Die Gleichnisse des Herrn (3)

Matthäus 7,13-14; Matthäus 18,1-4; Matthäus 19,16-26; Lukas 18,9-14

a) Gleichnisse für Sünder (Fortsetzung)

Wie können Sünder in das Reich der Himmel eingehen?

In einer Reihe von Gleichnissen macht der Herr deutlich, wie der Sünder das Evangelium des Heils aufnehmen soll und welche Hindernisse dabei überwunden werden müssen.

Der Pharisäer und der Zöllner (Lk 18,9-14)

Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner gab unser Herr Jesus den Menschen unter dem Volk, «die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien, und die Übrigen verachteten», eine deutliche Lehre. Sie glichen diesem hochmütigen, von sich selbst eingenommenen Pharisäer.

Bei den Menschen hatte dieser zwar punkto Frömmigkeit die beste Note. Wie treu war er doch im Besuch des Gottesdienstes im Tempel! Zweimal fastete er in der Woche, was im Gesetz ja nicht einmal gefordert wurde! Auch in Sachen Zehnten nahm er es ganz genau; von seinem ganzen Erwerb brachte er den vollen Teil ins Vorratshaus. Und wie konnte dieser Mann beten! Wenn man ihm so zuhörte, meinte man wirklich, er sei Gott in der Gerechtigkeit ebenbürtig.

Aber was hielt Gott von ihm? Das ist doch die wichtigste Frage.

Nun, da stand es gar nicht zum Besten. Alle diese frommen Werke, mit denen er sich vor den Menschen und vor sich selbst tarnte, vermochten ihn vor Gott nicht zu bekleiden. Vor Ihm stand er in unverhüllter, sündiger Blösse da. Solange der Mensch sich weigert, seine Sündhaftigkeit und Schuld in Aufrichtigkeit vor Gott anzuerkennen, ist all sein religiöses Getue zudem nur widerliche Heuchelei.1

Auch der Zöllner, der gleichzeitig mit dem Pharisäer in den Tempel getreten war, zählte zu den Sündern, ja sogar zu den grössten unter ihnen. Aber er hat es weder vor den Menschen noch vor Gott verheimlicht. Sein Zustand bedrückte ihn und drängte ihn, die Gnade Gottes zu suchen. Sein ganzes Verhalten zeigte, dass er seine Schuld im Licht Gottes erkannt hatte: Er stand von fern und wollte sogar nicht die Augen zum Himmel erheben. Er schlug an seine Brust und betete kurz und echt: «O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!»

Wer sich so vor Gott auf den ihm zustehenden Platz erniedrigt und sich nach seiner Gnade ausstreckt, den kann Er rechtfertigen. Er wird ihn bekleiden mit Kleidern des Heils und ihn mit dem Mantel der Gerechtigkeit umhüllen (Jes 61,10). Christus selbst wird ihm «zur Gerechtigkeit» werden (1. Kor1,30).

So schliesst der Herr dieses Gleichnis mit den Worten: «Dieser (Zöllner) ging gerechtfertigt hinab in sein Haus vor jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden

Umkehren und wie ein Kind werden (Mt 18,1-4)

Einmal traten die Jünger zu Jesu und fragten Ihn: «Wer ist denn der Grösste im Reich der Himmel?»

Der Begriff «Reich» war für sie mit irdischer Grösse und Herrlichkeit verbunden. Aber diesen Charakter wird es erst in der Zukunft haben. Solange der Messias Israels vom Volk verworfen ist, müssen auch seine Jünger die Verwerfung mit Ihm teilen.

Auch waren sie nicht frei vom jüdischen Gedanken, dass es – um diesem Reich anzugehören – genüge, ein Kind Abrahams zu sein, dem die Verheissung gegeben worden war, dass seine Nachkommen das Land besitzen werden.

Dem Herrn Jesus lag es daran, den Jüngern eine deutliche und eindrückliche Antwort zu geben. So rief Er denn ein Kind, das in der Nähe war, herzu, stellte es in ihre Mitte und sagte: «Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen. Darum, wer irgend sich selbst erniedrigen wird wie dieses Kind, der ist der Grösste im Reich der Himmel

Klein, scheu und demütig steht das Kind unter den grossen Männern da. Aber der Grösste unter ihnen nimmt es in seine beiden Arme (Mk 9,36). Ihm kann Er seine ganze Liebe und Gnade geben. Mit solchen kann Er sich einsmachen und ihnen die Hände auflegen, «denn solcher ist das Reich der Himmel» (Mt 19,14).

Das Kind hier weiss: Ich bin klein von Gestalt, diese aber sind gross. Ich bin schwach, diese aber sind stark. Ich weiss wenig, diese aber wissen viel. Was sie ihm sagen, nimmt es ohne Vorbehalt auf.

