Siehe, mein Knecht

Jesaja 42,1-4

In diesem Bibeltext spricht Gott über Christus, seinen Knecht. Das bestätigt uns das Matthäus-Evangelium, wo alle vier Verse auf den Herrn Jesus und seinen Dienst bezogen werden (Mt 12,17-21).

Gottes Freude an seinem Knecht

Im Alten Testament hatte Gott verschiedene Knechte, die Aufträge für Ihn ausführten. Mose und Josua werden ausdrücklich «Knechte des HERRN» genannt (5. Mo 34,5; Jos 24,29). Sie dienten Ihm treu und hingebungsvoll, hatten aber ihre Fehler und Schwächen. In der Fülle der Zeit kam der Sohn Gottes als Mensch auf die Erde, um Gott zu dienen. Er war der vollkommene Knecht, der immer das tat, was seinem Gott und Vater gefiel. Darum drückt Gott hier seine tiefe Freude über Ihn aus. Alle anderen Diener müssen jetzt in den Hintergrund treten, weil Gott uns den Knecht zeigen will, an dem Er sein ganzes Wohlgefallen gefunden hat.

«Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat: Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt» (V. 1).

  • Seht meinen Knecht! Nie hat es auf der Erde einen Menschen gegeben, der Gott so gedient hat wie Jesus Christus. Immer war Er bereit, sich dem Willen Gottes unterzuordnen – koste es, was es wolle. Er diente Ihm mit vollem Einsatz und in einzigartigem Gehorsam. Er sagte von sich selbst: «Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele» (Mk 10,45).
  • Seht meinen Knecht, den ich stütze! Der Herr Jesus wurde in seinem Dienst von Gott gestützt. Er war in allem, was Er tat, von Ihm abhängig. Nie handelte Er, ohne von Gott einen Auftrag dafür zu besitzen. Seine Abhängigkeit zeigte sich in seinem Gebetsleben. Er ging frühmorgens an einen öden Ort, um mit Gott allein zu sein und von Ihm Anweisung für den Tag zu bekommen (Mk 1,35).
  • Seht meinen Knecht, meinen Auserwählten! Jesus Christus lebte als Einziger nur zur Ehre Gottes. Nie tat Er eine Sünde. Trotzdem liess Er sich von Johannes taufen. Dadurch machte Er sich mit den gottesfürchtigen Menschen aus Israel eins, die Buße getan hatten. Dazu konnte Gott nicht schweigen. Er zeichnete Jesus öffentlich vor allen aus. Als der Heilige Geist wie eine Taube auf Ihn kam, erklärte der Vater: «Dieser ist mein geliebter Sohn.» Dieser sündlose Mensch war Gottes auserwählter Knecht, der all sein Wohlgefallen tun würde.
  • Seht meinen Knecht, an dem meine Seele Wohlgefallen hat! Als Gott, der Vater, das Leben und den Dienst Jesu auf der Erde betrachtete, fand Er in Ihm seine uneingeschränkte Freude und Befriedigung. Vorher hatten Ihn die Menschen jahrtausendelang durch ihr verkehrtes und sündiges Verhalten verunehrt! Doch nun sah Er Jesus Christus, der Ihm mit Hingabe diente und Ihn in allem, was Er dachte, redete und tat, nur verehrte. Welch eine Freude für Gott! Zweimal erklärte Er: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe» (Mt 3,17; 17,5).

Vier Merkmale des Knechtes Gottes

In den Versen 2-4 folgen vier Merkmale, die den Knecht Gottes in seinem Dienst auszeichneten. Wir möchten sie im Einzelnen ansehen, um die moralische Schönheit des vollkommenen Dieners zu entdecken. Gleichzeitig sprechen uns diese Eigenschaften an, denn der Herr Jesus ist in seinem Verhalten das grosse Vorbild für jeden, der Gott dienen möchte.

Demut

«Er wird nicht schreien und nicht rufen und seine Stimme nicht hören lassen auf der Strasse» (V. 2).

Christus diente nie mit der Absicht, sich bei den Menschen beliebt zu machen. Er wollte als Knecht Gottes nicht gross herauskommen. Darum war seine Predigt nie aufdringlich, wohl aber eindringlich. Er hielt keine kämpferischen Reden, obwohl die Leute sofort merkten, dass Er das Wort Gottes mit Vollmacht verkündete.

In Johannes 7 finden wir ein schönes Beispiel seiner Demut im Dienst. Vor dem Laubhüttenfest rieten Ihm seine Brüder, die damals noch nicht an Ihn glaubten: «Geh nach Judäa, damit auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust; denn niemand tut etwas im Verborgenen und sucht dabei selbst öffentlich bekannt zu sein. Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt.» Sie wollten, dass Jesus Christus am Fest gross herauskäme und dabei auch ein wenig Ehre auf sie als seine Brüder fiele.

Aber in seiner Herzensdemut suchte der Herr Jesus nicht das Ansehen bei den Menschen. Es heisst: «Als aber seine Brüder hinaufgegangen waren zu dem Fest, da ging auch er hinauf, nicht öffentlich, sondern wie im Verborgenen.» Am letzten Tag des Festes stand Er da und rief den Menschen zu: «Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke!» Im Auftrag Gottes konnte der demütige Knecht die Botschaft der Gnade durchaus laut verkünden, damit alle sie hörten. Doch Er suchte dabei nie die Ehre bei den Menschen (Joh 5,41).

Sanftmut

«Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen» (V. 3a).

