Zum Studium von Hebräer 11 – 13 (5)

Hebräer 11,11-22

Kapitel 11,8-22: Der Weg des Glaubens (2)

Der Tod – kein Hindernis für den Glauben

Wir sprechen nun einen neuen Wesenszug des Glaubens an: Er bestätigt sich in Gegenwart des Todes. Der Glaube befähigt uns nicht nur, als Fremde in der Welt zu leben, sondern er erstrahlt in seinem vollen Glanz, wenn wir es mit dem Tod zu tun haben, der den Glauben erschüttern will. Dieses Thema beginnt mit Vers 11 und setzt sich bis Vers 22 fort.

In den Versen 11 und 12 sehen wir, dass Abrahams Körper erstorben, d.h. nicht mehr zeugungsfähig war. Ebenso war der Mutterleib Saras abgestorben (Röm 4,19). Gott hatte diesem Ehepaar eine Verheissung gemacht. Aber ihr Zustand war für die Verwirklichung dieser Zusage ein absolutes Hindernis. In dieser Situation bestätigte sich der Glaube, der sich immer an die Unmöglichkeiten klammert. Abraham «zweifelte nicht an der Verheissung Gottes durch Unglauben» (Röm 4,20). In den Augen seines Glaubens konnte der Tod die Erfüllung der Verheissung nicht verhindern.

In den Versen 13-16, in denen der Apostel die vorhergehenden Verse zusammenfasst, wird uns der Glaube gezeigt, wie er mit dem Tod als dem ringt, der jeder Hoffnung auf der Erde ein Ende setzt.

Der Glaube blickt über den Tod hinaus

«Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheissungen nicht empfangen, sondern sahen sie von fern und begrüssten sie und bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien» (V. 13). Sie hatten die Verheissungen empfangen, kamen aber an ihr Lebensende, ohne die Belohnung ihres Glaubens zu erhalten, d.h. das, was ihnen verheissen war und worauf sie gehofft hatten. Waren sie entmutigt angesichts des Todes, der für die Welt das Ende aller Hoffnung darstellt? Nein!

Die Verheissungen waren ihnen für die Erde zugesprochen worden, und nun wurden sie dazu berufen, diesen den Ort der Erfüllung der Verheissungen Gottes zu verlassen. Menschlich gesprochen hätte man es ihnen nicht übelgenommen, wenn sie entmutigt worden wären.

Aber nein! Es genügte diesen Gläubigen, dass sie das, was ihnen verheissen war, von «fern sahen und begrüssten». Ihr Glaube war die Verwirklichung dessen, was man hofft, und die Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. Sie hatten die Verheissung als etwas Vertrautes und Bekanntes begrüsst, mit dem ihr Glaube bereits seit langem in Verbindung stand. Sie verstanden sehr gut, dass sie diese jetzt nicht erlangen konnten. Denn die Verheissung zu besitzen, hätte gleichzeitig ihrem Glauben und ihrem Bekenntnis, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht waren, ein Ende gesetzt. Sie wollten dieses Bekenntnis in keiner Weise fallen lassen oder verleugnen.

«Denn die, die solches sagen, zeigen deutlich, dass sie ein Vaterland suchen» (V. 14). Ihr Bekenntnis war ein aufrichtiges, öffentliches und praktisches Zeugnis. Sie beschränkten sich nicht auf das Reden. Ihre Zelte bezeugten die Wirklichkeit ihrer Worte. Wie oft unterscheidet sich leider unser Bekenntnis von dem ihren! Wir predigen Dinge, mit denen unser praktisches Leben nicht übereinstimmt. Wir zeigen nicht deutlich genug, dass wir ein Vaterland suchen.

Diese früheren Zeugen waren treuer als wir. Ihr Erbe vonseiten Gottes war irdisch. Trotzdem lebten sie auf eine Weise, die zeigte, dass die Erde nicht ihr Ziel war, dass sich ihr Vaterland anderswo befand. Der Tod als das Ende jeder zeitlichen Hoffnung bewirkte nur, dass sie ihre Glaubensaugen auf die Stadt Gottes richteten. Sie hatten ihr erstes Vaterland verlassen. Sie waren von ihm «ausgegangen», indem sie alle Vorteile ihrer früheren Bürgerschaft hinter sich liessen. Sie dachten nicht mehr daran. Gott hatte ihnen eine andere Heimat versprochen. Weit davon entfernt, zur alten Heimat zurückzukehren – auch wenn sie sahen, dass sie das gewünschte Ziel im Leben nicht erreichten –, gingen sie vorwärts, auch durch den Tod, um es auf diese Weise zu erreichen.