So wie dieses Kind vor den Männern, soll der Mensch vor Gott stehen und Ihn fürchten. Vor Gottes herrlicher Grösse und unendlicher ewiger Kraft, die Er schon in seiner Schöpfung kundgetan hat, ist der Mensch doch so gering und hilflos! Und was ist alles Menschenwissen und alle Menschenweisheit gegenüber der unbegrenzten und vollkommenen Weisheit Gottes, vor dem nichts verborgen ist!

Doch wie bald verliert der Mensch seine Kindesgesinnung! Mit der Entfaltung seiner Gaben und der Entwicklung seiner Geisteskräfte wächst auch der in seinem sündigen Herzen eingepflanzte Hochmut. Er fängt an, sich zu erheben über die Menschen und sogar – über Gott.

Gott hat sich in Christus offenbart. Durch sein Wort will Er dem Menschen seinen sündhaften Zustand kundtun und ihm zeigen, auf welchem Weg er errettet werden kann. Verharrt er in seinem Hochmut, so ist er rettungslos verloren; er bleibt ein Sohn des Ungehorsams und ein Kind des Zorns. Kehrt er aber um, indem er sich vor Gott beugt und sein Wort wie ein Kind voll Vertrauen annimmt, wird ihm in Christus das Heil Gottes geschenkt, und er darf zu den Glückseligen gehören, die in das Reich der Himmel eingehen.

Die Jünger alle – mit Ausnahme des Judas – waren auf diesem Weg in jenes Reich eingegangen, das sich noch nicht in Herrlichkeit offenbart, solange sein König verworfen ist. Aber ist es nun nicht merkwürdig, dass auch diesen Jüngern und uns Gläubigen allen ein Kind als Beispiel der Gesinnung vor die Augen gestellt werden muss? Ach, das Fleisch in uns bleibt verdorben und beschäftigt sich in einem fort mit der eigenen «Grösse». Wie sollten wir es in steter Wachsamkeit im Tod halten! Im Reich der Welt gilt die menschliche Grösse, im Reich der Himmel aber der Grundsatz: «Wer irgend sich selbst erniedrigen wird wie dieses Kind, der ist der Grösste im Reich der Himmel.»

Die enge Pforte und der schmale Weg (Mt 7,13.14)

In der sogenannten «Bergpredigt» (Matthäus 5 – 7) schildert der Herr die im Reich der Himmel geltenden Grundsätze, wie auch den Charakter und das Teil derer, die zu diesem Reich gehören.

Welches aber ist der Zugang zu diesem Reich? Jesus sagt: «Geht ein durch die enge Pforte; denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die durch sie eingehen. Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden.» Die grosse Masse des Volkes war ohne Buße und Sinnesänderung durch die weite Pforte eingegangen. Sie verwarfen Christus. Sie lebten ihr sündiges Leben weiter, wenn es auch nach aussen mit gewissen Gesetzeswerken übertüncht war, die ihm vor den Menschen einen schönen Schein gaben (Mt 23,27). Dieser breite Weg führte aber nicht ins Reich, sondern ins Verderben.

Daher richtete der verworfene König den dringenden Appell an sie: «Geht ein durch die enge Pforte Er allein ist diese Tür (Joh 10,7-9). Nur wenn jemand durch Ihn eingeht, wird er errettet werden und am Reich teilhaben.

Wer durch diese enge Pforte eingetreten ist, wird nun Ihm nachfolgen. In Ihm ist er erlöst von der Sklaverei des Gesetzes; er wandelt jetzt in der Freiheit und wahrer Glückseligkeit. Aber in anderer Beziehung ist dies ein schmaler Weg: Wer Christus nachfolgt, wandelt wie Er, der Sohn des Menschen, in Gehorsam gegenüber Gott und seinem Wort, in völliger Absonderung von der Welt und allem Bösen. Ein anderes Mal rief der Herr dem Volk zu: «Ringt danach, durch die enge Tür einzugehen; denn viele, sage ich euch, werden einzugehen suchen und es nicht vermögen» (Lk 13,23-30).

Die Schwierigkeit, die der Jude empfinden musste, wenn er sich von der grossen Masse auf dem breiten Weg trennen und durch die enge Pforte eintreten wollte, lag nicht an der «Tür», sondern in der Verkehrtheit seines Herzens, das erfüllt war von jüdischen Vorurteilen. Das Heil Gottes in Christus ist ja den geistlich Lahmen, Blinden und Aussätzigen angepasst. Sie sollten sich allen Ernstes aufmachen und alle Hindernisse überwinden, um noch rechtzeitig durch die enge Pforte einzutreten. Denn der «Hausherr» – Gott selbst – würde im gegebenen Augenblick diese einzige Türe ins Reich für die Widerspenstigen und Zaudernden des Volkes für immer verschliessen. Dann würden diese Menschen, die sich als Kinder Abrahams zum Reich zählten, für immer «draussen» stehen. Weinen und Zähneknirschen wäre dann ihr ewiges Teil.

