Ein Kind Gottes hat alle Ursache, auch im Alter glücklich zu sein, denn es setzt sein Vertrauen ja in den, der gesagt hat: «Bis in euer Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu eurem grauen Haar werde ich euch tragen; ich habe es getan, und ich werde heben, und ich werde tragen und erretten» (Jes 46,4).
«Wir verwelkten allesamt wie ein Blatt» (Jes 64,5); aber die Blätter sind nie so schön, als wenn sie fallen. Kein Künstler hat je ein Bild gemalt, das so schön wäre, wie der Anblick eines Laubwaldes, der durch eine unbeschreibliche Mischung von gold, karmesinrot und safran ein Aussehen bekommen hat, als ob ihn eine Flut göttlicher Herrlichkeit überspült hätte.
Was könnte schöner sein als der Lebensabend eines Gläubigen? Das äussere Licht mag abnehmen und die Schatten mögen sich vertiefen, aber er bringt eine zunehmende Reife, Milde und Zufriedenheit des Geistes mit sich.
Im fallenden Blatt haben wir das Unterpfand und die Verheissung des kommenden Frühlings; und in der Herbstzeit und dem Abbauprozess des menschlichen Lebens liegt die Verheissung einer Unsterblichkeit jenseits des Todes, wo man weder Schmerz noch Verfall kennt. Die kommende Herrlichkeit liegt über allem. Ihr Licht und ihr Friede erfüllen jetzt schon den ruhelosen Geist als Vorspiel und Vorgeschmack des strahlenden Tages, an dem die Sonne nicht untergehen wird.
Aber das unvermeidliche Alter ist nicht nur schön, es ist auch ein Segen. Besser als alles, was ich darüber zu sagen vermöchte, ist das Zeugnis eines Betagten, der diesen Segen selbst erfahren hat. Höre auf seine Worte:
«Mein Mund ist voll Lachen und mein Herz voller Freude. Ich habe oft mit Menschen zu tun, denen vor dem Altwerden bangt und die dauernd versuchen, die Tatsache ihres Alterns zu verbergen. Wenn Gott zu nur sagen würde: ‹Ich will dich noch einmal einen Anfang machen lassen und dir die Jugend zurückgeben›, müsste ich sagen: «O Herr, wenn ich dich bitten darf, so lass mich lieber alt werden.»
Ich möchte weder den stillen Geist, die stetige Ruhe der Seele, das Mass an Weisheit, die ich durch die angenehmen und die schwierigen Lebenserfahrungen erwerben durfte, noch auch das befestigte Vertrauen in die nie versagende Barmherzigkeit und Liebe Gottes, für all die strahlenden, aber unsicheren Erwartungen und die ungestüme Freude der Jugend fahren lassen. Ich möchte es wirklich nicht!
Das sind nun die besten und die schönsten Jahre meines Lebens, in denen ich viel freier bin von Angst und Sorge. Der Weg wird lichter, die Vögel singen schöner, der Wind weht sanfter und die Sonne scheint strahlender denn je zuvor. Gewiss, mein «äusserer Mensch» verfällt, aber mein «innerer Mensch» wird in seiner Freude von Tag zu Tag erneuert.
Einige Lektionen, die ich gelernt oder teilweise gelernt habe, will ich hier weitergeben: Habe Glauben an Gott, an seine Vorsehung, an seine Fürsorge, die alles wahrnimmt, an seine Liebe, die nie versagt. Begegne dem Bitteren mit dem Süssen und freue dich in beidem. Oft ist das Bittere besser für uns als das Süsse. Werde nicht nervös oder ungeduldig. Achte es für lauter Freude, wenn du in mancherlei Prüfungen fällst, da du weisst, dass die Bewährung deines Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit du vollkommen und vollendet seiest und in nichts Mangel habest (Jak 1,3.4).
Die Überwindung kommt dadurch zustande, dass man den hinderlichen Prüfungen und kleinen Quälereien mit Freude begegnet, als einem Mittel der Zucht Gottes (Jak 1,2-7). Halte für jeden Menschen ein Herz voll Liebe bereit. Lerne Geduld zu haben mit denen, die deine Geduld auf die Probe stellen. Wenn du sie nicht mit Wohlgefallen lieben kannst, so liebe sie wenigstens aus Erbarmen und Mitleid; aber habe sie lieb, bitte für sie und nähre im Blick auf sie keine bitteren Gedanken und Gefühle in deinem Herzen!
Vergeude deine Zeit und dämpfe deinen Glauben nicht dadurch, dass du im vergangenen Unrecht lebst, das man dir angetan hat, oder dass du über gestrige Enttäuschungen klagst. Übergib das alles Gott und blicke aufwärts und vorwärts.
«Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus» (Phil 3,13.14).