So war es auch für die Hebräer, die diesen Brief bekamen. Diejenigen, die jetzt so wie die früheren Zeugen sprechen – sagt der Schreiber – und dadurch zeigen, dass sie echte Söhne ihrer Väter sind, trachten nach einem himmlischen Vaterland (V. 16). Die Einsicht der Väter ging nicht so weit, obwohl ihr Glaube sich nach dem Himmlischen ausstreckte. Sie bezog sich auf die Verheissung der Erbschaft Kanaans, von der sie wussten, dass sie diese durch den Tod erlangen würden. Das Vaterland der Hebräer hingegen hatte einen ausschliesslich himmlischen Charakter, obschon sie sicher wussten, dass sie gemeinsam mit dem Herrn über die Erde regieren würden. Ihr Teil war ein besseres Vaterland als das, was den Vätern als irdische Verheissung zugesprochen worden war.

Deshalb fügt der Apostel hinzu, dass sich Gott ihrer nicht schämt. Er schämt sich auch unser nicht, sofern wir treu sind. Er nennt sich der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er hat ihnen und uns eine Stadt bereitet, die die Herrlichkeit ist (V. 16). «Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Herr, zu deiner Wohnung gemacht hast, das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereitet haben» (2. Mo 15,17).

Was für ein ernster Gedanke, dass Gott sich für uns schämen könnte! Kann Er seine Freude daran finden, mit einem weltlichen Christen Gemeinschaft zu haben, der die Freuden, die Nichtigkeiten, die schlechten Begierden, die Anerkennung, den Hochmut und die Reichtümer dieser Welt sucht? Nein, bestimmt nicht!

Der geprüfte Glaube denkt an die Auferstehung

Dieses Kapitel zeigt uns zwei grosse Zeitabschnitte im Glaubensleben Abrahams. Im ersten Abschnitt wird er gerufen (V. 8), im zweiten wird er geprüft (V. 17). Sein Glaube reagiert auf die Prüfung, wie er auf die Berufung reagiert hat. Im Weiteren finden wir als Folge dessen, was wir bereits gesagt haben, im Opfer Isaaks einen anderen Wesenszug des Glaubens im Ringen mit dem Tod. Isaak war der Sohn der Verheissung. Alle Versprechungen Gottes an Abraham konzentrierten sich auf ihn. Sie würden gegenstandslos, scheinbar unwiderruflich zerstört und zunichtegemacht werden, wenn Isaak sterben würde. Durch Glauben opferte Abraham seinen einzigen Sohn. Indem er einwilligte, den Träger der Verheissungen zu opfern, traute er Gott zu, dass Er den aus den Toten auferwecken konnte, auf dem die Verheissungen ruhten.

Dieser Gedanke an die Auferstehung war die natürliche Konsequenz des Glaubens Abrahams. Von Anfang an galten er selbst und Sara als Beweis dafür, dass Gott einem Toten Leben geben kann. Er verfolgte mit wachsendem Glauben den gleichen Weg, als Gott von ihm verlangte, seinen Sohn zu opfern. Er gab den auf, in dem sich die Verheissung erfüllen sollte, um ihn in der Auferstehung wieder zu bekommen. Alle Fasern seines Herzens und seiner natürlichen Empfindungen konnten zerrissen werden. Die Verheissungen Gottes waren ihm tausendmal mehr wert als das Kostbarste, das er in den natürlichen Beziehungen besass. Er empfing Isaak «im Gleichnis» als aus den Toten auferweckt (V. 19).

