Das grosse Geheimnis der Gottseligkeit

1. Timotheus 3,14-16

Der Apostel Paulus hatte sich vorgenommen, sich mit Timotheus zu treffen. Er teilte ihm mit: «Dies schreibe ich dir in der Hoffnung, bald zu dir zu kommen; wenn ich aber zögere, damit du weisst, wie man sich verhalten soll im Haus Gottes» (1. Tim 3,14.15). Timotheus brauchte nicht auf die Ankunft des Paulus zu warten, um über die Weise unterwiesen zu werden, wie man sich verhalten soll im Haus Gottes. Für uns ist es nicht der Apostel Paulus, den wir erwarten, sondern der Herr selbst! Er wird kommen. Wenn Er noch wartet, ist es darum, weil die Zeit der Langmut Gottes noch nicht abgelaufen ist. Aber während seiner Abwesenheit haben wir das Wort, das uns lehrt, wie wir uns in dem Haus Gottes zu verhalten haben.

Um welches Haus Gottes handelt es sich? Für die Israeliten war es der Tempel. Er besteht nicht mehr, aber heute gibt es in dieser Welt ein anderes Haus, das Haus Gottes genannt ist. Es ist die Versammlung. Sie besteht aus allen Gläubigen, nicht nur den wenigen, die sich da oder dort versammeln, sondern aus allen Erlösten, wo sie sich auch befinden mögen. Alle zusammen bilden dieses Haus, in dem Gott wohnt. Es wird die Versammlung des lebendigen Gottes genannt. Er kann in dieser Welt nur in der Versammlung wohnen. Die ganze Menschheit liegt sonst im Tod. Dieser ist durch den Ungehorsam in die Welt gekommen. Aber Gott ist lebendig; Er hat sein Haus, und dieses Haus ist die Versammlung, von der das Wort erklärt, dass sie der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit sei. Es wird uns nicht gesagt, dass sie es sein sollte, sondern dass sie es ist. Und wenn wir nicht mehr verwirklichten, dass sie der Pfeiler der Wahrheit ist, hörten wir gemeinsam auf, die Charakterzüge der Versammlung Gottes zu tragen. Um diese göttliche Wahrheit zu bewahren, müssen wir sie kennen, und das ist die Verantwortung, die wir haben. Die Aufgabe eines Pfeilers ist, etwas zur Schau zu stellen. Die Wahrheit ist uns anvertraut worden, und wir haben sie weit oben auf dem Pfeiler zu halten, sie zu unterstützen und zu verteidigen. Es handelt sich nicht um eine unserem Gutdünken überlassene Kleinigkeit. Gott hat uns mit dieser Verwahrung beehrt. Wir haben das Wort; unsere Verantwortung ist also, es auf dem Pfeiler aufrechtzuhalten und es nicht zu verbergen, wie der Mann im Gleichnis, der sein Talent in der Erde vergrub.

Gott offenbart im Fleisch

Die im 15. Vers erwähnte Wahrheit ist im 16. Vers beschrieben. Christus ist die Wahrheit. Er wird uns hier in wunderbarer Weise vorgestellt: Gott offenbart im Fleisch, der Sohn Gottes, Gott selbst als Mensch in diese Welt gekommen – das ist die Wahrheit, die wir vorzustellen haben. Und dieses «Geheimnis der Gottseligkeit ist gross».

Im Wort ist von vielen Geheimnissen die Rede: vom Geheimnis der Versammlung (Eph 3,3), vom Geheimnis der Wiederkunft des Herrn (1. Kor 15,51), vom Geheimnis des Glaubens (1. Tim 3,9). In den Briefen werden noch andere Geheimnisse genannt, aber es sind enthüllte Geheimnisse; wogegen zu sagen ist, dass das Geheimnis der Gottseligkeit, das der Person Christi selbst, das Geheimnis des Mensch gewordenen Sohnes Gottes so gross ist, dass wir es jetzt und nie erfassen können.

Das Wort wurde in Christus inmitten der Menschen gesehen. In Ihm war die ganze Fülle der Gottheit und wurde in seiner Person offenbart. Und doch gab es nichts in Ihm, «dass wir ihn begehrt hätten». Er wird der Arme genannt. Er gesellte sich zu den Geringen, Er, der Sohn Gottes, durch den alle Dinge geschaffen worden sind, und das einzige, was man von seinem Äusseren sagen konnte, war dies: «entstellt war sein Aussehen, mehr als irgendeines Mannes» (Jes 52,14). Er, dessen Angesicht durch Leiden gekennzeichnet wurde, war es, der gekommen ist, die Beziehungen des Menschen mit Gott aufzurichten. Durch Ihn haben wir es jetzt mit Gott zu tun; in Ihm ist Er unser Gott geworden: das ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Es ist ein Leben, das in Beziehung steht zu Gott durch Christus.

