Der Herr Jesus und die Kinder

Matthäus 21,15-16; Markus 10,13-16

Die Jünger hatten soeben einem interessanten Gespräch zugehört. Die Pharisäer waren zu ihrem Meister gekommen, um Ihn mit spitzfindigen Fragen über Ehescheidung zu versuchen. Aber der Herr hatte - wie Er das immer tat - in souveräner Weisheit geantwortet und die eingebildeten Pharisäer zum Schweigen gebracht. Zu Hause setzten die Jünger die Unterredung über diesen Punkt mit ihrem Herrn fort. Er liess sich in Gnade zu ihnen herab und war bereit, auch ihre Fragen zu beantworten.

Mitten in diesem Gespräch wurden Kinder zum Herrn Jesus gebracht, damit Er sie anrühre. Die Jünger empfanden diese Unterbrechung offenbar als eine lästige Störung und waren im Begriff, sie fortzuschicken. Sie wünschten, mit ihrem Meister allein zu sein, und Ihn allein für sich zu geniessen.

«Als aber Jesus es sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen, wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes» (Mk 10,13-16).

Nirgendwo sonst lesen wir, dass der Herr über seine Jünger unwillig gewesen wäre. Wohl schalt Er einmal ihren Unglauben, ein anderes Mal ihre Herzenshärte. Wohl nahm Er sie da und dort auf die Seite, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Aber nie sonst hören wir, dass die Jünger seinen Unwillen hervorriefen.

In ihrer Gesinnung den Kindern gegenüber standen sie im scharfen Gegensatz zum Herrn Jesus. Sie hatten seine Empfindungen verletzt, indem sie die Kinder herzlos fortschicken wollten.

Er war doch der Freund der Kinder! Er liebte sie. Er war für sie gekommen, um sie zu erretten (Mt 18,10-14). Auch die Kinder haben innere Bedürfnisse, denen Er heute noch begegnen möchte.

Jesus nimmt die Kinder auf die Arme

Jesus verlangte danach, die Kinder, die zu Ihm gebracht wurden, in seiner Nähe zu haben. Nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinder sollten seine gesegnete Gegenwart erfahren. Er wollte auch ihnen sein Herz der Liebe offenbaren.

«Denn solcher ist das Reich Gottes» war sein fester Grundsatz. Auch die Kinder sollen in das Reich Gottes eingehen. Auch sie sind im Segensbereich eingeschlossen. Sie haben sogar den Erwachsenen etwas voraus und stehen dem Reich Gottes näher als sie. Darum sagt der Herr zu den Jüngern: «Wer irgend das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, wird nicht dort hineinkommen.» Solange der Mensch noch auf seine eigene Weisheit und auf sein eigenes Können pocht, ist er nicht fähig, in das Reich Gottes einzugehen. Er muss so einfältig und abhängigkeitsbewusst werden wie ein Kind.

«Er nahm sie in die Arme, legte die Hände auf sie und segnete sie». Anbetungswürdiger Herr! Er, der Himmel und Erde geschaffen hat und über Legionen von Engeln gebieten kann, kümmert sich auch um die geringen Kinder und nimmt sie in seine Arme. Es ist so, wie ein Bruder gesagt hat: «Ich könnte mir nicht vorstellen, dass der grosse Philosoph Sokrates Kinder in die Arme genommen hätte, aber der Herr Jesus, dessen Name über allen Namen ist, hat sie an sein Herz gedrückt».

Bleibe einen Augenblick vor diesem erhabenen Bild stehen: Jesus nimmt die Kinder in seine Arme und segnet sie!

Welch eine Lektion für die Jünger und welch eine Lektion für uns! Wir freuen uns - wie einst die Jünger - über den Segen, den wir persönlich durch den Umgang mit dem Herrn bekommen. Doch es stellt sich die Frage: Denken wir auch an die inneren Bedürfnisse unserer Kinder? Nur der Herr Jesus kann sie stillen.

Die Kinder loben den Herrn

Am Ende seines Lebens auf der Erde nimmt der Herr Jesus die Kinder nochmals in Schutz - diesmal gegen die Pharisäer. Kurz zuvor war Er auf einer Eselin reitend durch die Tore Jerusalems in die Stadt einzogen und die Volksmenge hatte Ihm zugerufen: «Hosanna dem Sohn Davids». Danach trat Er in den Tempel. Der Zuruf der Volksmenge war verstummt, aber Kinder waren Jesus nachgefolgt. Was sie von den Erwachsenen gehört hatten, setzten sie mit kindlicher Begeisterung im Tempel fort und riefen: «Hosanna dem Sohn Davids!» (Mt 21,15).

Die Pharisäer, die das laute Treiben der Wechsler und der Taubenverkäufer ohne Weiteres duldeten, ärgerten sich über die Zurufe der Kinder. Sie erwarteten, dass der Herr Jesus sie zum Schweigen bringe. Er aber sprach zu ihnen: «Ja, habt ihr nie gelesen: ‹Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet›?» (Mt 21,16).

Mitten in einer feindseligen Atmosphäre war dieses Lob vonseiten der Kinder liebliche Musik für seine Ohren und Balsam für sein Herz. Die Kinder werden den Sinn der Worte, die sie da aussprachen, kaum in vollem Umfang verstanden haben. Die Pharisäer mögen diese Zurufe als blosse Nachahmung bewertet haben. Aber der Herr nahm diesen Lobpreis der Kinder als vollwertig an. Wie sehr hatten sie kurz vor seinem Tod sein Herz erquickt!

Wenn die Kinder auch nicht alles verstanden, so wussten sie doch, dass der Herr Jesus ein Freund der Kinder war, der sie liebte. Darum fühlten sie sich zu Ihm hingezogen. Welch ein Gegensatz zu den religiösen Führern, die Ihn ablehnten!

Gott sorgte dafür, dass seinem Sohn diese letzte Ehrung vor dem Kreuz aus dem Mund der Kinder zuteilwurde, als Zeugnis gegen die Pharisäer. Zugleich war es eine persönliche Ermunterung für seinen Sohn vor den schweren Stunden, die auf Ihn zukamen.

Ja, «aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet» (Mt 21,16). Mit diesen Worten verliess der einsame Fremde den Tempel und ging hinaus nach Bethanien, um dort zu übernachten.