Jeden Morgen

Jesaja 50,4

Betrachte den einsamen Mann, der sich frühmorgens, «als es noch sehr dunkel war», an einen öden Ort begab, um zu beten. Es ist unser Herr und Heiland. Schon durch den Propheten Jesaja sagte Er von seinem Gott: «Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre.» Wie wahr wurde das in seinem Leben als Mensch auf dieser Erde!

Aber wer ist diese Person, die sich jeden Morgen vor seinem Gott und Vater im Gebet beugte? Dieser Mensch ist gleichzeitig der Schöpfer der Enden der Erde, dem alles gehört. Und nun fragen wir: Hat der Allwissende nötig, sich jeden Morgen das Ohr öffnen zu lassen, um zu hören, «gleich solchen, die belehrt werden»? – Oh, Er lebte hier als abhängiger Mensch, der Gott in allem gehorchte und den Platz der Niedrigkeit einnahm. Darin hat Er uns ein Beispiel hinterlassen, damit wir seinen Fussstapfen nachfolgen.

Der Herr Jesus empfand «in den Tagen seines Fleisches» die Notwendigkeit dieser morgendlichen Stunde der Gemeinschaft mit Gott, die nicht von aussen gestört wurde. Wie sehr sollten wir, die so schwach und unwissend sind, die Notwendigkeit und den Wert einer solchen Morgenstunde erkennen. Seine Tage waren derart ausgefüllt, dass wir von Ihm und seinen Jüngern lesen: «Sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen.» Trotz allem weihte Er die ersten Stunden des Tages dem Gebet und der Stille mit seinem Gott. Das war die Grundlage dafür, dass alles, was Er dann tat, zum Wohlgeruch für Gott war. Er konnte von seinem Vater sagen: «Er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue.»

Kennen wir etwas von der Kostbarkeit solcher Augenblicke zu Beginn des Tages, in der Einsamkeit zu den Füssen unseres Herrn? Wenn alles um uns her noch still ist, dann sollten wir die Gewohnheit haben, am «Brunnen des Lebendigen, der sich schauen lässt», Lebenswasser zu schöpfen. Wenn wir so zu Ihm kommen, werden wir auch erfahren, dass seine Erbarmungen «alle Morgen neu sind». Dort mit Ihm allein werden wir beim Lesen der Heiligen Schrift auch seine Stimme aus dem Buch Gottes hören. So lernen wir Ihn kennen und schätzen. Dabei lernen wir von Ihm, um dann in den kommenden Stunden des Tages etwas von den Vollkommenheiten, die der Heilige Geist uns an dieser wunderbaren Person entdecken liess, zu widerspiegeln. – Nachdem wir Ihn zu uns reden liessen, dürfen wir zu Ihm beten und Ihm alles sagen, was uns auf dem Herzen liegt: «Früh wirst du, HERR, meine Stimme hören, früh werde ich dir mein Anliegen vorstellen und harren» (Ps 5,4).

Der Feind ist sehr geschickt, um uns diese Augenblicke zu rauben, oder sie wenigstens derart zu verkürzen, dass sie nicht mehr das sind, was sie sein sollten. Die viele Arbeit oder die Müdigkeit vom Vorabend her und manches andere dient oft als Vorwand, um diese stille Zeit am Morgen abzukürzen.

Während ihrer Wüstenreise mussten die Israeliten jeden Morgen hinausgehen, um ihren täglichen Bedarf an Manna einzusammeln. Sie sollten keine Vorräte anlegen. Das Brot vom Himmel stand ihnen täglich zur Verfügung, aber nur in der Zeit, bevor die Sonne heiss wurde (2. Mo 16,21). Jeder musste es an jedem Tag für sich einsammeln.

Wenn der Herr nun so zu uns spricht, während wir in der Stille allein mit Ihm sind, dann lasst uns das besondere Wort, das Er uns jeweils gibt, im Herzen bewahren. Merken wir es uns, wiederholen wir es für uns während des Tages und leben wir es in der Praxis aus! Wenn es so ausgelebt wird, wird es zu unserem persönlichen Besitz, ein Schatz, der nach und nach unser inneres Wesen formt.

Und wenn Gott in unserem Leben einmal eine dunkle Zeit zulässt, wenn eine Prüfung jeden Morgen aufs Neue da ist, dann lasst uns nicht vergessen, dass sein Herz sich mit uns beschäftigt. «Was ist der Mensch, dass du ihn hochhältst, und dass du dein Herz auf ihn richtest, und alle Morgen ihn heimsuchst (oder wie auch übersetzt werden kann: alle Morgen dich um ihn kümmerst), alle Augenblicke ihn prüfst?» (Hiob 7,17.18). Er, der selbst in allem versucht worden ist, ausgenommen die Sünde, und in seinem Leben so viel gelitten hat, vermag mit unseren Schwachheiten Mitleid zu haben. Deshalb lasst uns zu Beginn des Tages den Platz zu seinen Füssen aufsuchen und auf seine Stimme hören. Er weiss den Müden durch ein Wort aufzurichten und vermag den zu stärken, der sich kraftlos fühlt.

So haben wir nötig, «auf dem Weg aus dem Bach zu trinken» und uns in seinen Schatten zu setzen und seine Frucht zu geniessen. Lasst uns das Gebet von Mose, dem Mann Gottes, das er in Psalm 90,14 geäussert hat, wiederholen: «Sättige uns früh (oder am Morgen) mit deiner Güte, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen.» – Indem wir jeden Tag mit dem Herrn beginnen, warten wir auf den Morgen ohne Wolken, an dem unsere Freude völlig und ewig sein wird, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.