Der Gott allen Trostes

2. Korinther 1,3

Dieser Name Gottes ist für das Herz eines geprüften und leidenden Gläubigen wie Balsam. Wie sehnt er sich doch nach Trost!

Tröster gibt es zwar viele. Wenn ein Mensch einem Leidenden begegnet, müsste er in der Brust schon einen Stein haben, wenn er nicht wenigstens versuchte, ihn zu trösten. Aber der Trost eines Mannes, der Gott nicht kennt, ist leerer Hauch, und selbst gläubige Freunde können «leidige Tröster» sein. Als über dem Haupt Hiobs alles zusammenbrach, setzten sich seine drei Freunde tagelang zu ihm auf die Erde, um ihm zuzusprechen. Aber ihr «Trost» erwies sich für ihn als die schmerzlichste Plage von allen. Warum? Weil die Freunde die Absichten Gottes mit Hiob nicht kannten, sich aber gleichwohl anmassten, sein Handeln mit dem geprüften Freund zu deuten, und zwar in einer Weise, die das Innerste des schwergeprüften Mannes tief verletzte und aufwühlte. Gewiss, ihr unverständiges Tun war ein weiteres Erziehungsmittel in der Hand Gottes gegenüber Hiob, aber wir können doch daraus lernen, dass wir nur dann brauchbare Tröster sind, wenn wir von Gott «geziemend reden» (Hiob 42) 7), wenn wir den «Gott allen Trostes» andern so darzustellen vermögen, wie Er in Wirklichkeit ist.

Paulus hat zu trösten verstanden. Im Dienst seines Herrn kam er mit seinen Gefährten oft in grosse Drangsale, worin sie «übermässig, über Vermögen» beschwert wurden, so dass sie mitunter selbst am Leben verzweifelten (2. Kor 1,8): Aber der «Gott allen Trostes» neigte sich immer wieder zu ihnen herab, und seine Tröstungen flossen wie kühlendes Öl über alle ihre Wunden und Ängste und Nöte. Nicht nur waren ihre Leiden um Christi willen überreichlich: durch den Christus war auch ihr Trost überreichlich. Unter diesem überwältigenden Eindruck konnten sie nun auch andere trösten, die in allerlei Drangsal waren, mit dem Trost, mit dem sie selbst von Gott getröstet wurden. In der tiefsten Tiefe des Leidens hatten sie Gott in seinem tiefen Mitgefühl erfahren. Von dem Gott allen Trostes konnten sie daher in einer Weise reden, dass wir noch heute die Wärme ihrer Worte spüren.

Vielleicht bist auch du versucht, wie Jeremia auszurufen: «Schaut und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz!» (Klgl 1,12). Du magst meinen, dein Kummer, deine Trübsal, dein Leiden seien so gross und von so besonderer Art, dass niemand deine Not begreifen und lindern könne. Wende dich doch zum Gott allen Trostes! Er hat einen besonderen göttlichen Balsam für dich, gerade für dich. Du weisst möglicherweise selbst nicht, welchen Trost du brauchst Er aber weiss es und möchte ihn dir geben. Kehre dein Herz zu Ihm. Er ist der Gott allen oder jeden Trostes.

Gott tröstet die Niedrigen (2. Kor 7,6). – Gehen die Menschen teilnahmslos an dir vorüber? Wirst du in deiner Not nicht beachtet? Gott selbst ist dein Freund. Sein Herz fragt nach dir. Er «bewahrt die Fremden … die Witwe hält er aufrecht» (Ps 146,9). Die Waisen finden bei Ihm Erbarmen, denn Er ist «ein Vater der Waisen» (Ps 68,6). Er will, dass den Elenden und den Armen Gerechtigkeit widerfahre und dass der Geringe und Arme aus der Hand des Gottlosen befreit werde (Ps 82,3.4). Er wohnt «bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen» (Jes 57,15). – Oder fehlt dir Trost, weil du dich nicht zu den Geringen, sondern zu den Grossen zählst? Den Hochmütigen muss Gott «widerstehen»; solche kann Er nicht ermuntern. Den Demütigen aber gibt Er Gnade. Vergessen wir es nicht!

Gott tröstet «wie einen eine Mutter tröstet» (Jes 66,13). – Weshalb hat der Trost einer Mutter eine solch beruhigende Wirkung auf das Kind? Nicht nur weil es ihre Liebe kennt und spürt, sondern auch weil die Mutter die menschlichen Regungen ihres Kindes kennt. – Unser Hoherpriester, der im Himmel immerdar lebt, um sich für die Seinen zu verwenden, ist nicht nur Gott, nicht nur unser Schöpfer, der «sein Gebilde» kennt, sondern auch ein Mensch, der einst «in allem den Brüdern gleich geworden» und «in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde» (Heb 2,17; 4,15). Welchen «Trost der Liebe» haben wir in Ihm in allen unseren menschlichen Schwachheiten!

Und wenn wir Kinder Gottes diese Welt verlassen, die in so mancher Hinsicht für uns ein Tränental ist, wird es für Gott das Erste sein, uns zu trösten. Lazarus liess bei seinem Tod seinen armen Leib voller Geschwüre auf der Erde zurück, und sogleich wurde seine Seele im Schoss Abrahams «getröstet». Und wenn wir dann alle im Leib der Herrlichkeit in den Himmel einziehen, wird Gott «jede» Träne, jede Spur von Kummer von den Augen der Seinen abwischen. Sie werden nie mehr weinen, denn «der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen» (Off 21,4).

Wenn wir das alles überdenken, dürfen wir auf die Frage: «Sind dir zu wenig Tröstungen Gottes?» (Hiob 15,11) wohl die Antwort geben:

  • Dein Nahsein mich erfreuet,
    dass ich die Müh nicht acht;
    und wenn der Feind mir dräuet,
    beschützt mich deine Macht.
     
  • Mein Herz, von dir erfüllet,
    geht froh den Pilgerpfad;
    aus deinem Herzen quillet
    mir Friede, Freud und Gnad.