David und Saul

So traurig sich die Geschichte Sauls mit David liest, so schön liest sich die Geschichte Davids mit Saul. Während Saul gewohnt war, seinen eigenen Willen durchzusetzen, suchte David den Willen Gottes zu tun. Und damit entsprach er genau dem Profil, das sich Gott bei einem König für sein Volk vorstellte: Er «hat sich einen Mann gesucht nach seinem Herzen» (1. Sam 13,14). Er fand ihn und konnte ihm das Zeugnis geben: «Ich habe David gefunden, den Sohn Isais, einen Mann nach meinem Herzen, der meinen ganzen Willen tun wird» (Apg 13,22).

Ein Blick auf seine Biographie zeigt, wie er in der Schule Gottes allmählich heranreifte, und zwar ganz besonders durch die Leiden, die er unter der Hand Sauls durchmachen musste. Dabei offenbarte er eine Gesinnung, wie sie schöner nicht sein könnte. Dadurch ist er ein leuchtendes Vorausbild auf den Herrn Jesus.

Wenn wir der Reihe nach durch die Ereignisse gehen, die Davids Reaktionen auf Sauls Feindseligkeiten betreffen, finden wir folgende Stationen:

David bleibt rein und unschuldig

Als Saul seinem Sohn Jonathan eröffnete, «dass er David töten wolle,» konnte Jonathan zu Gunsten Davids sagen: «Er hat nicht gegen dich gesündigt, und seine Taten sind dir sehr nützlich» (1. Sam 19,1.4). Und David konnte Jonathan in die Augen blicken und fragen: «Was habe ich getan? Was ist meine Ungerechtigkeit, und was meine Sünde vor deinem Vater, dass er nach meinem Leben trachtet?» (20,1). Genauso konnte der Herr Jesus seine Feinde fragen: «Wer von euch überführt mich der Sünde?» (Joh 8,46). Sie mussten Ihm die Antwort schuldig bleiben!

David trauert aufrichtig

Als Jonathan seinem Freund David eröffnete, dass es vonseiten seines Vaters beschlossene Sache sei, ihn zu töten, weinten sie zusammen, «bis David über die Massen weinte» (1. Sam 20,41). Er sagte kein Wort. Seine Tränen drücken alles aus. Seine Haltung weist auf Den hin, «der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet» (1. Pet 2,22.23).

David nimmt die Schuld auf sich

Als ihm die schreckliche Nachricht zu Ohren kam, dass Saul den Priester Ahimelech und die Seinen ermordet hatte, nahm er gegenüber Abjathar die ganze Schuld auf sich: «Ich bin schuldig an allen Seelen des Hauses deines Vaters» (1. Sam 22,22).

David bleibt abhängig von Gott

Als er erfuhr, dass Saul ihn in Kehila belagern wolle, ging er «nicht mit Fleisch und Blut zu Rate», sondern befragte den Gott Israels. Gott liess sich von ihm erbitten und gab ihm eine klare Antwort, so dass er sich rechtzeitig absetzen konnte. Unser Herr Jesus konnte sagen: «Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst» (Joh 11,41.42).

David bleibt ruhig und sachlich

Als Saul die gleiche Höhle betrat, in der sich David mit seinen Männern versteckt hielt, raunten sie ihm zu: «Siehe, das ist der Tag, von dem der HERR zu dir gesagt hat: Siehe, ich werde deinen Feind in deine Hand geben, und tu ihm, wie es gut ist in deinen Augen. Und David stand auf und schnitt heimlich einen Zipfel vom Oberkleid Sauls ab. Aber es geschah danach, da schlug David das Herz, weil er den Zipfel vom Oberkleid Sauls abgeschnitten hatte; und er sprach zu seinen Männern: Der HERR lasse es fern von mir sein, dass ich so etwas an meinem Herrn, dem Gesalbten des HERRN, tun sollte, meine Hand gegen ihn auszustrecken; denn er ist der Gesalbte des HERRN. Und David wehrte seinen Männern mit diesen Worten und liess ihnen nicht zu, sich gegen Saul zu erheben» (1. Sam 24,5-8).

