«Wer bist du, der du den Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr vermag ihn aufrecht zu halten» (Röm 14,4).
«Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle» (1. Kor 10,12).
Beim oberflächlichen Lesen scheinen diese beiden Verse einen gewissen Widerspruch zu enthalten. Sobald wir etwas tiefer darüber nachdenken, löst sich das Problem.
Im ersten Fall werde ich davor gewarnt, meinen Bruder, von dem ich denke, dass er schwach sei, zu kritisieren. Nehmen wir an, dass er schwach ist. Bedeutet das nun, dass er fallen wird? Wenn er ein Kind Gottes ist, sorgt Gott in gütigem Mitgefühl für ihn. Gott ist in der Lage, ihn aufrecht zu halten. Tatsächlich versichert Er uns, dass Er ihn aufrecht erhalten wird. Daher sollte ich mich über meine kritische Haltung schämen.
Im zweiten Fall geht es um mich und das Selbstvertrauen in meine eigene Standhaftigkeit. Ich werde vom Herrn gewarnt, weil ich in Gefahr stehe zu fallen. Ja, jene, die das grösste Selbstvertrauen haben, sind am meisten gefährdet zu fallen. Das musste Petrus zu seinem grossen Leidwesen erfahren. Überzeugt hatte er zum Herrn gesagt: «Wenn auch alle Anstoss nehmen werden, ich aber nicht» (Mk 14,29). Innerhalb weniger Stunden tat Petrus einen demütigenden Fall.
Die Antwort ist wirklich einfach. Der schwächste Gläubige wird aufrecht gehalten. Weshalb? Weil er sich auf die Kraft des Herrn stützt, die ihn aufrecht hält. Der stärkste Gläubige kann fallen, einfach weil er sich im Blick auf seine Standhaftigkeit nicht auf den Herrn stützt, sondern sich auf seine eigene Fähigkeit verlässt.
Dies drückt Jesaja in Kapitel 40,29-31 aus: «Er gibt dem Müden Kraft, und dem Unvermögenden reicht er Stärke dar in Fülle. Und Jünglinge ermüden und ermatten, und junge Männer fallen hin; aber die auf den HERRN harren, gewinnen neue Kraft: Sie heben die Schwingen empor wie die Adler; sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht.»