Werden wir je verstehen, welcher Art und wie tief die Erniedrigung des Herrn gewesen ist? Er war der Mann der Schmerzen, nicht nur ein Mann, sondern der Mann der Schmerzen. Er ist weiter hinabgestiegen, als wir es waren, um uns erheben und aus dem Sumpf ziehen zu können, in den wir eingesunken waren.

ist das Geheimnis der Gottseligkeit nicht gross? Wir haben uns an diese Dinge gewöhnt und reden leicht vom Herrn Jesus, als in diese Welt gekommen. Aber wir gehen so wenig in die Tiefen und in die Grösse dieses Geheimnisses ein, das wir nicht ergründen, aber wofür wir anbeten können: Gott offenbart im Fleisch, Gott Mensch geworden.

Die Menschen wollten immer Gott sehen. Wie viele Ungläubige fordern: Zeigt mir Gott, und ich werde glauben. Welche Anmassung, zu meinen, den sehen zu können, der die Himmel erfüllt! Und doch hat sich Gott von den Menschen sehen lassen; in gewissem Sinn hat Er den Wunsch der Menschen erfüllt. Sie konnten Gott in Christus sehen, zwar nicht in der Weise, die sie erwartet hatten. Er ist ihnen nicht in einem Palast, sondern in einem Stall erschienen. Sein Thron war ein Kreuz. Das war es, was die Menschen sahen und auch was sie mit Gott selbst gemacht haben, der Mensch geworden ist, «Gott offenbart im Fleisch». Wenn Gott unsichtbar ist – in Christus konnten die Menschen Ihn sehen, Ihn berühren, und sie haben an Ihm getan, «was irgend sie wollten».

Gerechtfertigt im Geist

Wenn Gott Mensch geworden ist, so war der Mensch Christus Jesus auch Gott. Die Stimme Gottes selbst liess sich aus den Himmeln vernehmen, um zu bezeugen: «Dieser ist mein geliebter Sohn» (Mt 3,17). Er, der der Arme genannt wurde, war auch der Gerechte. Er war der Einzige, in dem gar nichts der Vollkommenheit Gottes selbst widersprach, und doch war Er uns gleich, ausgenommen die Sünde. Die Sünde konnte Ihn nicht erreichen. Er war der Gerechte, und trotzdem haben Ihn die Menschen nicht angenommen. Der Hauptmann, der Jesus am Kreuz sterben sah, hat erklärt: «Wahrhaftig, dieser Mensch war gerecht» (Lk 23,47). Und der gleiche Hauptmann konnte hinzufügen: «Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn» (Mt 27,54). In seinem ganzen Leben wurde Er gerechtfertigt im Geist. In 3. Mose 2 finden wir ein schönes Bild dieses vollkommenen Lebens im Speisopfer. Dieses Opfer sollte mit Öl gemengt sein, und das ist es, was wir im ganzen Leben des Herrn finden. Das Evangelium zeigt uns Jesus als Sohn des Menschen, und wir sehen dort ganz besonders, wie der Geist in Ihm die Vollkommenheit seiner Menschheit rechtfertigt.

Gesehen von den Engeln

Die Menschen haben Ihn gesehen, aber auch die Engel haben Ihn betrachtet. Welch ein Schauspiel für sie! Im 6. Kapitel seines Buches sah Jesaja den Himmel geöffnet und den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen. Seraphim standen über Ihm. Sie konnten die Herrlichkeit ihres Gottes nicht betrachten, sondern verhüllten ihr Angesicht in seiner Gegenwart. In Bethlehem aber konnten die Engel den sehen, den sie einst mit den Worten verherrlichten: «Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen» (Verse 2-3). Sie verkündigten nun den Hirten seine Geburt (Lk 2,10-14). Wir können hinzutreten und dort den Lobpreis dieser Engel hören, für die das auch ein grosses Geheimnis war. Sie, die im Himmel in Gegenwart ihres Gottes ihr Angesicht bedeckten, betrachteten Ihn jetzt in der Krippe als kleines Kind. Warum war Er hier? Er kam in diese Welt, um das Werk des Heils zu vollbringen. – In den Evangelien ist mehrmals von Engeln die Rede, die Ihm dienten, und besonders dann, wenn der Herr in grösster Erniedrigung war. Nach seinem vierzigtägigen Fasten, als Ihn hungerte, kamen Engel und dienten Ihm. In Gethsemane erschien ein Engel, um Ihn in seinem heftigen Kampf zu stärken, damit das menschliche Gefäss dabei nicht zerbrach, und Er war doch sein Meister und sein Gott! Bei der Gruft, am Tag der Auferstehung, sind es nochmals zwei Engel, die bezeugten, dass der Herr das Grab verlassen habe. Er wurde «gesehen von den Engeln».

