Kommt an einen öden Ort, ruht ein wenig aus!
«Es waren viele, die da kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen» (Mk 6,31). Geht es nicht manchen von uns ganz ähnlich wie den Jüngern damals? Man ist so beschäftigt, dass man kaum Zeit zum Essen findet!
Der Meister hatte die Jünger zu zwei und zwei ausgesandt, um das Evangelium zu predigen. Nun waren sie von ihrer Tournée zurückgekehrt. Sie versammelten sich beim Herrn Jesus und «berichteten ihm alles, was sie getan und was sie gelehrt hatten». Wir können uns vorstellen, wie sie eifrig bemüht waren, ihrem Meister ihre neuen Erfahrungen zu berichten. Doch durch das ständige Kommen und Gehen der vielen Leute wurden sie immer wieder unterbrochen. Es gab keine stillen Momente, so dass sie nicht einmal Zeit fanden, um zu essen. Nun forderte der Herr sie auf: «Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus.»
Ganz unabhängig davon, wo wir arbeiten – in der Werkstatt, im Spital oder im Büro – beansprucht uns die tägliche Arbeit oft mehr als wir möchten. Wie oft empfinden wir, wie unsere Stunden und Tage so stark ausgefüllt sind, dass uns manchmal fast keine Zeit bleibt, uns körperlich, aber vor allem geistlich zu nähren. Sogar jene, die vollzeitlich im Werk des Herrn beschäftigt sind, kennen diese Probleme. Sie begegnen so vielen verschiedenen Bedürfnissen, manche dringende Bitte wird an sie gerichtet, Menschen suchen sie auf. Dies alles beansprucht die Diener des Herrn oft bis an ihre Grenzen.
Wie gut wäre es da, einen Augenblick stillzustehen, einige Stunden oder Tage der Ruhe einzuschalten. Doch die Aufgabe scheint einfach da zu sein und die Arbeit geht weiter. Manchmal – vor allem im Blick auf unsere berufliche Tätigkeit in dieser Welt – kommt die Frage des Predigers über unsere Lippen: «Was hat der Mensch von all seiner Mühe und vom Trachten seines Herzens, womit er sich abmüht unter der Sonne?» (Pred 2,22).
Und nun lässt sich die Stimme des Meisters vernehmen: «Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus.» Wird dies möglich sein? Für sich selbst mit Ihm und bei Ihm zu sein, ohne dass jemand kommt und geht, ohne den ständigen Druck einer Aufgabe, deren Ende man nicht sieht – ist das möglich? Man sollte sicher nicht warten, bis man durch eine Krankheit oder einen Unfall auf die Seite, in die Stille genommen wird. Wir dürfen doch den Herrn um eine Gelegenheit bitten – und Er wird sie uns sicher schenken – wo wir ein wenig für uns selbst in der Stille sein können, um auf Ihn zu hören, zu Ihm zu beten und das zu überdenken, was wir in den vergangenen Wochen oder Monaten getan haben. Doch dafür muss man bereit sein, auf anderes zu verzichten. Es wird seinen Preis kosten. Aber die Zeit, die wir in der Stille zu den Füssen des Herrn Jesus verbringen und in der wir Ihn zu uns reden lassen, ist diesen Preis wert.
«Werde aufgetan!»
Die Menschen brachten einen Tauben zum Herrn Jesus, der schwer redete, und baten ihn, dass Er ihm die Hand auflege. Heilte Er diesen Mann nun vor allen? Befreite Er ihn von seiner Taubheit im Lärm und in der Menschenmenge, die Ihn umgab? Nein. «Er nahm ihn von der Volksmenge weg für sich allein» (Mk 7,33). Dann legte Er seine Finger in dessen Ohren, rührte seine Zunge an und sprach: «Werde aufgetan!»
