Das Leben der ersten Christen

Apostelgeschichte 2,42

«Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten» (Apg 2,42)

Die Kraft des Heiligen Geistes, der in denen wohnte, die zu der an jenem Pfingsttag gebildeten «Versammlung Gottes» gehörten, zeigte sich nicht nur durch die Gabe der Sprachen und durch Wunderwerke. Sie wirkte auch in den Herzen und brachte in den Gläubigen ein himmlisches Leben hervor, das sich nach aussen hin durch vortreffliche Früchte kundgab. Das war für die Welt ein machtvolleres Zeugnis als die durch die Apostel vollbrachten Wunder. In unseren Tagen geschehen keine solchen Wunderwerke mehr, aber die Christen sind wie damals berufen, in ihrem Verhalten die gleichen Früchte zu offenbaren, weil auch sie durch den Heiligen Geist das Leben Christi besitzen.

Wie aus der angeführten Stelle hervorgeht, waren es vier Dinge, die sie kennzeichneten.

1. Die Lehre der Apostel

Erstens hielten sie sich ausschliesslich an die Unterweisungen der Apostel. Diese waren durch den Herrn gesandt, um zu verkünden, was Er während seines Lebens auf der Erde getan und gelehrt hatte. Der Heilige Geist erinnerte sie daran, ja noch mehr, Er enthüllte ihnen die Wahrheiten des Heils, alles was den Herrn Jesus und sein Werk der Gnade betraf. Was der Heilige Geist die Apostel lehrte, teilten sie den Gläubigen mit und sie verharrten in dieser Lehre, indem sie die Überlieferungen und Lehren der Menschen ganz beiseite liessen.

Die Apostel sind nicht mehr da, aber Gott hat Sorge getragen, dass uns ihre Lehre in den Schriften des Neuen Testaments bewahrt blieb. Wir haben ihr anzuhangen, wie die ersten Jünger es taten, indem wir den Herrn bitten, uns für die heiligen Wahrheiten Verständnis zu geben und sie durch den Heiligen Geist auf unsere Herzen anzuwenden.

2. Die Gemeinschaft der Apostel

Zweitens verharrten die ersten Christen in der Gemeinschaft der Apostel. Man ist in Gemeinschaft mit jemand, wenn man dieselben Gedanken, die gleichen Zuneigungen und Empfindungen hat wie diese Person. Dann handelt man auch miteinander und erstrebt das gleiche Ziel. Der Apostel Johannes schrieb den Gläubigen: «Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus» (1. Joh 1,3). Es waren also die Gedanken und Empfindungen des Vaters über seinen geliebten Sohn und die des Herrn Jesus über seinen Vater, die den Geist und das Herz der Apostel erfüllten. Die Jünger, die durch sie den Vater und den Sohn kennen lernen konnten, hatten dieselben Gedanken und Empfindungen wie sie. Das waren göttliche Gedanken und heilige Zuneigungen, die ihre Herzen mit Freude erfüllten.

Jeder von uns kann diese Gemeinschaft geniessen und das Glück, das sich daraus ergibt, denn wenn wir den Herrn Jesus als Heiland aufgenommen haben, ist Gott unser Vater.

3. Das Brechen des Brotes

Das Dritte, worin die Gläubigen verharrten und was von der Gemeinschaft untereinander Zeugnis gab, war das Brotbrechen oder die Feier des Mahls des Herrn. Wir wissen ja, dass der Herr Jesus, bevor Er in den Himmel auffuhr, in der Nacht, in der Er überliefert wurde, dieses Mahl einsetzte, zum Gedächtnis seiner Leiden und seines Todes zur Erlösung der Seinen. Es ist der Beweis seiner grossen Liebe für sie, einer Liebe, die stärker ist als der Tod. Die Gläubigen in Jerusalem waren am Tisch des Herrn versammelt, als solche, die durch sein kostbares Blut erlöst und Glieder der gleichen Familie waren. Sie erinnerten sich mit einem Herzen an den, der sie geliebt und errettet hatte.

Die Erlösten des Herrn fuhren fort, das Mahl zu feiern und werden es bis zu seiner Wiederkehr tun. Dann werden sie bei Ihm sein, Ihn selbst sehen und kein Gedächtnismahl mehr nötig haben. Welche Freude sollte unsere Herzen erfüllen, beim Gedanken, dass wir eines Tages im Himmel sein und das Lamm betrachten werden, das geschlachtet worden ist!

