Ich war müde und setzte mich in den Schatten einer grossen Pinie in einem schwedischen Wald, froh, eine so kühle Zuflucht vor der sengenden Sonne gefunden zu haben. Noch nicht lange hatte ich mich dort niedergelassen, als mich in dieser Waldeinsamkeit ein angenehmer Duft umgab. Ich schaute umher und fand in meiner Nähe ein winziges Blümchen, ungefähr halb so gross wie ein gewöhnliches Gänseblümchen, fast verdeckt vom Moos. Es war ein kleines Moosglöckchen (Linnaea borealis).
Wie köstlich es duftete! Immer und immer wieder hielt ich es mir vor die Nase und genoss den Wohlgeruch. Dann aber blickte ich auf und dankte Gott für diese so unbedeutende Zwergblume, die hier in einem wilden, sozusagen unbetretenen Wald wuchs, aber mir Erfrischung und Freude gab.
Ich dachte, warum bleibt sie so verborgen, wenn sie doch eine Blume mit einem solchen Duft ist und einen Standort verdiente, wo man sie viel mehr beachtete? Sie gab mir eine Lektion zu lernen, die mächtig zu meinem Herzen sprach.
Ich dachte, wenn ich auch keine Pinie in Gottes Garten sein kann, so doch eine kleine Blume, um den Wohlgeruch Christi dieser traurigen Welt ausströmen zu lassen.
Unsere Herzen neigen zu dem Wunsch, etwas Grosses zu sein oder zu tun. Wir sind oft nicht zufrieden mit der Aufgabe, nur wie das kleine Moosglöckchen ein Wohlgeruch im Verborgenen zu sein.
Ich habe schon manchmal Jünger des Herrn getroffen, die wegen der scheinbaren Nutzlosigkeit ihres Lebens ganz entmutigt waren. Sie können nicht auf ein grosses Werk hinweisen, das sie für den Herrn vollbracht haben. Es war ihnen nicht gegeben, in seinem Dienst ein hervorragendes Werkzeug zu sein, noch können sie sich erinnern, jemals etwas getan zu haben, das der Erwähnung wert wäre.
Zu Baruch wurde gesagt: «Und du trachtest nach grossen Dingen für dich?» (Jer 45,5). Lieber Bruder, liebe Schwester, lass mich dir sagen: Es ist möglich, dass du in dieser Welt für den Herrn und für die anderen etwas sein kannst. Schliesse dich ganz an Christus an, wandle in glücklicher Gemeinschaft mit Ihm, lass dein Herz von seiner Liebe trinken, und du wirst ein Wohlgeruch sein für Ihn.
Kannst du dir etwas Grösseres vorstellen als das? Kein anderes als nur sein Auge mag dich sehen, kein Herz als nur das Seine mag deine Handlung oder deine Gedanken wertschätzen. Aber wie gut, ich kann für den Herrn Jesus ein Wohlgeruch sein! Nichts ist für ihn so kostbar, als wenn du und ich mit Ihm wandeln. Tun wir es, dann werden wir gewiss mit einer ermatteten Seele in Berührung kommen, die Erfrischung braucht. Wir können dann von Jesus zu ihr reden.
Lieber Mitchrist, lass uns die enttäuschende Gewohnheit der Selbstbeschäftigung aufgeben! Solange wir mit uns beschäftigt sind, können wir nicht an Christus denken. Wie viel von der Vortrefflichkeit Christi von uns ausfliesst, ist das Mass wahrer Grösse.
«Ein ausgegossenes Salböl ist sein Name» (Hld 1,3). Als der Herr Jesus als Mensch hier auf der Erde wandelte, war Er in den Augen der Menschen nicht gross. Er lebte in Niedrigkeit. Er suchte keine Vorrangstellung. Wenn sie Ihn zum König machen wollten, zog Er sich zurück; und wenn seine Brüder Ihn drängten, zum Fest hinaufzugehen, um dort grosse Wunder zu tun und sich der Welt zu zeigen, antwortete Er: «Meine Zeit ist noch nicht da» (Joh 7,6). Des Vaters Willen zu tun, war das einzige Anliegen, das Ihn beherrschte. Er, «die Pflanzung zum Ruhm», dieses «Reis aus dem Stumpf Isais», dieser «Wurzelspross aus dürrem Erdreich» konnte sagen: «Alle meine Quellen sind in dir» (Hes 34,29; Jes 11,1; 53,2; Ps 87,7).
Welch ein Wohlgeruch floss von Ihm aus! Sogar wer von Gott entfernt war, konnte den heiligen Duft einatmen und sagen: «Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch» (Joh 7,46). Der herzlose Pilatus musste aussprechen: «Ich finde keine Schuld an diesem Menschen» (Lk 23,4). Der Hauptmann am Kreuz bekannte: «Wahrhaftig, dieser Mensch war gerecht» (Lk 23,47) und andere «verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen» (Lk 4,22).
Niemand konnte in seine Nähe kommen, ohne den Wohlgeruch der Liebe, des Mitgefühls und der innerlichen Anteilnahme zu schmecken. Die Verdorbenheit des menschlichen Herzens, der Er überall begegnete, brachte seine Vortrefflichkeit nur desto mehr ans Licht.
Lasst uns also nicht verzagen über das, was wir sind und was wir nicht sind. Dafür wollen wir unsere Aufmerksamkeit mehr denn je auf Ihn richten. Wenn Er unser Blickfeld ausfüllt, wird uns alles andere aus den Augen entschwinden. Erfüllt seine Kostbarkeit unser Herz, wird auch sein Wohlgeruch von uns ausströmen, als eine Auswirkung der Gemeinschaft mit Ihm.
Möchten wir denn durch seinen Geist, zu seiner eigenen Freude, auf diese Weise etwas von seinem Wohlgeruch in dieser Welt verbreiten, wo Er nicht ist, damit wir so ein kleiner Widerschein Jesu, des einen Vollkommenen, sind.