«Ich sage aber: Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen … Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln» (Gal 5,16.25).
Im Geist wandeln – dazu also sind die Christen aufgerufen, die aus dem Geist geboren sind und Leben empfangen haben.
Im Geist wandeln – was bedeutet dies eigentlich?
Im angeführten Kapitel wird es dadurch deutlich gemacht, dass auf den Gegensatz zwischen Geist und Fleisch hingewiesen wird: «Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt» (Gal 5,17).
Jeder der Gläubigen lebt fortwährend in dieser Gegensätzlichkeit. Geist und Fleisch in ihm sind sich nicht ähnlich, sondern einander entgegengesetzt. Die in den Versen 19-21 aufgezählten «Werke des Fleisches» sind von der «Frucht des Geistes» (Vers 22) völlig verschieden, so dass es nicht schwer fällt, die Richtung zu erkennen, in welcher der Geist uns führen will. Selbst wenn sich das Fleisch «religiös» gibt oder «herzliche Liebe» bezeugen will, lässt sich der wachsame Christ nicht täuschen. Hätte er einmal Schwierigkeit, das Fleisch zu entlarven, so kommt ihm das Wort Gottes, das Schwert des Geistes zu Hilfe. Dieses ist ein unfehlbarer Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens und schneidet so scharf, dass es Seele und Geist scheiden kann (Heb 4,12).
Wer den Geist besitzt und dem Herrn angehört, ist nicht im Zweifel darüber, ob er im Geist oder im Fleisch wandeln soll. Gottes Wort setzt bei ihm voraus, dass er eine geistliche Haltung einnimmt. Die Gegensätzlichkeit der beiden Wege soll ihm dauernd helfen, den Weg zu erkennen und zu gehen, den der Heilige Geist ihn führen will. Der Gegensatz ist da, «damit ihr nicht das tut, was ihr wollt», das heisst, was der Eigenwille, das Fleisch will.
Aber müssen wir uns nicht anklagen, dass wir zu wenig «vom Heiligen Geist erfüllt» sind? Und ist dies nicht eine Folge davon, dass wir zu wenig «im Geist wandeln»? – Wie sollte uns dies ein ernstes Anliegen sein!
Dieser erste Punkt in Galater 5 war eigentlich ein negatives Merkmal der Leitung des Geistes in unserem persönlichen Leben. Aber lasst uns auch die positiven Merkmale beachten!
In der Schrift werden dem Heiligen Geist verschiedene Titel beigefügt, die eine besondere Seite seines Wesens zum Ausdruck bringen. Wandelt der Gläubige im Geist, wird dieser also weder durch die Gesinnung noch durch die Wirksamkeit des Fleisches oder durch unrichtige menschliche Zielsetzung gehindert, so kann Er sich gemäss seinen Eigenschaften entfalten, und diese kommen dann – wenn auch in Schwachheit – im Leben des Christen zum Ausdruck.
Lasst uns dafür in aller Ehrfurcht ein Bild gebrauchen: Angenommen, ich besitze ein schnelles, feuriges Pferd. Ich spanne es an meinen Wagen. Sobald ich die Bremsen lockere und ihm die Zügel freigebe, wird es gemäss seinen Eigenschaften, seinem Temperament und seiner Kraft davongaloppieren.
So wird der «Geist der Wahrheit» (Joh 14,17 usw.) entsprechend dieser Eigenschaft im und durch den Gläubigen wirken. Er wird ihn «in die ganze Wahrheit leiten» (Joh 16,13), damals durch den Dienst der Apostel und jetzt durch «das Wort der Wahrheit», das sie – getrieben von dem Heiligen Geist (2. Pet 1,21) – vollendet haben. Er wird dann auch allezeit in genauer Übereinstimmung mit diesem Wort im und durch den Gläubigen tätig sein. Ist dieser jedoch unaufrichtig und unwahr, oder hält er Irrtümer fest, so muss der Heilige Geist in ihm diesem Zustand entgegenstreiten, statt ihn zu segnen, Er muss ihn zurecht bringen statt ihn zu einem gesegneten Dienst benützen zu können.
