Das Evangelium Gottes – Frucht bringend und wachsend

Kolosser 1,6

Das Wort der Wahrheit des Evangeliums, das zu euch gekommen ist, wie es auch in der ganzen Welt Frucht bringend und wachsend ist, wie auch unter euch, von dem Tag an, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt habt (Kolosser 1,6).

Paulus schreibt an die Kolosser, die in Gefahr standen, sich durch philosophische und gesetzliche Elemente in ihrem christlichen Glauben erschüttern zu lassen. In seinen einleitenden Worten spricht er unter anderem über einige Ergebnisse, die das Evangelium Gottes bei ihnen bewirkt hatte. Ohne es direkt zu sagen, liegt darin ein verborgener Hinweis, bei dem zu bleiben, was sie am Anfang angenommen und gelernt hatten. Es lohnt sich, über die Aussagen des Apostels etwas nachzudenken und sie auf uns anzuwenden, denn sie haben ganz sicher auch eine Bedeutung für uns.

Das Wort der Wahrheit des Evangeliums

Das Evangelium ist Gottes gute Botschaft über seinen Sohn (Röm 1,1-3). Es ist mehr als eine Botschaft für ungläubige Menschen, denn es richtet sich ebenso an Gläubige (vgl. Röm 1,15; 1. Kor 15,1). Es umfasst im weitesten Sinn die ganze Botschaft über das grosse Heil Gottes, das sich auf den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus gründet. Die Hoffnung des Christen – von der Paulus vorher gesprochen hatte (V. 5) – ist ein Teil davon.

Das «Wort der Wahrheit» ist eine wunderbare Bezeichnung für die christliche Botschaft (vgl. Eph 1,13; 2. Tim 2,15; Jak 1,18). Wahrheit ist, wie Gott über etwas denkt. Das Evangelium ist deshalb wahr, weil es von Gott kommt. Die Kolosser fanden Wahrheit nicht in der Philosophie und den Überlieferungen der Menschen, sondern im «Wort der Wahrheit». Das ist bis heute nicht anders. Wahrheit ist nur bei Dem zu finden, der die Wahrheit kennt. Der Ausdruck «Wort der Wahrheit des Evangeliums» verleiht der Botschaft des Evangeliums das höchstmögliche Gewicht. Die Kolosser neigten dazu, etwas Neues hören zu wollen, um damit ihren Glauben zu bereichern. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Sie hatten bereits alles gehört, was nötig war. In der Botschaft Gottes ist alles enthalten, was ein Mensch für Zeit und Ewigkeit nötig hat. Gottes Kraft hat uns «alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt» (2. Pet 1,3). Mehr ist nicht erforderlich.

Zu euch gekommen

Das Evangelium wird hier so beschrieben, als wäre es eine Person. In der Tat ist Christus der herrliche Mittelpunkt dieser Botschaft Gottes. Wenn das Evangelium verkündigt und angenommen wird, kommt tatsächlich eine Person und ist gegenwärtig. Das Wort «kommen» beschreibt nämlich nicht nur den Vorgang des Kommens, sondern schliesst die Tatsache ein, dass der (oder das) Gekommene nun gegenwärtig ist. So verhält es sich mit der guten Botschaft für den, der sie annimmt.

Das Evangelium war «in der ganzen Welt». Das bedeutet nicht, dass es damals schon weltweit verkündigt worden wäre, sondern gemeint ist, dass sich die Botschaft Gottes nicht länger auf ein Volk (das Volk Israel) beschränkt, sondern dass es einen universalen Charakter hat. Es gilt unterschiedslos allen Menschen auf der Erde. Paulus kommt in Kolosser 1,23 darauf zurück, wenn er dort vom Evangelium spricht, das «ihr gehört habt, das gepredigt worden ist in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist». Es ist jedenfalls ein Phänomen, wie schnell sich damals – trotz sehr eingeschränkter Kommunikationsmittel – das Evangelium in der Welt verbreitet hat. Wir sind dankbar, dass es auch zu uns gekommen ist.

Dieses Evangelium trägt Kennzeichen, die nirgendwo sonst vorkommen – auch nicht im Gesetz oder in den Philosophien und Lehren der Menschen. Erstens hat es Kraft, um Menschen zu verändern und in ihnen Frucht hervorzubringen. Zweitens wächst es.

Frucht bringend

Das Neue Testament spricht an verschiedenen Stellen vom «Frucht bringen». Wir denken dabei zunächst an Menschen, die als Frucht für Gott gewonnen werden. Wenn der Same des Evangeliums ausgestreut wird, bringt jener Teil des Samens Frucht, der auf guten Herzensboden fällt. Solche Frucht kann nur das lebendige und bleibende Wort Gottes hervorbringen.

Es ist jedoch fraglich, ob Paulus in diesem Vers nur diese Art von Frucht meint, denn er bezieht sich nicht ausschliesslich auf die Vergangenheit, sondern fügt hinzu: «wie auch unter (oder in) euch, von dem Tag an, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt habt.» Diese Formulierung schliesst das Leben der Kolosser nach ihrer Bekehrung mit ein. Es ist also naheliegend, dass Paulus auch daran denkt, dass das Evangelium vom Tag der Bekehrung an Frucht im Leben des Gläubigen hervorbringt. Das ist eine geistliche Frucht, die Gott zu seiner Freude in jedem seiner Kinder sucht.

