Einleitung
Am Ende seines Evangeliums berichtet uns Markus, wie der Herr seinen Jüngern den Auftrag gab, das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden. Ausserdem gab Er ihnen die Verheissung, dass bestimmte Zeichen diese Verkündigung begleiten würden.
Dann wurde der Herr in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Die Jünger gingen hin, um von der grossartigen Botschaft des Erlösers zu zeugen. Der Herr wirkte von seinem Platz der Verherrlichung mit und bestätigte die Verkündigung durch die angekündigten Zeichen (Mk 16,15-20; Apg 2,43; 4,29.30; 14,3).
Wir sind überzeugt, dass der Auftrag zur Verbreitung und Verkündigung des Evangeliums heute noch seine Gültigkeit für uns hat. Doch es stellt sich die Frage: Was ist mit den Zeichen, die damals das verkündete Wort bestätigten? Sollten sie heute auch noch ausgeübt werden? Oder waren sie nur für den Anfang gegeben?
Wir wollen uns im Folgenden mit dem speziellen Charakter dieser «Zeichengaben» beschäftigen und dann versuchen die Unterschiede zu den «geistlichen Gaben» aufzuzeigen.
1) Der Zweck der angekündigten Zeichen
Die Zeichen, die der Herr in Markus 16,17.18 ankündigt, waren ein deutliches Zeugnis Gottes, um sein Wirken in Gnade zu bestätigen. Wir können drei Hauptstossrichtungen unterscheiden:
a) Die Macht des Teufels ist gebrochen
Durch das Austreiben von Dämonen wird deutlich, dass die Macht Satans über die Menschen gebrochen ist und sie seinem Machtbereich entrissen werden können.
Der Herr Jesus selbst hatte viele Menschen von Dämonen befreit. Anhand einer kleinen Illustration erklärte Er, was vorging: «Niemand aber kann in das Haus des Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken bindet, und dann wird er sein Haus berauben» (Mk 3,27). Jesus Christus ist dieser Stärkere, der in den Machtbereich des Teufels eindrang und den Starken band. Das geschah in der Wüste, als Er vom Teufel versucht wurde und sich als der Stärkere erwies. Danach begann Er in seinem Dienst, sündenversklavte Menschen aus der Macht Satans zu befreien. Einerseits trieb Er Dämonen aus und heilte alle, die zu Ihm kamen. Anderseits verkündete Er das Evangelium des Reichs und erlöste alle, die an Ihn glaubten.
Schliesslich machte der Herr Jesus am Kreuz den Teufel zunichte (Heb 2,14). Seither ist er ein besiegter Feind. Trotzdem kann er in der jetzigen Zeit noch wirken, weil das endgültige Gericht an ihm noch nicht vollzogen ist (Off 20,10).
Schon bevor der Herr am Kreuz das Erlösungswerk vollbrachte, verband Er seine Jünger in dieser Aufgabe mit sich. Er sandte sie aus, um das Evangelium des Reichs zu verkünden, Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen (Mk 3,13-15; 6,7-13).
Wenn Er nach seiner Auferstehung den Jüngern einen ähnlichen Auftrag gab, wollen wir folgende Punkte festhalten:
- Das Werk der Erlösung ist vollbracht. Unser Heiland ist stellvertretend für die Sünden der Glaubenden gestorben. Er hat Gott in Bezug auf die Sünde zufriedengestellt und unendlich verherrlicht. Er hat die Macht des Teufels besiegt. Die Grundlage zur Rettung verlorener Menschen und zur Befreiung der Schöpfung ist gelegt.
- Während sich das Wirken des Herrn vor dem Kreuz hauptsächlich auf die Juden beschränkte, wendet sich die Botschaft der Gnade Gottes jetzt an alle Menschen.
- Der Herr ist siegreich auferstanden und hat sich im Himmel zur Rechten Gottes gesetzt. Von diesem Platz der Ehre und der Macht aus wirkt Er jetzt weiter durch seine Jünger.
b) Die Gnade ist für alle Menschen
Die Juden beanspruchten jedes Handeln Gottes nur für sich, obwohl Gott schon in Jesaja 49,6 und an anderen Stellen klar gemacht hatte, dass Er sich auch den Nationen zuwenden werde. Gerade durch das Reden in Fremdsprachen, die man nie gelernt hat, machte Gott damals klar, dass das Evangelium der Gnade über die Grenzen Israels hinausging. Es richtet sich ohne Unterschied an alle Menschen aus allen Nationen. Der Zeugnischarakter dieses Sprachen-Redens wurde schon in Jesaja 28,11 angekündigt: Gott würde zu seinem ungehorsamen Volk in fremden Sprachen reden.