Er ist auch der «Geist der Liebe» (2. Tim 1,7). «Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist» (Röm 5,5). Als solcher wohnt Er in mir, auch wenn ich Ihn nicht fühle. Wenn Er nicht durch meine Selbstsucht und andere fleischliche Triebe gehemmt wird, kann Er die Liebe in mir beleben und mich antreiben, sie zu bezeugen und in Liebe zu dienen. Sowenig aber Wahrheit und Liebe in dem Heiligen Geist in Widerstreit sind, sowenig ist dies auch in seinen Auswirkungen der Fall. Unser Herr Jesus war als Mensch ganz vom Geist erfüllt, und bei Ihm kamen Wahrheit und Liebe uneingeschränkt und vollkommen zum Ausdruck: Wie liebte Er seine Jünger, sein Volk und auch die Sünder! Das hinderte Ihn aber nicht, die Jünger zu tadeln, den Tempel mit einer Geissel aus Stricken zu reinigen und die Heuchelei der Pharisäer blosszulegen. Auch das war Liebe.
Er ist ferner ein Geist der Kraft (2. Tim 1,7), so dass sich der Gläubige vor dem Zeugnis für den Herrn, vor seiner Nachfolge und vor den Aufgaben, die Er uns stellt, nicht zu fürchten braucht, sowenig wie Timotheus vor der grossen Verantwortung, die ihm nach dem Weggang des grossen Apostels zufiel, zurückschrecken musste. Paulus schrieb ihm: «Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, seines Gefangenen, sondern leide Trübsal mit dem Evangelium, nach der Kraft Gottes.» Der Geist löst im Herzen des Christen nicht nur ein Gefühl der Kraft aus, sondern ist eine Kraft Gottes in ihm, eine in ihm wohnende göttliche Person, die ihn befähigt, den Pfad des Gehorsams zu gehen und die von Gott zubereiteten Werke zu tun. Er ist die «Kraft aus der Höhe» (Lk 24,49), mit der auch wir «angetan» worden sind. Lasst uns dies im Glauben festhalten!
Um «im Geist wandeln» zu können, ist es auch wichtig, die Ziele seiner Wirksamkeit zu kennen.
Vor allem ist Er auf die Erde herabgekommen, um die Herzen der Gläubigen in so lebendiger Weise mit Christus in der Herrlichkeit zu beschäftigen, dass sie, in Ihm gewurzelt und gegründet, zu Ihm hin wachsen und ganz von Ihm erfüllt sind. Wir singen mit Recht:
- Du bist bei uns mit deinem Geist
– welch wunderbare Nähe –,
der so lebendig sich erweist,
wie wenn man selbst dich sähe!
So sagt der Herr von dem Geist: «Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen»… «Der Sachwalter … wird von mir zeugen» (Joh 16,14; 15,26). Wie oft haben wir es schon erlebt, wie der Geist unsere Herzen erwärmt hat, wenn wir über die herrliche Person unseres Herrn nachsannen!
Schliesslich sei noch auf einen Vers auf der letzten Seite der Bibel hingewiesen: «Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm!» (Off 22,17). Der Geist, der in der Versammlung Gottes auf der Erde und auch im einzelnen Gläubigen wohnt, wird täglich betrübt und in seiner Wirksamkeit gehindert durch die Parteiungen und die Zersplitterung unter den Kindern Gottes und durch ihren praktischen Zustand. Er sehnt sich, die Versammlung aus dieser Welt heraus ihrem Herrn zuzuführen, auch weil Er das Verlangen Christi kennt, der mit Ausharren darauf wartet, seine Braut bei sich zu haben. Wenn auch wir uns nach seinem Kommen sehnen, so sind wir also in Übereinstimmung mit dem Heiligen Geist und wandeln in Ihm.
Ja, lasst uns treu «im Geist wandeln», damit Er hier auf der Erde seine Frucht in uns wirken kann: «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit …», zum Zeugnis in der Welt, zur Ehre Gottes und zur Freude dessen, der uns durch sein Blut für Gott erkauft hat!