Mit einem bildlichen Vergleich zeigt uns Gott hier, wie sanftmütig sein Knecht mit den Menschen umging. Das «geknickte Rohr» stellt einen Gläubigen dar, der unter dem Druck äusserer Ereignisse im Glaubensleben eingeknickt ist. Unerwartet hat ihn ein Schlag getroffen, den er kaum verkraften kann. Der «glimmende Docht» spricht von einem Erlösten, der mit seiner inneren Glaubenskraft am Ende ist. Sein Gottvertrauen wankt und seine Liebe zum Herrn schwindet.

Solchen Gläubigen begegnete der Herr Jesus sanft, um sie innerlich aufzurichten und ihren Glauben zu stärken. Ein Beispiel dazu finden wir in Lukas 8: Der Synagogenvorsteher war zu Jesus gekommen und hatte Ihn gebeten, seine sterbende Tochter zu heilen. Gemeinsam hatten sie sich auf den Weg gemacht, waren aber aufgehalten worden. Da bekam der Vater die Nachricht: «Deine Tochter ist gestorben, bemühe den Lehrer nicht.» Mit einem Schlag war die Hoffnung auf Heilung dahin. Hatte er vergeblich auf die Hilfe des Herrn Jesus vertraut?

Voller Sanftmut sprach der Knecht Gottes zu ihm: «Fürchte dich nicht; glaube nur, und sie wird gerettet werden.» Diese Worte waren Balsam für das verwundete Herz des Vaters. Zugleich fachten sie die kleine Flamme seines Glaubens wieder an. Wir staunen, wie feinfühlig und milde Jesus Christus in seinem Umgang mit den Menschen war.

Wahrheit und Gerechtigkeit

«Er wird der Wahrheit gemäss das Recht kundtun» (V. 3b).

In ihrer vollen Erfüllung bezieht sich diese Aussage auf das zweite Kommen des Herrn. Aber schon bei seinem ersten Kommen verkündete Er in einer ungerechten Welt das, was wahr und gerecht ist. Obwohl Er Widerstand erfuhr, hielt Er in seinem Dienst die Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes aufrecht (Ps 40,11). Dem römischen Statthalter erklärte Er: «Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe» (Joh 18,37).

Wir denken an die Szene im Markus 12, wo die Pharisäer und die Herodianer Ihn in seiner Rede fangen wollten: «Lehrer, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und dich um niemand kümmerst; denn du siehst nicht auf die Person der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes nach der Wahrheit. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben, oder nicht? Sollen wir sie geben, oder sollen wir sie nicht geben?» Mit ihren schmeichelnden Worten bezeugten sie – ohne es zu wollen –, dass Jesus Christus der Wahrheit gemäss das Recht kundtat.

Auch in seiner Antwort stand Er zur göttlichen Gerechtigkeit und Wahrheit: «So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.» Es war die Pflicht der Juden, sich der römischen Regierung unterzuordnen und die Steuern zu bezahlen, denn diese Fremdherrschaft lag als eine Strafe Gottes auf ihnen. Gleichzeitig sollten sie Gott das geben, was Ihm an Gehorsam und Ehrerbietung zustand. Wieder bewundern wir den Knecht Gottes, wie Er mit einem Satz alles ins richtige Licht stellte.

Ausharren

«Er wird nicht ermatten und nicht niedersinken, bis er das Recht auf der Erde gegründet hat» (V. 4).

Der Herr Jesus liess sich in seinem Dienst weder durch Widerstand noch durch Gleichgültigkeit entmutigen, obwohl Er klagen musste: «Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt» (Jes 49,4). Mit Ausharren wirkte der Knecht Gottes Tag für Tag, denn Er kannte die verborgene Kraftquelle: In der Gemeinschaft mit seinem Gott schöpfte Er neue Energie, um Ihm weiter unermüdlich zu dienen.

Seine Entschlossenheit im Dienst wird besonders auf seiner letzten Reise nach Jerusalem deutlich. In Lukas 9,51 heisst es, «dass er sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen». Nacheinander durchzog Jesus Christus die Städte und Dörfer. Überall lehrte Er das Wort – unabhängig davon, ob die Menschen es annahmen oder nicht (Lk 13,22). Wenig später lesen wir, dass Ihn die Pharisäer von seinem Weg nach Jerusalem abschrecken wollten: «Geh hinaus und zieh von hier weg, denn Herodes will dich töten.» Aber der Knecht Gottes liess sich nicht davon abhalten: «Geht hin und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet. Doch ich muss heute und morgen und am folgenden Tag weiterziehen» (Lk 13,31-33). Jesus Christus hatte den göttlichen Auftrag, nach Jerusalem zu gehen. Darum ging Er trotz Widerstand seinen Weg weiter und gab nicht auf halber Strecke auf. Wie freute sich Gott über das vollkommene Ausharren seines Knechtes!

Schluss

Das Betrachten des makellosen Dieners erfüllt uns mit Bewunderung. Gleichzeitig ist Er uns in den vier Kennzeichen das vollkommene Vorbild. Weil wir die göttliche Natur besitzen, können wir den Herrn Jesus darin nachahmen. Im Blick auf die Demut und die Sanftmut fordert Er uns auf: «Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig» (Mt 11,29). Auch was die Wahrheit und die Gerechtigkeit betrifft, sollen wir Jesus Christus ähnlicher werden: «Wandelt als Kinder des Lichts, denn die Frucht des Lichts besteht in aller Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit» (Eph 5,8.9). Das Ausharren legt uns der Schreiber des Hebräer-Briefs mit folgenden Worten ans Herz: «Betrachtet den, der so grossen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet» (Heb 12,3).