David liess sich von Gottesfurcht und einem empfindsamen Gewissen leiten, indem er die Autorität, die Gott Saul als König gegeben hatte, voll anerkannte. Er wollte sich nicht an diesem Mann versündigen, sondern übergab seine Rechtssache «Dem, der gerecht richtet». Er offenbarte eine edle Gesinnung, indem er zu Saul sagte:

«Mein Herr König! … Warum hörst du auf die Worte der Menschen, die sagen: Siehe, David sucht dein Unglück? Siehe, an diesem Tag haben deine Augen gesehen, dass der HERR dich heute in der Höhle in meine Hand gegeben hat. Und man sagte mir, ich solle dich töten; aber mein Auge verschonte dich, und ich sprach: Ich will meine Hand nicht gegen meinen Herrn ausstrecken, denn er ist der Gesalbte des HERRN!›

Und sieh, mein Vater, ja, sieh den Zipfel deines Oberkleides in meiner Hand! Denn dass ich einen Zipfel deines Oberkleides abgeschnitten und dich nicht getötet habe, daran erkenne und sieh, dass nichts Böses in meiner Hand ist, noch ein Vergehen, und dass ich nicht an dir gesündigt habe; du aber stellst meinem Leben nach, um es zu nehmen. Der HERR richte zwischen mir und dir, und der HERR räche mich an dir; aber meine Hand soll nicht gegen dich sein. Wie der Spruch der Vorväter sagt: Von den Gottlosen kommt Gottlosigkeit; aber meine Hand soll nicht gegen dich sein.

Hinter wem zieht der König von Israel her? Wem jagst du nach? Einem toten Hund, einem Floh!  So sei denn der HERR Richter und richte zwischen mir und dir; und er besehe es und führe meine Rechtssache und schaffe mir Recht aus deiner Hand!» (24,9-16).

David bleibt gottesfürchtig und das Böse meidend

Auch beim nächsten Mal, als Saul auf den Rat der Siphiter hin mit 3000 Männern gegen David ins Feld zog, offenbarte er die gleiche Gesinnung: «Warum doch verfolgt mein Herr seinen Knecht? Denn was habe ich getan, und was für Böses ist in meiner Hand? Und nun höre doch mein Herr, der König, auf die Worte seines Knechtes: Wenn der HERR dich gegen mich aufgereizt hat, so möge er ein Speisopfer riechen; wenn es aber Menschenkinder sind, so seien sie verflucht vor dem HERRN, weil sie mich heute vertrieben haben, dass ich mich dem Erbteil des HERRN nicht anschliessen darf, indem sie sprechen: Geh hin, diene anderen Göttern!›

So möge nun mein Blut nicht zur Erde fallen fern vom Angesicht des HERRN! Denn der König von Israel ist ausgezogen, einen Floh zu suchen, wie man einem Rebhuhn nachjagt auf den Bergen … Der HERR wird jedem seine Gerechtigkeit und seine Treue vergelten; denn der HERR hatte dich heute in meine Hand gegeben, und ich wollte meine Hand nicht ausstrecken gegen den Gesalbten des HERRN» (26,18-20.23). David weigerte sich standhaft, Böses zu verüben.

Davids Gefühle sind echt

Nachdem Saul auf dem Gebirge Gilboa in einer Schlacht mit den Philistern gefallen war und ein Amalekiter David die angebliche Ermordung mitteilte – um die Kopfprämie einzustreichen –, liess David ihn umbringen und stimmte ein Klagelied über Saul und seinen Sohn an: «Töchter Israels, weint um Saul» (2. Sam 1,24). Keine Spur von Schadenfreude, keine Spur von Rachegedanken. Und das im Blick auf einen Mann, der ihm mehr zu Leide getan hatte, als sonst einer!

Das Geheimnis Davids

Ein Blick ins Buch der Psalmen zeigt uns sein Geheimnis, wodurch er sich eine solche Gesinnung erworben hatte: durch den verborgenen Umgang in seinem Herzen mit seinem Gott. Zum Beispiel Psalm 59,17.18: «Ich aber will singen von deiner Stärke und am Morgen jubelnd preisen deine Güte; denn du bist mir eine hohe Festung gewesen und eine Zuflucht am Tag meiner Bedrängnis. Dir, meine Stärke, will ich Psalmen singen; denn Gott ist meine hohe Festung, der Gott meiner Güte.»

Er hatte Gott vor sich gestellt und nicht den Menschen. Zum Beispiel Psalm 63,2.3: «Gott, du bist mein Gott! Früh suche ich dich. Es dürstet nach dir meine Seele, nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und lechzenden Land ohne Wasser – so wie ich dich angeschaut habe im Heiligtum –, um deine Macht und deine Herrlichkeit zu sehen.»

Dieser vertraute Umgang mit dem lebendigen Gott bewahrte ihn vor einem Fehltritt im Umgang mit einem verkehrten Menschen, so dass er beten konnte: «Ich wasche meine Hände in Unschuld und umgehe deinen Altar, HERR, um hören zu lassen die Stimme des Lobes und um zu erzählen alle deine Wundertaten» (Ps 26,6.7).