4. Das Verharren im Gebet

Schliesslich und viertens verharrten die ersten Christen im Gebet. Das Gebet setzt voraus, dass wir unsere Schwachheit, unser Unvermögen kennen und wissen, dass wir die Gnade und die allmächtige Hilfe Gottes nötig haben. Es setzt unsere Abhängigkeit von Ihm und das Vertrauen in Ihn voraus – die Gewissheit, dass Er uns hört und erhören will. Im Gebet nahen wir uns Gott, um Ihm unsere Bedürfnisse vorzustellen. Wir beten zu Ihm, sowohl persönlich als auch in der Familie und in der Versammlung. Es wird uns nahegelegt, unablässig zu beten, unsere Anliegen vor Gott und den Herrn selbst zu bringen. Er, der hier auf der Erde zum Vater betete, ermuntert uns, in seinem Namen zu beten, indem Er uns verheisst, dass Er alles, was wir in dieser Weise erbitten, tun würde (1. Thes 5,17; Phil 4,6; Joh 14,13).

Das waren die charakteristischen Züge des inneren Lebens der ersten Christen und der verborgene Beweggrund ihres Lebens nach aussen. Die Kraft Gottes, offenbart durch die Wunderwerke, erregte Furcht unter dem Volk; aber der heilige Wandel der Jünger hatte die Wirkung auf die Menschen, dass sie zu Christus gezogen wurden.

In allen Herzen der Jünger war dieselbe Gesinnung, derselbe Gedanke, die gleiche Liebe, und sie verwirklichten, dass sie Kinder des gleichen Gottes und Vaters und durch denselben Erretter erkauft waren. Sie waren daher glücklich, einander zu begegnen, sich zu versammeln und einmütig im Tempel zu verharren. Sie zeigten auf diese Weise vor der Welt, dass sie eins waren in dem Vater und in dem Sohn, wie der Herr Jesus seinen Vater darum gebeten hatte (Joh 17,21). Durch dieses Leben der Eintracht und der Liebe war der Welt ein mächtiges Zeugnis gegeben, damit sie glaubte, dass Gott tatsächlich seinen Sohn herabgesandt hatte.

Ach, diese sichtbare Kundgebung der Einheit der Familie Gottes auf der Erde besteht nicht mehr! Dem Feind ist es gelungen, sie zu zerstören. Sie wird erst wieder in der Herrlichkeit gesehen werden, wenn der Herr Jesus mit seinen Erlösten erscheinen und die Welt erkennen wird, dass sie geliebt waren, wie Jesus selbst (Joh 17,23). Aber das ändert nichts daran, dass wir alle Kinder Gottes lieben sollen. «Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, wie kann der Gott lieben, den er nicht gesehen hat?» (1. Joh 4,20)

Die Selbstsucht war aus den Herzen der ersten Christen verbannt. Was der eine besass, gehörte auch dem andern. Die Neigung zu den Gütern der Erde, so stark ausgeprägt bei den Juden, bestand nicht mehr. Die Gläubigen hatten viel vorzüglichere Güter, ein himmlisches und bleibendes Erbteil. Sie konnten den Gedanken nicht ertragen, dass eines der Glieder der Familie Gottes Not leiden könnte, während sie selbst im Überfluss lebten. Sie verkauften also von ihrem Besitz und ihren Gütern, und der Erlös wurde unter den Bedürftigen verteilt. Der Apostel Johannes sagte später; «Wer aber irgend irdischen Besitz hat und sieht seinen Bruder Mangel leiden und verschliesst sein Herz vor ihm, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?» (1. Joh 3,17) In jenen ersten und glücklichen Zeiten hatte die Liebe Gottes ihren ganzen Platz im Herzen der Gläubigen. In ihrer ganzen Frische und Kraft war sie in ihnen, und sie verstanden den Sinn des Wortes: «Wer Gott liebt, liebt auch seinen Bruder.» Es war die Zeit der ersten Liebe. Bitten wir Gott darum, dass auch wir davon erfüllt werden!