Eindrücklich und beispielhaft sehen wir das in Apostelgeschichte 2. Am Pfingsttag verkündeten die Jünger die grossen Taten Gottes in verschiedenen Sprachen. Somit konnten viele Juden, die in anderen Ländern wohnten und für das Pfingstfest nach Jerusalem gereist waren, diese Verkündigung in ihrer jeweiligen Landessprache hören. Die Juden aus Judäa und Jerusalem hingegen verstanden diese Fremdsprachen nicht und dachten darum, die Apostel würden unverständlich reden, weil sie betrunken seien. Da erklärte Petrus den Juden aus Jerusalem in ihrer eigenen Sprache dieses Zeichen und verkündete anschliessend das Evangelium.
In Apostelgeschichte 10,44-46 redeten die Gläubigen aus den Nationen, die eben mit dem Geist versiegelt worden waren, ebenfalls in fremden Sprachen. Das war ein Zeichen an die gläubigen Juden, die mit Petrus zu Kornelius gekommen waren. Sie, die grosse Mühe hatten, die Gnade Gottes für alle Menschen anzuerkennen, merkten nun, dass der Geist Gottes auch in den Erlösten aus den Nationen wirkte.
In 1. Korinther 14 belehrt Paulus die Korinther über die Bedeutung des Redens in fremden, d.h. in nicht gelernten Sprachen. Diese Gabe war nicht ein Zeichen für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen – vor allem für die ungläubigen Juden (V. 21.22). Der Apostel macht auch klar, dass das Reden in Sprachen nur einen Sinn hatte, wenn die Zuhörer das Gesagte verstehen konnten (V. 23.28).
Wir halten folgende zwei Tatsachen fest:
- Die Fähigkeit zum Reden in einer Fremdsprache, die man nie gelernt hat, gab Gott vor allem, um den ungläubigen Juden zu zeigen, dass Er eine Botschaft der Gnade an alle Menschen verkündigen liess.
- Das Reden in Sprachen erfüllte nur dann den Gott gemässen Zweck eines Zeichens und Zeugnisses, wenn jemand da war, der verstehen konnte, was gesagt wurde.
Diese beiden Punkte helfen uns in der Beurteilung dessen, was heute unter dem Begriff «in Sprachen (oder Zungen) reden» getan wird. Wie kann es von Gott sein, wenn es nicht mit dem göttlichen Zweck übereinstimmt?
c) Die Macht des Todes und der Sünde ist gebrochen
In Markus 16,18 heisst es weiter: Sie «werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden». Diese Zeichen zeigen, dass der Herr den Tod und die Sünde mit ihren Folgen überwunden hat. Die volle Erfüllung davon ergibt sich für uns im Himmel und in Bezug auf die Erde im zukünftigen Reich unseres Herrn über die ganze Schöpfung.
Zusammenfassung
Vor der Rückkehr des Herrn in den Himmel bekamen die Jünger den Auftrag, allen Menschen die befreiende Botschaft der Errettung zu verkünden. Die Menschen, die sie annahmen, wurden aus dem Bereich Satans, des Todes und der Sünde in den Segensbereich Gottes gebracht. Das bezeugten die Zeichen, die auf die Verkündigung folgten.
Ausserdem wurden die Boten durch die Zeichen göttlich legitimiert. Eindrücklich bestätigte der Herr durch die Wunderwerke, dass die Apostel von Ihm gesandt waren und seine Botschaft verkündeten.
2) Die Zeit der Ausübung dieser Zeichengaben
In Hebräer 2,4 lesen wir, dass «Gott ausserdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen». Dieser Vers macht deutlich, dass die Zeichen und Wunder immer die verkündete Botschaft und die Verkündiger als Gottes Zeugen bestätigten. Nie geschahen sie unabhängig davon – auch wenn sie nicht immer zeitgleich mit der Verkündigung erfolgten (z.B. Apg 3). Diese Bestätigung durch Zeichen finden wir viele Male am Anfang des christlichen Zeugnisses (Apg 2,43; 4,29.30; 8,6; 14,3).
