Das Buch Daniel enthält göttliche Mitteilungen, die weit über das hinausgehen, was die anderen Propheten des Alten Testaments geschrieben haben. Es behandelt nicht nur die Zukunft Israels, sondern auch die der Nationen, besonders die vier aufeinanderfolgenden Weltreiche bis zur Erscheinung von Christus. Das zweite Kapitel beleuchtet die historische Seite dieser Reiche, während die vier nächsten Kapitel ihren moralischen Charakter aufzeigen: In Gottes Augen werden diese Königreiche gekennzeichnet durch
- Götzendienst (Kap. 3)
- Hochmut (Kap. 4)
- Gotteslästerung (Kap. 5)
- Menschenvergötterung (Kap. 6)
Der Prophet Daniel ist einer der wenigen Männer Gottes, von denen die Bibel weder Schwachheiten noch Verfehlungen berichtet. Im Gegenteil, seine Treue zeigt sich in jedem Lebensabschnitt, obwohl die Situation und das Umfeld meist extrem schwer waren. Er wird in ein götzendienerisches Land umgesiedelt – alles, was Israel betrifft, scheint verloren – und trotzdem bleibt er treu und vertraut fest auf Gottes Verheissungen. Eine weitere auffallende Eigenschaft Daniels ist, dass sein Benehmen und seine Worte immer den Personen oder Situationen entsprechen, denen er begegnet.
Im fünften Kapitel erreicht die Gottlosigkeit Belsazars ihren Höhepunkt: Es genügt ihm nicht, sich in seinen Begierden und Leidenschaften zu ergehen. Geradezu mutwillig fordert er den Gott Israels heraus und beleidigt Ihn: Der König und seine Gäste trinken aus den heiligen Gefässen, die Nebukadnezar als Kriegsbeute aus dem Tempel von Jerusalem mitgebracht hatte. Durch diese Handlung meint er, die Herrschaft und den Sieg der Götzen über den lebendigen Gott ausrufen zu können. Mit dem Überschreiten dieser Grenze besiegelt er sein eigenes Schicksal. Während er feiert und Gott provoziert, belagern die Streitkräfte von Darius, dem Meder, die Stadt. Ohne dass sie es wissen, stehen sie im Begriff, Gottes gerechtes Gericht über König Belsazar und sein Reich auszuführen. Das Weltreich Babylon muss seinen Platz räumen und ihn den Medern und Persern überlassen.
Wie bei Noah und Lot zieht der übermässige Weinkonsum hier unwiderrufliche Folgen nach sich. Unter dem Einfluss von Alkohol hat Belsazar etwas getan, wozu er in nüchternem Zustand wohl kaum den Mut aufgebracht hätte. Wein nimmt den Verstand weg (Hos 4,11)! Nun sieht der König, wie eine Hand etwas an die Wand schreibt, aber er ist unfähig, die Schrift zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Sünde und Ungerechtigkeit vernebeln das Verständnis für Gottes Wort. Die Hilfe der Weisen dieser Welt führt zu nichts. Den Sinn der Worte Gottes können sie ebenso wenig verstehen wie der König. Hüten wir uns davor, in der Weisheit der Welt Antworten auf unsere Probleme zu suchen! Wie für Daniel damals gilt auch für uns heute: Nur die Gemeinschaft mit Gott und die Nähe zu Ihm geben Kenntnis und Verstand.
Die Königin-Mutter ist dem Fest ferngeblieben. Offenbar kennt sie Daniel und weiss, dass ein aussergewöhnlicher Geist in ihm ist. In letzter Verzweiflung lässt der König Daniel rufen. Dieser zeigt sofort Flagge, indem er die Geschenke des Königs zurückweist (V. 17). Er weiss, wie flüchtig weltliche Ehren sind. Belsazars Angebot verlockt ihn nicht. Wie einst Abraham nichts aus der Hand des Königs von Sodom annehmen wollte, so schlägt Daniel hier den dritthöchsten Platz in der damaligen Weltmacht aus. Warum? Weil er ihren Charakter kennt und um ihr nahes Ende weiss. Jemand sagte einmal: «Wie könnte ich mich heute in einer Welt fest niederlassen und engagieren, die morgen von Gott gerichtet wird?» Die biblische Prophetie gibt uns Einsicht über das bevorstehende Gericht und das Ende dieser Welt. Wie sollte dieses Wissen uns bestärken, konsequent als Fremde in ihr zu leben!
Unerschrocken wirft Daniel Belsazar vor, nichts aus der Geschichte Nebukadnezars gelernt zu haben (Kap. 4). Lasst uns bereit sein, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Erteilt uns das Leben der vorangegangenen Generationen nicht manche wertvolle Lektion? Und wie viel mehr können wir aus den verschiedenen Biografien der Männer und Frauen in der Bibel lernen! Lasst uns die biblischen Berichte zu unserer Unterweisung und Warnung ernst nehmen!
Darauf liest Daniel die Schrift an der Wand vor und erklärt ihre Bedeutung. Die zweimalige Nennung des Wortes «Mene» (gezählt) zeigt an, dass die Sache von Gott fest beschlossen ist. Vielleicht bedeutet die Wiederholung auch, dass Gott zwei Mal prüft, bevor Er richtet. Armer Belsazar! Schrecklich, wenn man – der eigenen Verantwortung überlassen – auf der göttlichen Waage gewogen wird! Dann werden die Bewertungskriterien der Welt bedeutungslos, denn jetzt gilt ausschliesslich Gottes Massstab. Belsazar ist als zu leicht befunden worden. Darum wird sein Reich zerteilt und den Medern und Persern gegeben werden.
Der letzte Befehl des Königs enthält einige typische Merkmale eines Menschen, der ohne Gott lebt (V. 29):
- Er meint, er hätte noch etwas zu geben, obwohl er schon so gut wie alles verloren hat.
- Er bildet sich ein, die wichtigste oder zweitwichtigste Person im Reich zu sein, während der, der ihm die Macht wegnehmen wird, bereits vor der Tür steht.
Das Ende des historischen Babel gleicht sehr dem Untergang des prophetischen Babylon: Es kommt schnell, unerwartet und ist endgültig (Off 18).
Die Welt von heute weist ähnliche Charakterzüge auf wie die Welt zur Zeit Belsazars.
- In unseren westlichen Ländern werden echte Gläubige nicht verfolgt, sondern ignoriert.
- In unserer Gesellschaft spitzen sich Unmoral und Gottlosigkeit zu.
Die Lektion, die wir von Daniel lernen, ist einfach: Um ein Zeuge zu sein, muss der Gläubige sich von der Welt trennen. Dabei gilt es, sich nicht nur äusserlich von ihr abzusondern (Daniel nahm an diesem Fest nicht teil), sondern auch im Herzen (Daniel wollte keine Geschenke vom König annehmen). Weil sich Daniel vor dem Einfluss des Geistes und den Gewohnheiten der Welt sorgfältig hütete, konnte er moralische Kraft und geistliches Verständnis an den Tag legen. In ihm wurden wirklich Erleuchtung, Verstand und aussergewöhnliche Weisheit gefunden (V. 14).