Welch ein Schauspiel musste dies gewesen sein für die geizigen Pharisäer, für die Sadduzäer, die die Vergnügen dieser Welt liebten, für alle diese reichen Egoisten, die an den Reichtümern und Begierden dieser Welt hingen! Sie sahen da Leute, die wie sie Freunde der Welt gewesen waren, aber jetzt auf alles verzichteten, um andern zu Hilfe zu kommen. Sie sahen, wie diese alle ein Herz und eine Seele waren; es waren keine Bedürftigen unter ihnen. Und es war die Kraft des Namens Jesu, die dieses Wunder der Gnade bewirkte und diese echte Liebe hervorbrachte. Welch ein Unterschied gegenüber dem, was man in unseren Tagen in der Christenheit sieht!

Da mag sich die Frage erheben: Sind die Christen unserer Tage auch berufen, ihre Güter zu verkaufen, um den Erlös unter die Armen zu verteilen? – Das Wort Gottes setzt dies an keiner Stelle als eine Regel hin, die befolgt werden soll. Die ersten Christen taten es aus eigenem Antrieb. Gott wollte damit deutlich zeigen, was die Kraft des Geistes im Herzen auszurichten vermag, und gleichzeitig den Grundsatz unterstreichen, der zu allen Zeiten das Leben der Christen antreiben soll. Derselbe Geist der Liebe, des Verzichts und der Hingebung soll in unseren Herzen sein und sich in unseren Empfindungen und unseren Handlungen gegenüber den andern zeigen. Was der Apostel Johannes schrieb, gilt auch uns: «Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit» (1. Joh 3,18).

Der Apostel Paulus wies Timotheus an, den Reichen zu gebieten (nicht, ihre Güter zu verkaufen, sondern) nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott, der alles darreicht, reich zu sein in guten Werken, freigebig und mitteilsam. An verschiedenen Stellen der Schrift sehen wir auch, dass man unter den Christen Kollekten machte, um den Armen zu Hilfe zu kommen. Was in Jerusalem in den ersten Tagen der Versammlung geschah, war also eine einzigartige Kundgebung der Auswirkung der göttlichen Liebe im Herzen. Diese Kundgebung war besonders nötig gegenüber den Juden, einem fleischlichen Volke, das an der Erde hing. Es musste ihnen gezeigt werden, dass da ein Volk, das von einem himmlischen Leben erfüllt war, einem himmlischen Christus und Herrn anhing. Das Leben dieser ersten Jünger war ein sichtbarer Beweis, dass Jesus droben war und in ihre Seelen das Leben von oben ausgegossen hatte. Das alles war im Gegensatz zu den jüdischen Hoffnungen auf einen irdischen Messias und auf irdischen Lebensgenuss. Möchte sich doch dieses himmlische Leben auch bei uns deutlich zeigen!

Das also war das Leben der ersten Christen. Die Liebe zu Christus, der sie errettet hatte, war ihr Beweggrund. Daraus ergaben sich eine Freude und eine Einfalt des Herzens, die sich in allen Einzelheiten ihres täglichen Lebens zeigten, sogar bei ihren Mahlzeiten. Nichts ist gleichgültig im Leben eines Christen. Er tut alles mit Gott und für Gott. Der Apostel Paulus sagte es so: «Ob ihr nun esst oder trinkt oder irgendetwas tut, tut alles zur Ehre Gottes.» (1. Kor 10,31). Der Christ dankt für seine Speise, als ihm von Gott gegeben; er nimmt sie mit Freuden aus der Hand seines gütigen himmlischen Vaters entgegen, von dem er sein tägliches Brot erwartet.

Ein anderes Ergebnis dieses Lebens mit Gott war das Lob, womit ihr Herz gegenüber dem Gott aller Gnade überfloss. Sie danksagten für alles, wie auch wir dazu ermahnt sind. Welch ein Gegensatz zu ihrem früheren Leben, als sie noch unter dem schweren Joch der Vorschriften seufzten, die gemäss den Überlieferungen der Menschen waren, als sie den Frieden mit Gott noch nicht hatten und Ihn noch nicht als ihren Vater kannten! Jetzt waren sie glücklich; das ganze Volk sah es und musste es anerkennen. Ihr heiliges Leben, voll Hingebung und Freude, war eine Predigt, deren sich der Herr bediente, um weitere Menschen zu retten und sie zur Versammlung hinzuzufügen. Möchte doch unser Leben mehr dem ihren gleichen!