Zudem gibt Hebräer 2,4 einen wichtigen Hinweis auf die Zeit der Ausübung von Zeichen und Wundern. Der inspirierte Schreiber des Hebräer-Briefs verwendet nämlich die Vergangenheitsform: «mitzeugte». Offensichtlich gehörte dieses «Mitzeugen» zur Zeit der Abfassung des Hebräer-Briefs (der vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben wurde) schon der Vergangenheit an.
In 1. Korinther 13 bestätigt Paulus diese Tatsache im Blick auf das Reden in Sprachen. Er vergleicht die Beständigkeit der Liebe mit der Dauer des Sprachenredens, der Weissagung und der Erkenntnis. Dabei hält er fest, dass die Liebe niemals vergeht. In Bezug auf die Weissagung und die Erkenntnis sagt er: Sie werden «weggetan» werden. Das bedeutet: Sie werden von einem Augenblick zum anderen nicht mehr da sein. Das wird bei der Entrückung geschehen. Dann brauchen wir die Weissagung nicht mehr, und unser stückweises Erfassen der biblischen Wahrheiten wird einem vollkommenen Erkennen Platz machen. Wenn es aber um das Ende des Sprachen-Redens geht, braucht Paulus ein anderes Wort: Sie werden «aufhören» bzw. abklingen. Das Reden in fremden, ungelernten Sprachen ist also schon am Anfang der christlichen Zeit langsam abgeklungen, indem die Träger dieser Gabe zum Herrn heimgegangen sind.
Warum hat das Sprachenreden aufgehört? Weil es seinen Zweck der Bestätigung der neuen Botschaft erfüllt hat und nicht mehr gebraucht wird. Die Botschaft ist nun schriftlich vorhanden. Das Wort Gottes ist vollendet und unterliegt keiner Änderung. Darum muss es nicht mehr bestätigt werden.
Auch die übrigen Wunderwerke haben aus dem gleichen Grund in der Zeit der Apostel aufgehört. Das letzte Mal wird das Reden in Sprachen in Apostelgeschichte 19,6 erwähnt. Nach Apostelgesichte 28,5-10 finden wir in der Bibel geschichtlich keine Hinweise mehr auf das Wirken von Wundern.
Diese Zeichen und Wunder waren für eine bestimmte Zeit gegeben, um die neue Botschaft der Gnade, die sich unterschiedslos an alle Menschen richtet, als von Gott kommend zu bestätigen.
3) Der Unterschied zu den Gaben der Erbauung
Die Gaben der Heilungen und des Sprachenredens sind gegeben, um Gottes Macht öffentlich sichtbar zu machen. Sie dienen nicht zur geistlichen Erbauung der einzelnen Gläubigen und der Versammlung. Das ist der grosse Unterschied zu den geistlichen Gaben, die mit göttlicher Kraft in den Herzen und Gewissen der Menschen wirken. Wenn wir diesen Punkt verstehen, erkennen wir, dass wir als Gläubige heute keinen Mangel haben, auch wenn Gott Zeichen und Wunder «nur» für den Anfang der christlichen Zeit gegeben hat.
Es ist offensichtlich, dass das Wirken von Zeichen und Wundern Gottes Macht demonstrierte. Aber nicht nur diese Zeichengaben werden in göttlicher Kraft ausgeübt, sondern auch jede Gnadengabe, die der verherrlichte Herr der Versammlung gegeben hat.
Das wird aus Epheser 4,7-16 klar. Zuerst erklärt Paulus, dass jeder gläubige Christ eine Gabe und damit eine Aufgabe zur Auferbauung des Leibes hat (V. 7). Bevor er ab Vers 11 auf Einzelheiten eingeht, zeigt er, auf welcher Grundlage und auf welchem Weg Christus den Menschen Gaben gibt.
Am Kreuz von Golgatha hat der Herr das Gericht Gottes über die Sünde getragen und den Tod als Lohn der Sünde erduldet. Gleichzeitig hat Er durch seinen Kreuzestod den zunichtegemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel. Durch sein Herabsteigen in Tod und Grab sowie durch sein siegreiches Auferstehen und Hinaufsteigen in den Himmel hat Er das, was die Menschen gefangen hält, grundsätzlich gefangen weggeführt. Dadurch hat Er die Grundlage gelegt, um jetzt Menschen zu erlösen.
