Eine Wurzel alles Bösen

1. Timotheus 6,10

Von jeher hat «die Geldliebe», jene Wurzel alles Bösen im menschlichen Herzen gewohnt. Die «Lust des Fleisches» wie auch die «Lust der Augen» oder der «Hochmut des Lebens» (1. Joh 2,15-16) können den Menschen zu dieser schrecklichen Leidenschaft führen, die so weit gehen kann, dass ein Gläubiger «sein Leben verliert», während ein Ungläubiger immer weiter mitfortgerissen wird auf dem Weg zur ewigen Verdammnis. Ist es nicht so, dass in den heutigen Tagen dieser Durst nach Reichtum grösser ist als je? Er empfängt Auftrieb durch den materiellen Fortschritt und durch die tiefgreifenden Veränderungen der Lebensbedingungen. Der Feind weiss diese Begierden des menschlichen Herzens meisterhaft zu benutzen, um viele Ungläubige unter seiner Macht zu halten und manche Gläubige daran zu hindern, das christliche Leben zu führen, zu dem sie berufen worden sind, indem sie verwirklichen, dass der wahre «Gewinn» die «Gottseligkeit mit Genügsamkeit» ist (1. Tim 6,6).

Die Geldliebe bringt gewisse Begierden des menschlichen Herzens zum Vorschein. Das Geld erlaubt seinem Besitzer in weitgehendem Mass nach seinem eigenen Gutdünken zu handeln. Gewiss, es sind ihm Grenzen gesetzt; unter dieser Einschränkung gibt ihm das Geld die Möglichkeit, sich das, was er will, anzueignen und das zu tun, was ihm gefällt. Aus diesem Grund wollen viele reich werden, ein «Fallstrick», der auch einem Gläubigen zum Verhängnis werden kann (1. Tim 6,9). Selbst wenn bei einem Gläubigen nicht der Wunsch vorhanden gewesen ist, reich zu werden, und Gott ihm Reichtum anvertraut, so kann auch ihm dieser Besitz zum Schaden gereichen, wenn er nicht, wie der Apostel Paulus, in der Schule Gottes «gelernt» hat, «Überfluss zu haben» (siehe Phil 4,11-12). Ach, wie oft schon war «der Überfluss» der Anfang einer abschüssigen Bahn, und wie müssen wir über unser Herz wachen, wenn «der Reichtum wächst» (Ps 62,11)!

Die Macht des Geldes geht noch weiter: das Geld regiert die Welt. Es öffnet den Weg zur Befriedigung jeder Art von Begierde nach Besitz und Herrschaft, es ist der Nährboden für den Ehrgeiz, die Selbstsucht und für den Stolz des menschlichen Herzens. Dies alles zeugt davon, dass der Mensch von niemandem abhängig sein will, am wenigsten von Gott. Ist es möglich, dass solche Gefühle auch in einem Gläubigen wohnen? Ach, unsere natürlichen Herzen bleiben immer die gleichen, und wenn wir uns von unseren Begierden beherrschen lassen, könnten auch wir von derselben Geldliebe mitfortgerissen werden, die völlig im Gegensatz steht zur Entfaltung der Abhängigkeit von Gott und unseres Vertrauens auf Ihn, der verheissen hat, uns tagtäglich alles zu geben, was wir nötig haben (vgl. Mt 6,24-34). Kein Gläubiger wagt zu sagen, er komme ohne Gott aus, und doch handelt er manchmal so. Von einem solchen Gläubigen hat man den Eindruck, dass er nur das eine Ziel vor Augen habe: «viele Güter» aufzuhäufen «auf viele Jahre», um sich, wie er meint, mit diesen seinen einzigen Mitteln die Zukunft zu sichern. Dadurch verliert er den Segen einer beständigen Abhängigkeit von Gott, wie sie in dem Gebet, das der Herr seine Jünger lehrte, zum Ausdruck kommt: «Unser nötiges Brot gib uns heute» (Mt 6,11).

Die Macht des Geldes hat noch andere Folgen: es bestimmt in vielen Fällen die Beziehungen der Menschen untereinander. Der Besitzer von Reichtum übt nur allzu leicht eine mehr oder weniger bewusste Herrschaft über die aus, die in irgendeiner Weise von ihm abhängig sind. Dieser Einfluss des Geldes, selbst wenn er nicht gewollt ist, kann die, die diesem Einfluss unterworfen sind, zu einem Verhalten führen, das anders ist, als es sein sollte. Es mag manchmal so weit kommen, dass sie, gegen ihren Willen, von einem Menschen abhängig werden, anstatt nur von Gott abhängig zu bleiben, und vielleicht in diesen Umständen so handeln, dass ihr vom Wort Gottes erleuchtetes Gewissen gestraft wird.

Der Einfluss des Geldes hat sogar seine bemühenden Folgen im Dienst des Herrn! Es mag auf den ersten Anblick scheinen, dass der Dienst leichter und fruchtbarer getan werden könnte, wenn man über die nötigen Mittel verfügte. Es mag auch scheinen, dass der Diener viel mehr vollbringen würde, wenn er nicht einen Teil seiner Zeit dazu verwenden müsste, für sich und seine Familie den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern genügend Geld hätte, um sich frei zu bewegen, ohne durch irdische Beschäftigungen aufgehalten zu werden. Dies alles ist sehr einleuchtend, wenn man die Dinge nur vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet. In der Tat, dies ist für einen Diener manchmal ein sehr gefährlicher Fallstrick, und es kann sein, dass dies für seinen Dienst ein Hindernis ist und nicht, wie er hoffte, eine Hilfe.

