Eine der inhaltsschwersten Fragen in der Bibel finden wir in den Evangelien nach Matthäus und Markus sowie in Psalm 22. Sie lautet: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Nie wurde vorher und seither eine solche Frage gestellt. Und nie wird in Zukunft wieder so gefragt werden. Diese Worte stehen in den Annalen der Ewigkeit einmalig da.
Wer war es, der diese durchdringende und unerklärliche Frage gestellt hat? Es war der ewige Sohn Gottes, der seit jeher im Schoss des Vaters ist, an dem der Vater stets sein unendliches Wohlgefallen fand, ja, es war Gott selbst, der Schöpfer aller Dinge, der allmächtige Erhalter des weiten Universums. Zugleich war diese Person ein Mensch, ein fleckenloser, heiliger, vollkommener Mensch, der nie gesündigt hatte und nie sündigen konnte, weil Er Sünde nicht kannte. Und doch war Er ein Mensch, ein wirklicher Mensch, geboren von einer Frau wie wir. Er glich uns in jeder möglichen Hinsicht, mit einer Ausnahme: «Er tat keine Sünde, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden.» Er tat nur das, was Gott wohlgefiel. Von der Krippe in Bethlehem bis zum Kreuz auf Golgatha war sein ganzes Leben in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Jeder seiner Gedanken, jedes seiner Worte, jeder Blick, jede Bewegung verbreitete einen Wohlgeruch unaussprechlicher Lieblichkeit, der zu Gott aufstieg und sein Herz erfreute. Mehr als einmal wurden die Himmel über Ihm geöffnet und die Stimme des ewigen Vaters bezeugte: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.»
Und dieser Eine war es, der gefragt hat: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Ist es wirklich wahr, dass unser Herr Jesus Christus von Gott verlassen war? Verliess Gott wirklich seinen Vielgeliebten? Verbarg Er tatsächlich sein Angesicht vor dem einzigen sündlosen, fleckenlosen, vollkommenen Menschen, der je in dieser sündigen Welt gelebt hat? Verschloss Er sein Ohr vor dem Schreien dessen, der nur gelebt hatte, um Gottes Willen zu tun und seinen Namen zu verherrlichen? Ja, so unverständlich dies auch für uns ist, Gott tat es. Er, der «seine Augen nicht abzieht von dem Gerechten», dessen Ohr immer offen ist für «den Armen, der um Hilfe ruft», und dessen Hand ausgestreckt ist, um den Schwachen und Hilflosen zu befreien, wandte sein Angesicht von seinem Geliebten ab und weigerte sich für eine Zeit, seinen Schrei zu erhören.
Das ist ein unergründliches Geheimnis. Es enthält den eigentlichen Kern und Inhalt des Evangeliums – die Grundlage des Christentums. Je mehr wir die Herrlichkeiten dessen betrachten, der solche Worte ausrief, und sehen, wer Er in sich selbst ist und was Er für Gott war, umso mehr erkennen wir die Tiefen dieser Frage. Und je mehr wir den betrachten, an den die Frage gerichtet war, desto mehr lernen wir sein Wesen und seine Wege kennen und desto mehr sehen wir die Kraft und den Wert der Antwort.
Warum verliess Gott den Herrn Jesus? Weil Er meine Stelle einnahm. Weil Er für mich zur Sünde gemacht wurde. Alles, was ich war; alles, was ich getan, und alles, was ich verdient habe, wurde auf Ihn gelegt. Gott handelte mit mir in der Person meines Stellvertreters. Die ganze Sünde meiner Natur und alle Sünden meines Lebens – alles, was ich bin und was ich je getan habe und noch tun werde, wurde Ihm zur Last gelegt. Er nahm meine Stelle ein und wurde entsprechend behandelt.
Gott legte das volle Gewicht unserer Ungerechtigkeiten auf Christus. Am Kreuz begegnete Gott der Sünde. Sie wurde gerichtet und die Grundlage für ihre Abschaffung gelegt. Gott handelte mit der Sünde gemäss seiner Natur und seinem Wesen.
Nun sitzt der, der für uns zur Sünde gemacht worden ist, erhöht zur Rechten Gottes, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Die Krone, die Er trägt ist der Beweis dafür, dass die Sünde für immer weggetan ist, so dass nicht eine einzige Ungerechtigkeit dem Gläubigen noch zur Last gelegt werden kann.
Warum hat Christus dies getan? Aus Liebe zu dir und zu mir! Die unbegreifliche Liebe Gottes zu verlorenen Sündern bewog Ihn, seinen Sohn zu geben, um Ihn am Kreuz zu schlagen und zu verlassen. Es gab keinen anderen Weg, auf dem wir der ewigen Verdammnis hätten entrinnen können. Es ging um die Frage, entweder uns für ewig in die Hölle zu werfen, oder den unendlichen Zorn Gottes über die Sünde auf unseren Stellvertreter und Sündenträger zu entladen. Gott sei ewig gepriesen, Er wählte das letztere!