Die Hebräer – und auch wir – haben Christus in Wirklichkeit auf dieselbe Weise erhalten. Tatsächlich sind alle Verheissungen Gottes Ja und Amen (2. Kor 1,20). Sie bewahrheiten und erfüllen sich für uns in einem auferstandenen Christus. Aber dafür mussten diese Christen alle Hoffnung auf irdische Seg­nun­gen aufgeben – was auch für uns sehr wichtig ist –, um in den Genuss der geistlichen Seg­nun­gen einzutreten, die uns in den himmlischen Örtern in einem auferstandenen Christus gegeben sind.

Beachten wir diesen so häufig wiederholten Ausdruck: «Er empfing.» Der Gläubige empfängt ein Zeugnis wie Abel, Henoch und die Alten. Er empfängt die Kraft wie Sara. Er empfängt wie Abraham die Verheissung in einem auferstandenen Christus. Das Einzige, was er jetzt nicht empfängt, sind die auf die Erde bezogenen Verheissungen (siehe V. 13.39). Aber in der Zukunft werden die früheren Zeugen diese auch noch erhalten, wenn sie wie Daniel ruhen und am Ende der Tage zu ihrem Los auferstehen werden (Dan 12,13).

Der Glaube stützt sich auf das Zukünftige

In den Versen 20-22 finden wir einen letzten Charakter des Glaubens im Ringen mit dem Tod. Der Glaube erachtet den Tod für nichts, weil er sich nicht auf das Gegenwärtige, sondern auf das Zukünftige abstützt. Wir finden ihn hier wieder als die Verwirklichung dessen, was man hofft, und als die Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. Diese anfängliche, grosse Wahrheit bildet die Grundlage für das ganze Kapitel, wie wir zu Beginn gesehen haben.

«Durch Glauben segnete Isaak in Bezug auf zukünftige Dinge Jakob und Esau» (V. 20). Für ihn und seinen Glauben waren sie bereits Wirklichkeit. Das Gleiche gilt für den sterbenden Jakob in einer noch viel erstaunlicheren Weise. Jakob sprach von der Zukunft, wie wenn sie bereits vergangen sei: «Ich gebe dir einen Landstrich über deine Brüder hinaus, den ich aus der Hand der Amoriter genommen habe mit meinem Schwert und mit meinem Bogen» (1. Mo 48,22). Weit davon entfernt, zum Zeitpunkt des Todes entmutigt zu sein, beschränkte er sich nicht darauf, die Söhne Josephs zu segnen, sondern er betete auch an. Die Zukunft war für ihn eine so starke Realität, dass er angesichts des Todes Gott anbetete, der ihm den endgültigen Besitz der Dinge geben wird, auf die er immer gehofft hatte. Er betete an, indem er bis zum Ende seinen Charakter als Fremder und Pilger festhielt wie alle, die im Glauben gestorben sind (V. 13). Er hielt seinen Stab, bis er ihn nicht mehr brauchte und er ihm aus den Händen fiel.

Ebenso handelte der sterbende Joseph: «Durch Glauben dachte Joseph sterbend an den Auszug der Söhne Israels und gab Befehl wegen seiner Gebeine» (V. 22). Er begrüsste die Befreiung seines Volkes, ohne sie gesehen zu haben. Zudem rechnete er derart fest mit dem Erbteil, dass er seine sterblichen Reste überführen liess, um das Erbteil später in Besitz nehmen zu können, denn er glaubte an eine persönliche Auferstehung. So hat sich die Segnung auf andere ausgebreitet. Die durch Jakob repräsentierte Anbetung und die durch Joseph dargestellte Hoffnung sind hier das Ergebnis der Wirksamkeit des Glaubens.

Am Ende dieses Abschnitts weisen wir auf das hin, was andere – so glauben wir – bereits festgehalten haben: Die Zahl 7, die die Vollkommenheit symbolisiert und eine unteilbare Zahl ist, spielt eine grosse Rolle in diesem Kapitel:

  • In den Versen 8-22 finden wir 7 Beispiele der Geduld und des Ausharrens des Glaubens. Das Ausharren muss ein vollkommenes Werk haben.
  • In den Verse 23-31 haben wir 7 Beispiele der Energie des Glaubens.
  • Vers 32 enthält 7 Beispiele von Kämpfen und Siegen des Glaubens.

In den Versen 8-31 werden jedem Beispiel die Worte «durch Glauben» beigefügt.