Sitz der Macht des Feindes, der durch seine Gegenwart verunreinigt ist (Off 12), muss aufgelöst werden. Alles, was der ersten Schöpfung angehört – die veränderlichen Dinge – sollen verschwinden und den unveränderlichen, bleibenden Dingen der neuen Schöpfung Platz machen. «Wir erwarten aber nach seiner Verheissung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt» (2. Pet 3,13).

Verse 28.29

Der Schreiber zieht jetzt für die Gläubigen den Schluss aus dem, was er soeben gesagt hat. Sie waren durch den Glauben in den Besitz all dieser tausendjährigen und ewigen Herrlichkeiten gelangt; sie waren der himmlische Teil dieses Reiches, das nicht erschüttert werden kann und das durch die Erschütterung der veränderlichen Dinge eingeführt wird. Sie waren die Erstlingsfrucht der neuen Schöpfung, und was die Gegenwart betrifft, empfingen sie schon dieses Reich. Es ist in der Tat das Vorrecht jedes Gläubigen, durch den Glauben in dieser ganzen so erhabenen Ordnung der Dinge, der sie angehören, zu leben und sich zu bewegen. Dadurch wurden die Hebräer vom Judentum, dieser vorübergehenden und veränderlichen Sache gelöst; dadurch werden auch unsere Herzen von den Dingen frei gemacht, die auf der Erde sind und die uns im Dienst ein Hindernis bilden, den wir für Gott zu tun haben.

Wir besitzen diese Vorrechte durch die Gnade: Vergessen wir es nicht, aber halten wir diese Gnade fest. Das Gesetz vermochte uns nicht dahin zu bringen. Und was haben wir jetzt zu tun? «Gott wohlgefällig zu dienen». Dienen bezieht sich hier, wie überall in diesem Brief, auf den Gottesdienst, den wir Ihm darbringen sollen. Die Zeit des jüdischen Gottesdienstes war vorüber; das war nun nicht mehr der Gott wohlgefällige Dienst. Jetzt erfüllt die Gnade, die uns in den Genuss der himmlischen Segnungen eingeführt hat, unsere Herzen mit Dankbarkeit gegen Gott und macht uns fähig, Ihm einen Gottesdienst darzubringen, der Ihm wohlgefällig ist. Er ist die Frucht dessen, was seine Gnade in uns hervorgebracht hat.

Immerhin dürfen wir nicht vergessen, dass, wenn die Gnade uns zu Gott gebracht hat, so dass wir in seiner Gegenwart in Freiheit sind, Er dennoch Gott, der Allmächtige bleibt, der heilige und gerechte Gott. Wir befinden uns vor seiner erhabenen Majestät. Unser Dienst muss sich daher «mit Frömmigkeit und Furcht» erfüllen, im Bewusstsein seiner Grösse und in der Ehrfurcht, die Ihm gebührt. Diese Ehrfurcht, verbunden mit dem Bewusstsein der Gnade, wird unserem Gottesdienst einen erhabenen Charakter verleihen. Möchten wir in unserem Wandel, der ein täglicher Dienst sein soll, davon durchdrungen sein! So ist also die Gnade der Beweggrund unseres Dienstes, und «Frömmigkeit und Furcht» sollen sein Wesen sein und die Weise seiner Erfüllung kennzeichnen.

Dies wird mit der ernsten Tatsache begründet: «Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.»

«Unser Gott», beachte es, und nicht Gott, getrennt von Christus. Der Gott, der Nadab und Abihu verzehrte, weil sie dem HERRN fremdes Feuer dargebracht hatten (3. Mo 10,1.2); der Gott, der die Israeliten vor dem Götzendienst warnte und erklärte, dass Er «ein verzehrendes Feuer, ein eifernder Gott» sei (5. Mo 4,24), ist auch unser Gott, der Gott der Christen; sein Wesen der Heiligkeit, in dem Er das Böse richten muss, ändert sich nicht. Er kann bei denen, die sich Ihm nahen, keinerlei Verunreinigung dulden, nichts, was im geistlichen Sinne an fremdes Feuer oder an Götzendienst erinnert. Er will uns ganz für sich haben.