Haben wir noch nie empfunden, dass wir taub waren? Wir gehen regelmässig zu den Zusammenkünften der Gläubigen, aber wir haben nicht mehr den gleichen Gewinn davon, wie wir ihn früher hatten. Wir lesen die Bibel, doch wir scheinen den Geschmack daran verloren zu haben. Wir möchten beten, aber wir finden es mühsam, uns auszudrücken. Was ist da zu tun? Nichts ist wichtiger, als sich in diesem Fall in die Stille führen zu lassen. Die gleiche Hand des Heilands, die damals tätig wurde, will auch unser Ohr aufs Neue öffnen und das Band unserer Zunge lösen.
Eines Tages brachte man einen Blinden zum Heiland mit der Bitte, ihn anzurühren. «Und er fasste den Blinden bei der Hand und führte ihn aus dem Dorf hinaus» (Mk 8,23). Dort, auf die Seite genommen, legte sich die göttliche Hand auf die verdunkelten Augen. Dann wich die Blindheit schrittweise, um dem vollen Augenlicht Platz zu machen.
Haben wir noch nie Probleme gehabt, für die wir keine Lösung kannten? Waren wir noch nie in Verlegenheit, als wir eine Wahl zu treffen hatten? Gerade in jungen Jahren, wo es viele, ja, die meisten für das Leben wichtigen Entscheidungen zu fällen gilt, kommt es uns nicht manchmal vor, als seien wir blind? Warum wollen wir uns dann nicht von der liebenden Hand unseres Herrn auf die Seite ziehen lassen, aus unserer Beschäftigung und unserem Kreis heraus, vielleicht für einige Stunden oder einige Tage, damit Er an uns wirken und uns Licht schenken kann?
Auf dem Berg der Verklärung
«Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes mit und führt sie für sich allein auf einen hohen Berg» (Mk 9,2). Dieses Mal ging es nicht darum, aus dem Dorf hinaus, oder von der Volksmenge weg oder an einen öden Ort zu gehen. Jetzt stieg der Herr mit drei von seinen Jüngern auf einen hohen Berg. Sie sollten gewissermassen über dem täglichen Leben und seinen Tätigkeiten, Verpflichtungen und Problemen stehen, um einen Blick auf die überragende Herrlichkeit ihres Herrn werfen zu können. Es waren unvergessliche Augenblicke, die bei den drei Aposteln zeit ihres Lebens tiefe Eindrücke hinterlassen hatten. Bewegt erinnerte sich der Apostel Petrus daran, als er seinen zweiten Brief schrieb. Als «Augenzeuge seiner herrlichen Grösse» sagte er: «Diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren» (2. Pet 1,18).
Hier ging es nicht darum, in der Abgeschiedenheit Ruhe zu finden, auch nicht darum, sich die Ohren oder die Augen öffnen zu lassen. Hier ging es darum, Ihn zu sehen. So hat auch Saulus von Tarsus den Herrn im Tempel gesehen. Ein ähnliches Gesicht von Ihm hatten der Prophet Daniel am Ufer des Flusses und Josua vor den Toren Jerichos (Apg 22,17.18; Dan 10,19; Jos 5,13).
Es sind oft einmalige Momente im Leben eines Gläubigen, in denen sich diese unvergleichliche Person offenbart: nicht nur als Messias oder als König in all seiner Herrlichkeit, sondern als der geliebte Sohn des Vaters.
Die Zusammenkünfte als Versammlung zum Brotbrechen, zur Wortverkündigung oder zum Gebet geben uns im Lauf des Lebens kostbare Augenblicke, wo wir zurückgezogen in der Gegenwart des Herrn weilen dürfen. Es gibt aber auch besondere Gelegenheiten, da Er uns etwas länger bei sich haben möchte. Nehmen wir uns Zeit dafür, um uns «in die Wüste» oder «auf den Berg» zurückzuziehen zu Ihm selbst, um vor Ihm still zu werden, auf Ihn zu hören, um besonders zu beten und Ihn zu sehen?
Möge der Herr uns allen dies schenken!