In diesen Stellen, die sich ähnlich sind, werden uns zwei verschiedene Herzenszustände gezeigt, die beide im Mitgefühl und in der Gnade des Herrn Jesus ihre Antwort finden.
Trauernde Jünger
Es war zweifellos ein Augenblick tiefer Trauer für die Jünger von Johannes dem Täufer, als dieser unter dem Schwert des Herodes gefallen war. Bis jetzt hatten sie sich auf ihn gestützt und von ihm Unterweisung empfangen. Doch nun war er auf eine so schreckliche Weise von ihnen genommen worden. Wir können es mitempfinden, dass dies ein Augenblick der Betrübnis und der Trostlosigkeit für die Jünger des Propheten war.
Da war jedoch Einer, zu dem sie in ihrer Trauer fliehen konnten und dessen Ohren für ihre schmerzlichen Erfahrungen offen waren. Zu Ihm eilten die verwaisten Jünger. Wir lesen: «Sie kamen herzu, hoben den Leichnam auf und begruben ihn. Und sie kamen und berichteten es Jesus» (Mt 14,12).
Das war das Beste, was sie tun konnten. Es gab kein anderes Herz auf der Erde, das so mitempfinden konnte, wie das gütige, liebende Herz des Herrn Jesus. Sein Mitleid war vollkommen. Er kannte ihren ganzen Schmerz. Er kannte ihren Verlust und wie sie ihn empfanden. Daher taten sie gut daran, dass sie zu Ihm kamen und es Ihm berichteten. Sein Ohr war immer offen und sein Herz hatte immer Zeit, um zu beruhigen und mitzufühlen. Er war ein vollkommenes Beispiel dafür, wie das Wort aus Römer 12,15 ausgeführt werden soll: «Freut euch mit den sich Freuenden, weint mit den Weinenden.»
Wer kann den Wert echten Mitgefühls beschreiben? Wer weiss, welche Bedeutung es für uns hat, Einen zu haben, der unsere Freuden und unsere Schmerzen wirklich zu seinen eigenen macht? Gott sei Dank! Wir haben diesen Einen im Herrn Jesus. Wenn wir Ihn jetzt auch nicht mit unseren leiblichen Augen sehen können, so erkennen wir Ihn doch im Glauben und erfahren den Wert und die Kraft seines vollkommenen Mitgefühls.
Wir können vom Grab, in dem wir gerade die sterbliche Hülle einer geliebten Person begraben haben, zu den Füssen Jesu laufen und dort die Not eines verwaisten und einsamen Herzens ausschütten. Bei Ihm werden wir keine harte Zurückweisung erfahren, keinen herzlosen Vorwurf für unsere Schwachheit hören, dass wir so tief empfinden. Nein! Er macht auch keine ungeschickten Anstrengungen, um etwas Passendes zu sagen. Er äussert keine leeren Beileidsbezeugungen.
Der Herr Jesus kann mit einem Herzen mitfühlen, das vom schweren Gewicht des Schmerzes überwältigt und bis zum Boden niedergebeugt ist. Er hat ein vollkommen menschliches Herz – menschlich, aber zugleich göttlich. Welch ein Gedanke! Welch ein Vorrecht, immer Zugang zu seinem Herzen zu haben! Von überall her und in allen Umständen dürfen wir zu seinem Herzen kommen, das mit vollkommener menschlicher Sympathie und mit göttlicher Liebe erfüllt ist. Auf der Erde werden wir vergeblich so etwas suchen. In manchen Fällen mag der wirkliche Wunsch vorhanden sein, mitzuempfinden, aber auch eine fehlende Fähigkeit dazu. Ich mag in Momenten des Schmerzes mich bei jemand aufhalten, der nichts von meinem Schmerz und dessen Ursachen weiss. Wie könnte er da mitfühlen? Auch wenn ich es ihm sagen würde, könnte sein Herz so mit etwas anderem beschäftigt sein, dass er keine Zeit und kein Verständnis für mich aufbringt.