Wir haben in der Schrift in dieser Hinsicht einige wertvolle Belehrungen. Der Apostel Paulus, als Zeltmacher mit seinen Händen arbeitend, diente dem Herrn deswegen nicht weniger eifrig und fruchtbar (vgl. Apg 18,3-11). Am Ende seines öffentlichen Dienstes angekommen, erinnerte er die Ältesten von Ephesus daran, wie seine Hände nicht nur seinen persönlichen Bedürfnissen, sondern auch «denen, die bei ihm waren» gedient hatten. Ja noch mehr, er übte sich auch in der Wohltätigkeit (vgl. Apg 20,33-35). So hat also Paulus sowohl für seine persönlichen Bedürfnisse als auch für die seiner Reisebegleiter gearbeitet und endlich auch um «sich der Schwachen anzunehmen». Hat dies seinen Dienst für den Herrn beeinträchtigt? Ist beim Apostel je der Gedanke aufgekommen, dass er besser zu dienen vermöchte, wenn ihm grosse Mittel zur Verfügung stünden? Man braucht unter den vielen einschlägigen Stellen nur Apg 20,17-27.31; 1. Kor 15,10; 2. Kor 11,23-33 zu lesen, um eine Ahnung zu bekommen von der grossen Tätigkeit des Apostels und ihren Resultaten.

Es ist wohl so, dass er den Korinthern ins Gedächtnis rief, wie «der Herr für die, die das Evangelium verkündigen, angeordnet, vom Evangelium zu leben», doch wollte er von diesem Recht keinen Gebrauch machen (vgl. 1. Kor 9,1-23). Ohne Zweifel hat er von gewissen Versammlungen Gaben erhalten, und mit welcher Dankbarkeit nahm er sie entgegen! (vgl. 1. Phil 4,15-20). Aber diese Gaben nahm er nicht so sehr für seinen Lebensunterhalt an, obwohl es einige Male geschehen sein mochte (2. Kor 11,8); sie bedeuteten ihm vielmehr ein Zeichen der Gemeinschaft im Dienst, der Gemeinschaft der Versammlung mit dem Apostel und der Gemeinschaft des Apostels mit der Versammlung. War eine Versammlung in einem schlechten Zustand, konnte Paulus von ihr nichts annehmen; so wollte er zum Beispiel von den Korinthern nichts empfangen, und er wünschte, ihnen auch in keiner Weise zur Last zu sein: «Und ich hielt mich in allem euch unbeschwerlich und werde mich so halten» (2. Kor 11,9 – vgl. auch 12,14). Welch ein Beispiel und welch eine Belehrung für uns! Um seinen Dienst zu erfüllen, zählte der Apostel nicht auf das Geld, auf die Macht des Geldes und auf die Möglichkeiten, die es verschafft. Mit einem lebendigen Glauben vertraute er auf den Herrn, der selber das Nötige an Zeit, an Erleichterungen, an körperlicher und moralischer Kraft, an geistlichen Hilfsquellen zu geben weiss. Er ist es, der die Türen öffnet, und die, die Er gesandt hat, leitet und stärkt. Der Diener rechnet allein mit dem Herrn, der ihn mit allem Nötigen versieht und ihm auch Grenzen setzt, die sowohl für den Diener wie auch für die, denen er zu dienen sucht, gut sind. Man tut wohl, diese Grenzen zu beachten, denn es hat sich noch immer gezeigt, dass man es mit der Macht des Feindes zu tun bekommt, wenn man «eine Mauer einreisst» (Pred 10,8). Eine übergrosse Tätigkeit ist nicht immer das Zeichen eines sehr nutzbringenden und gesegneten Dienstes.

Da der Apostel nichts mit der Macht des Geldes zu tun hatte, verwirklichte er in seinem Dienst die Macht des Glaubens oder besser gesagt, die Macht Gottes, und er ermahnt uns, seine Nachahmer zu sein, wie er ein Nachahmer Christi war. Was müssen wir erst sagen, wenn wir den vollkommenen Diener betrachten! Hat er je nötig gehabt, von jenen Mitteln, die das Geld verschafft, Gebrauch zu machen? War er je diesem Einfluss unterworfen oder war er je abhängig von seiner Macht, Er, der nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte, und der nicht ein einziges Geldstück besass, um die Tempelsteuer zu zahlen? (Mt 8,20; 17,24-27).

«Reich werden wollen» bedeutet, vom Geist dieses Zeitlaufs angesteckt zu sein, es bedeutet, in Versuchung und Fallstrick zu fallen «und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, die die Menschen versenken in Verderben und Untergang» (1. Tim 6,9).

«Reich werden wollen» führt zur Versuchung, auf eine Weise zu handeln, die nicht immer richtig ist, ja die sogar bisweilen den Stempel der Unehrlichkeit trägt, wo Gott nicht mehr dabei sein kann. Wie manche sind es, «die sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben», weil die Geldliebe in ihren Herzen Platz gefunden hat! Und wer vermag zu ermessen, wie viel Böses die Macht des Geldes im Dienst für den Herrn schon angerichtet hat, indem sie ein Hindernis war für die Entfaltung der Macht Gottes als Antwort auf den Glauben des Dieners?

Dass doch niemand sich gewinnen oder mitfortreissen lasse von der «Geldliebe»! Er stünde in Gefahr, am Ende seiner irdischen Laufbahn bekennen zu müssen, dass er sein Leben verloren hat. Glückselig anderseits der, der eine wahre Glaubensabhängigkeit an den Tag legt und von Gott alles Nötige für seine äusseren Bedürfnisse empfängt, indem er sein Vertrauen nicht auf die Güter setzt, die ihm geschenkt sind, «sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss» (1. Tim 6,17-19)!