Am Platz seiner Erhöhung hat Er als verherrlichter Mensch und Haupt über alles Gaben empfangen. Jetzt gibt Er den Glaubenden diese Gnadengaben, damit Menschen durch den Dienst der Apostel, Propheten Evangelisten, Hirten und Lehrer praktisch aus der Gefangenschaft herausgeführt und in den Bereich des göttlichen Segens gebracht werden. Das Evangelium wird verkündet, Menschen werden gerettet und der Versammlung hinzugefügt. Als Erlöste erfahren sie geistliche Erbauung, damit sie im Glauben wachsen.
Obwohl der Teufel ein besiegter Feind ist, kann er noch wirken. Durch die Ausübung der Gaben werden jedoch Menschen der Macht Satans entrissen und im Segensbereich Gottes geistlich erbaut.
Dies alles geschieht in göttlicher Kraft. Somit sind die geistlichen Gaben da, um kraftvoll an den Menschen zu wirken. Aber es ist im Gegensatz zu den Zeichen und Wundern ein inneres Werk, das der Heilige Geist in Herz und Gewissen durchführt.
Wir fassen zusammen:
- Das Ziel der Zeichengaben ist nicht eine geistliche Wirkung an den Menschen. Keiner kommt aufgrund von Wundern zum Glauben, sondern nur durch das Wort Gottes. Die Zeichen und Wunder waren damals zur Bestätigung der Zeugen des Herrn und der Botschaft Gottes gegeben.
- Das Ziel der «geistlichen Gaben» hingegen ist die Errettung von Menschen und die Erbauung der Gläubigen. Sie sind bis heute zur Auferbauung des Leibes Christi durch eine geistliche Wirkung an Herz und Gewissen gegeben.
4) Wirkt Gott heute noch Zeichen und Wunder?
Wirkt Gott nun nie mehr durch Wunder? Berichte aus dem Werk des Herrn, die durchaus glaubwürdig sind, zeigen, dass Gott in speziellen Umständen durchaus Wunder wirkt, um seine Zeugen und seine Botschaft zu bestätigen. Doch dies geschieht nicht, weil Christen z.B. die Gabe der Krankenheilung hätten, sondern weil Gott souverän handelt. Dadurch kann Er heute noch die Arbeit eines Missionars bestätigen oder eine zuvor verschlossene Tür öffnen. Ein solch ausserordentliches Eingreifen Gottes geht immer mit grossen Übungen und viel Gebet vonseiten der Diener des Herrn einher.
Wir müssen beachten, dass dieses göttliche Eingreifen nicht dasselbe ist, wie sein Wirken durch Wundergaben in der Anfangszeit. Heute mag Gott in einem Einzelfall als Antwort auf Gebete oder in konkreten Notlagen ein Wunder wirken. Aber zu Beginn der christlichen Zeit gab Gott Gaben zur Ausübung von Zeichen und Wundern.
Es ist wichtig, dass wir diesen Unterschied zwischen einer Gnadengabe, die man unter Verantwortung vor dem Herrn ausübt, und dem freien souveränen Wirken Gottes verstehen. Dann haben wir keine Schwierigkeiten anzuerkennen, dass Er in Ausnahmefällen Wunder wirkt. Aber wir können dann auch ohne Probleme erkennen, dass sogenannte Heilungsveranstaltungen, wo Menschen scheinbar oder auch wirklich von Krankheiten geheilt werden, nicht von Gott sind.
Gott begegnet den Menschen in den christlichen Ländern, denen jahrhundertelang das Wort Gottes verkündet wurde, nicht nochmals durch Wunderwerke, sondern erwartet schlichten Glauben an die Botschaft des Evangeliums.
Schluss
Wir wollen nicht Zeichen und Wunder suchen, wie die Juden es taten (Joh 4,48; 6,30). Wir wollen nicht denken, dass spektakuläre Machterweisungen grösser seien als geistliche Wirkungen durch die Ausübung der Gnadengaben zur Erbauung. Wo immer das Evangelium verkündigt wird, das Wort zur Belehrung gepredigt wird oder Hirtendienste öffentlich oder im privaten Bereich getan werden, kann der Heilige Geist mächtig zur Rettung oder Auferbauung wirken.
Lasst uns den Herrn für das loben, was Er heute in Gnade und Kraft zur Rettung Verlorener und zur Erbauung der Erlösten tut!