Nicht so beim vollkommenen Menschen Jesus Christus. Er hat sowohl Raum als Zeit für jeden und für alle. Wann, wie oder womit du kommst, spielt keine Rolle, das Herz des Herrn Jesus ist immer offen. Er wird nie zurückstossen, nie versagen, nie enttäuschen. Darum - wenn wir in Trauer oder in Not sind, was sollen wir dann tun? Machen wir es wie die Jünger von Johannes dem Täufer! Es ist auch für uns das Beste, zum Herrn Jesus zu kommen und es Ihm zu berichten. Lasst uns direkt zu Ihm gehen und jeden Schmerz zu seinen Füssen niederlegen. Er wird unsere Tränen trocknen, unseren Kummer beruhigen, unsere Wunden heilen und unsere Leere füllen.
Freudige Jünger
Lasst uns nun die zwölf Jünger bei ihrer Rückkehr von einer erfolgreichen Mission betrachten. «Die Apostel versammeln sich bei Jesus; und sie berichteten ihm alles, was sie getan und was sie gelehrt hatten» (Mk 6,30).
Das war nicht ein Fall von Trauer und Einsamkeit, sondern von Freude und Ermunterung. Die Zwölf kehrten zum Herrn Jesus zurück, um Ihm von ihren Erfolgen zu berichten - gerade so wie die Jünger des Täufers im Augenblick ihres Verlustes zu Ihm kamen. Der Herr war für beide Gruppen derselbe. Er konnte den trauernden Herzen und den vom Erfolg erregten Jüngern begegnen. Er vermochte sowohl die einen wie die anderen zu prägen, zu mässigen und zu leiten. Gepriesen sei sein herrlicher Name!
«Er spricht zu ihnen: Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus» (Mk 6,31).
Je mehr wir mit Jesus Umgang haben, desto mehr werden unsere Herzen geöffnet sein, um den vielen verschiedenen menschlichen Bedürfnissen zu begegnen, die wir Tag für Tag wahrnehmen. Dadurch, dass wir zum Herrn Jesus kommen und Ihm unser ganzes Herz ausschütten, Ihm unsere Not und unsere Freude bringen und alle unsere Lasten zu seinen Füssen niederlegen, lernen wir, mit anderen mitzuempfinden.
Wie wichtig sind die Worte: «Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein.» Er sagt nicht: «Geht weg!» Das tut Er nie. Es wäre nicht nützlich wegzugehen. Viel besser ist es, zum Herrn Jesus zu kommen. Ohne Ihn in die Einsamkeit zu gehen, würde unsere kalten, engen Herzen noch kälter und enger machen. Ich mag mich aus der Szene rings um mich her ärgerlich und enttäuscht zurückziehen, nur um mich selbst in eine undurchdringliche Selbstsucht einzuhüllen. Ich mag mir sagen, die anderen hätten mich zu wenig beachtet, und mich zurückziehen, um viel aus mir zu machen. Ich mag mich zum Mittelpunkt meines ganzen Daseins machen und auf diese Weise ein kaltherziges, verengtes und elendes Geschöpf werden. Aber wenn wir zum Herrn Jesus gehen, wird der Fall total anders.
Unsere tiefsten moralischen Lektionen lernen wir nur bei Ihm. Wir können nicht die Atmosphäre seiner Gegenwart einatmen, ohne dass unser Herz weit wird. Wären die Apostel ohne Ihn in die Wüste gegangen, hätten sie die Brote und die Fische ohne Zweifel allein gegessen. Aber mit dem Herrn Jesus zusammen lernten sie etwas anderes. Er wusste dem Bedarf einer hungrigen Volksmenge zu begegnen, wie auch den Bedürfnissen einer Gruppe von trauernden oder sich freuenden Jünger. Er kann allem entsprechen.
- Ist einer bekümmert – er kann zu Jesus gehen,
- ist einer hungrig – er kann zu Jesus gehen.
Das Mitgefühl und die Gnade des Herrn Jesus sind vollkommen. Wir können alles zu Ihm bringen, denn die ganze Fülle des Segens ist bei Ihm zu finden. Er sendet niemand leer weg.