Dieses Gleichnis redet aber auch zu uns Christen aus den Nationen. Nicht die Zugehörigkeit zu irgendeiner Kirche mit ihren religiösen Übungen und «guten Werken» öffnet uns den Zugang in das Reich. Das wäre die weite Pforte und der breite Weg, der ins Verderben führt. Was wir nötig haben, ist innere Umkehr, wahre Buße und Glauben an Jesus Christus und sein Erlösungswerk, wodurch wir errettet und wiedergeboren werden. So nur können wir Ihm auf dem schmalen Pfad, der zur Herrlichkeit führt, nachfolgen.

Das Kamel kann nicht durch das Nadelöhr eingehen (Mt 19,16-26)

Ein junger, reicher Oberster war mit der Frage zu Jesus gekommen: «Lehrer, was muss ich Gutes tun, um ewiges Leben zu haben Nach seiner Meinung hatte er sich bis dahin durch treue Beobachtung des Gesetzes ausgezeichnet. Aber wenn er den Herrn Jesus über das Reich der Himmel und über das ewige Leben reden hörte, merkte er, dass ihm dazu noch etwas Wesentliches fehlte.

Der Herr, der ihn durchschaute, nennt ihm zwei Dinge:

  • Erstens hatte der Jüngling noch nicht erkannt, dass der Mensch nicht gut ist und daher auch nichts Gutes zu tun vermag. Nur Gnade, die sich auf das Erlösungswerk stützt, das Christus Jesus zu erfüllen im Begriff war, kann ihn retten. Diese Gnade war von Anfang an der Inhalt der Verkündigung des Herrn (Lk 4,22). Hatte der Oberste nicht gut zugehört?
  • Als Zweites musste ihm der Lehrer sagen: «Geh hin, verkaufe deine Habe und gib sie den Armen, und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben; und komm, folge mir nach!» Der junge Mann hatte Schätze auf der Erde, und diese hinderten ihn, Jesus im Glauben aufzunehmen und Ihm nachzufolgen. Und er wollte sie nicht aufgeben. Betrübt ging er weg.

Nun sagte Jesus zu seinen Jüngern: «Schwerlich wird ein Reicher in das Reich der Himmel eingehen … Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurchgehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingehe.»

Das konnten die Jünger nicht begreifen. Unter dem Gesetz war materieller Wohlstand doch gerade dem verheissen, der dem Gesetz gehorchte!

Aber im Reich der Himmel, das Gott nun in Christus einführte, hat die Welt und das Ich keinen Platz. Wer zu diesem Reich gehört, hat seinen Schatz im Himmel.

Wie für so viele Menschen war das Geld auch für diesen Jüngling ein goldener Schlüssel zu allen irdischen Vorteilen und Genüssen. Der Besitz diente seiner Selbstsucht, seinen sündigen Neigungen und trennte ihn somit von Gott. Wohl stand er jetzt vor der engen Pforte und begehrte Einlass, aber nur unter der Bedingung, dass er sein bisheriges Leben weiterführen konnte.

Er war noch «im Fleisch», und wie hätte er da die Begierden des Fleisches überwinden können? Sie waren ja die Früchte seiner Natur! Dem Menschen ist dies ebenso wenig möglich wie einem Kamel, durch ein Nadelöhr zu gehen. Selbst wenn es diesem Tier gelänge, alle seine Lasten abzulegen, so vermöchte es den Eingang doch nicht zu erzwingen, weil es als Kamel dafür unpassend ist.

Auf die erstaunte Frage der Jünger: «Wer kann dann errettet werden?», gab Jesus zur Antwort: «Bei Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich.» Ihm sei Lob und Dank! Durch den Glauben an Christus wird der Mensch zum Teilhaber der göttlichen Natur, der dem Verderben entflohen ist (2. Pet 1,4). Die Jünger selbst waren solche Errettete, die «eingegangen waren». Sie hatten alles verlassen und waren Christus nachgefolgt.

Diese verschiedenen Gleichnisse weisen also auf die grossen Hindernisse hin, die den Menschen abhalten wollen, errettet zu werden und ins Reich der Himmel einzutreten:

  • Selbstgerechtigkeit und Selbstvertrauen,
  • das Streben nach menschlicher Grösse,
  • Bindung an ein religiöses System sowie
  • irdischer Besitz.

Die in Christus Jesus erschienene Gnade aber ist das Mittel, um von diesen Hindernissen und Bindungen befreit zu werden. Angezogen und erfüllt von der Grösse seiner Person, vermag der Erlöste Ihm nachzufolgen und mit allem, was er besitzt, Ihm zu dienen.

  • 1Vergleiche die ausführliche Auseinandersetzung des Herrn mit den Pharisäern in Matthäus 23.