Gepredigt unter den Nationen

Daraufhin wurde Er gepredigt unter den Nationen. Welche Gnade! Gekommen als Messias für sein Volk, wurde Er verworfen. Aber allen denen, die Ihn aufnahmen, gab Er das Recht, Kinder Gottes zu werden (Joh 1,11.12). Ausserhalb des Volkes Israel hatte Er keine Verheissung gegeben. Wir übrigen aus den Nationen hatten kein Recht. Aber jetzt wird das Geheimnis unter den Nationen gepredigt. Solange der Tag der Gnade währt, wird dieses grosse Heil in der Welt verkündigt. Der als Mensch in diese Welt gekommen ist, wurde sogleich und wird immer noch gepredigt.

Geglaubt in der Welt

In uns selbst haben wir nicht die Fähigkeit, zu glauben. Der Glaube ist eine Gabe Gottes. Das Heil, das wir besitzen, kommt von Ihm; wir haben es empfangen. Wie manchmal habe ich, wenn ich meine eigene Geschichte betrachte, dem Zuruf des Herrn widerstanden, bis Er mich gefunden hat! Aber, Gott sei gelobt! Dieser Glaube ist heute das Teil aller, die auf seinen Ruf geantwortet haben.

Aufgenommen in Herrlichkeit

Er ist geglaubt worden in der Welt, aber auch aufgenommen in Herrlichkeit, als letzter Akt dieses Geheimnisses. Der Mensch Christus Jesus ist aus den Toten auferstanden und lebt jetzt als Mensch im Himmel. Er ist dort als Erstling der Auferstehung, und wir werden Ihn in der Herrlichkeit wiederfinden. Er war Gott auf der Erde, und Er ist jetzt Mensch im Himmel. Ja, es gibt einen Menschen im Himmel: den Herrn Jesus Christus, der uns seinen rührenden Wunsch mitgeteilt hat: «damit sie meine Herrlichkeit schauen» (Joh 17,24). Ihn sehen, bei Ihm sein, seine Herrlichkeit teilen! Das ist es, was uns durch seine Gegenwart im Himmel zugesichert ist. Das Wort sagt uns wenig vom Himmel und vom Paradies, dem Aufenthaltsort der Gläubigen. Aber eines, was wesentlich ist, sagt es uns: der Herr ist dort. Er erklärt dem Schächer: «Heute wirst du mit mir im Paradies sein». Das hat diesen Armen mit Freude erfüllt. Mit Ihm! Jedes Mal, wenn der Herr von seinem Kommen spricht, um uns zu holen und in den Himmel einzuführen, geht es nicht um die Schönheit des Himmels, sondern um seine Gegenwart. In der Herrlichkeit ist der Mensch Christus Jesus. Er ist hingegangen, um uns dort eine Stätte zu bereiten, in der Herrlichkeit, wo Er selbst ist. Gott hat Ihm erklärt: «Setze dich zu meiner Rechten …» (Psalm 110,1). Dort befindet sich jetzt der Herr, und dort hat Ihn Stephanus gesehen. Er sah den geöffneten Himmel und den Herrn in der Herrlichkeit, zum Wiederkommen bereit, wenn die Menschen das Zeugnis der Apostel durch den Heiligen Geist angenommen hätten. Wir werden Ihn dort sehen, auf dem Haupt viele Diademe tragend, wovon jedes einer besonderen Herrlichkeit entspricht, die Er sich in dieser Welt erworben hat.

Gebe uns der Herr, Ihn allezeit vor unseren Augen zu haben. Wir können das Geheimnis seiner Menschheit nicht ergründen. Aber es geht weniger darum, es zu ergründen, als darum, Ihn anzubeten.