Das Wort der Wahrheit des Evangeliums wirkt im Inneren des Gläubigen. Es erbaut und zeigt positive Ergebnisse für Gott. Gott möchte nicht, dass unser Leben «fruchtleer» ist. «Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, so stellen sie euch nicht träge noch fruchtleer hin in Bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus» (2. Pet 1,8). Darin unterscheidet sich die christliche Wahrheit von jeder menschlichen Religion – keine von ihnen ist Frucht bringend.

Wachsend

Etwas, das wächst, wird grösser und breitet sich aus. Die Hauptbedeutung ist, dass sich das Evangelium selbst ausbreitet. In Apostelgeschichte 12,24 lesen wir: «Das Wort Gottes wuchs und mehrte sich.» Dieses Wachstum ist eine Eigenschaft, die typisch für das Evangelium ist. Es hat in sich selbst die Dynamik, sich auszubreiten. Je mehr die Menschen versucht haben, dieses Wachstum zu bremsen, umso mehr ist es bekannt geworden. Es blieb auch nicht in den Grenzen Israels, sondern hat sich in grosser Geschwindigkeit über die ganze Welt verbreitet. In 2. Thessalonicher 3,1 vergleicht Paulus das Wort des Herrn mit einem Läufer. Das Wort soll laufen und verherrlicht werden. Das ist – und dafür sind wir Gott dankbar – bis heute der Fall.

Ein Vergleich mit der Natur zeigt den übernatürlichen Charakter des Evangeliums. In der Natur wächst eine Pflanze zuerst und bringt dann Frucht. Hier ist die Reihenfolge umgekehrt. Ausserdem trägt in der Natur eine Pflanze in der Regel nicht gleichzeitig mit dem Wachstum Früchte. Wir kennen Pflanzen, die sogar zurückgeschnitten werden müssen, damit sie gute Früchte tragen. Pflanzen, die ungehemmt wachsen, stecken ihre Energie in der Regel in die Blätter und Zweige und bringen deshalb weniger Frucht. Das Evangelium kann jedoch beides zeitgleich. Es bringt Frucht in Menschen hervor und verbreitet sich gleichzeitig über die ganze Erde.

Hören und erkennen

Paulus erinnert die Kolosser noch einmal daran, wie es von Anfang an war. Sie hatten das Wort gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt. Dabei sollten sie bleiben. Auf das Hören folgt die Erkenntnis. Das Wort «Erkenntnis» beschreibt ein echtes und angemessenes Verstehen einer Sache. Es ist eine intensive Form des Wissens und Kennens, ein fortgeschrittenes und gründliches Erfassen.

Wir können hier zwei Fragen stellen, nämlich erstens was der Gläubige erkannt hat und zweitens wie er es erkannt hat. Die Antwort auf die erste Frage lautet, dass wir die Gnade Gottes erkannt haben. Die Antwort auf die zweite Frage lautet, dass wir die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt haben.

  1. Was wir erkannt haben: Die Erinnerung an die Gnade soll unsere Herzen berühren. Gnade ist – im weitesten Sinn verstanden – die unverdiente Zuwendung Gottes. Sie hat ihren Ursprung in Gott. Obwohl schon im Alten Testament bekannt war, dass Gott «gnädig und barmherzig ist», ist die Gnade in ihrer Fülle erst in der Person des Herrn Jesus sichtbar geworden (Tit 2,11). Und nicht nur das. Die Gnade Gottes unterweist jetzt den Menschen Gottes (Tit 2,12-14). Das gab es weder im Gesetz und schon gar nicht in den Philosophien und Überlieferungen der Menschen. Das Gesetz vom Sinai erwies sich sogar zum Tod (Röm 7,10). Wegen der Sünde, die im Menschen wohnt, kann es niemand halten. Die Gnade hingegen bewirkt Leben. Das Gesetz fordert. Die Gnade gibt. So kommt Frucht für Gott hervor. Diese Gnade kann nur ein Glaubender erkennen und erfassen. Das Evangelium spricht also von der Gnade Gottes und nicht von gesetzlicher Pflichterfüllung.
  2. Wie wir es erkannt haben: Gnade und Wahrheit bilden eine untrennbare Einheit. Johannes sagt: «Das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden» (Joh 1,17). Dennoch müssen wir bedenken, dass Paulus hier nicht von Gnade und Wahrheit spricht, sondern davon, dass die Gnade in Wahrheit erkannt wird. Es geht um die Art und Weise des Erkennens. «In Wahrheit» bedeutet, dass man etwas auf eine wahre Weise erkennt. Der Gläubige erkennt die Gnade so, wie sie real und echt ist. Wir werden nicht nur oberflächlich in unseren Gefühlen von der Gnade beeindruckt, sondern wir erfahren im Herzen, was diese Gnade wirklich ist. Die falschen Lehrer stellten den Kolossern nicht die Gnade «in Wahrheit» vor, sondern etwas Verfälschtes. Man kann die Gnade Gottes tatsächlich missbrauchen und sie sogar in Ausschweifung verkehren (Jud 4).

Was die falschen Lehrer damals in Kolossä taten, geschieht bis heute, wenngleich vielleicht unter anderen Vorzeichen. Menschen reden von der Gnade und davon, dass wir nicht unter Gesetz sind, und folgern dann daraus, dass man so leben kann, wie man selbst will. Das ist nichts anderes als ein Missbrauch der Gnade. Wer die Gnade in Wahrheit erfasst, verhält sich anders. «Das Bewusstsein der erfahrenen Gnade bewirkt in uns den Wunsch, für unser praktisches Leben den Willen des Herrn zu erkennen und zu tun. Dann haben wir die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt und richtig verwaltet. So in der Gnade Gottes zu leben, macht wirklich glücklich.»1