Maria Magdalene und die ihr anvertraute Botschaft

Johannes 20,17-18

Das Herz von Maria Magdalene schlug wirklich für ihren Herrn und Heiland. Ihre ganze Zuneigung gehörte Ihm allein. Einer solchen Person offenbart Er sich nicht nur, Er führt sie auch in die Geheimnisse seines Herzens ein. Zudem kann Er sie in seinem Dienst gebrauchen. So wird Maria Magdalene eine grosse Ehre zuteil: Sie darf die Überbringerin göttlicher Geheimnisse an die Jünger sein.

Zweifellos war Maria wie die anderen Jünger in jenem Augenblick unwissend, aber ihre Liebe zum Herrn war real. Und durch die Liebe vermögen wir in die Wahrheit einzugehen. Einige Jahre später konnte der Apostel Paulus bittend beten, dass wir in Liebe gewurzelt und gegründet seien, «damit ihr völlig zu erfassen vermögt» (Eph 3,17.18).

Es scheint, dass Maria Magdalene die Erste war, die die Ergebnisse der Auferstehung des Herrn verstand. Bei ihr sehen wir die Empfindungen des zukünftigen treuen Überrests der Juden. Sie wollte sich an ihren auferstandenen Herrn klammern und Ihn als Messias festhalten. Sie dachte wohl, dass Er jetzt, nachdem Er nicht mehr in Niedrigkeit, sondern in Auferstehungsherrlichkeit zurückgekommen war, seinen Platz als rechtmässiger Universalerbe auf der Erde einnehmen werde.

Aber Maria und der Überrest müssen lernen, dass Gott vor den Herrlichkeiten des Reiches noch grössere Herrlichkeiten für Christus und unendlich reichere Segnungen für sein Volk bereit hat. So sagte der Herr zu Maria: «Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.»

Auf diese Weise machte der Herr ihr klar, dass Er nicht mehr «angerührt» oder nach dem Fleisch gekannt werden konnte, weil Er nicht mehr in einer Beziehung zur Erde und zu einem irdischen Reich stand. Es ging jetzt darum, Ihn in einer neuen und himmlischen Beziehung kennen zu lernen.

Im Weiteren spricht der Herr von seinen Jüngern als von «meinen Brüdern». So hat Er sie früher nie genannt. Doch durch seinen Tod hat Er sie geheiligt, so dass Er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen (Heb 2,11). Ähnlich wie im Hohenlied, wo die Braut bezeugen kann: «Ich bin meines Geliebten; und mein Geliebter ist mein» (Kap. 6,3), kann Maria aus der Liebe ihres Herzens heraus sagen: «meinen Herrn». Und der Herr Jesus antwortet gemäss der Grösse seiner Liebe, indem Er die Seinen «meine Brüder» nennt.

Daraus lernen wir, dass die Seinen in neue und himmlische Beziehungen eingeführt werden. Der Herr redet nicht nur davon, dass Er in den Himmel auffahren und so die Erde verlassen werde. Er spricht davon, dass Er zu einer Person zurückkehren werde: zum Vater, mit dem Er uns durch sein Erlösungswerk in eine Beziehung gebracht hat, die der seinen entspricht. Er kann sagen: «mein Vater, euer Vater», «mein Gott, euer Gott». Er geht zurück, um uns vor dem Vater zu vertreten. Und wir sind hier gelassen, um Ihn vor der Welt zu repräsentieren.

Maria hatte ein grosses Vorrecht: Sie wurde dazu benutzt, diese neuen und himmlischen Segnungen den Jüngern mitzuteilen. Damit wird eine Wahrheit, die wir nur mit Mühe lernen und auch schnell wieder vergessen, noch einmal vor uns gestellt: Es gefällt dem Herrn, sich der Schwachen und Niedrigen als Werkzeuge zu bedienen, um die erhabensten Dienste für Ihn auszuführen. Wie oft hat ein grosses Werk Gottes durch etwas begonnen, das in den Augen der Menschen klein und schwach war. Das Christentum ist durch ein kleines Kind, in einer Krippe liegend, eingeführt worden. Das Reich Gottes begann mit einem Senfkorn. Und die neuen himmlischen Beziehungen der Glaubenden wurden durch eine Frau in Tränen übermittelt.

In Maria sehen wir das, was für den Herrn Jesus so kostbar ist: ein ungeteiltes Herz voller Liebe zu Ihm. Einer solchen Person kann Er sich offenbaren, sie zum Verständnis göttlicher Wahrheiten führen und sie in seinem Dienst gebrauchen. Der Niedergang (der Ruin) der Versammlung in ihrer Verantwortung, wie uns dies in den sieben Sendschreiben in Offenbarung 2 und 3 vorgestellt wird, hat in Ephesus mit einem Dienst, dem die reine Liebe des Herzens fehlte, begonnen. Sie endet mit einem Verständnis, bei dem das Herz unbeteiligt ist. Das blosse Verständnis wird niemals das Herz berühren. Ohne Zweifel aber wird das Herz Verständnis erlangen, denn der Herr liebt es, dem, der durch die Liebe angezogen wird, Verständnis in seine Gedanken zu geben.

Wir können uns in den göttlichen Belangen eine grosse Erkenntnis aneignen. Wenn diese aber unsere Herzen nicht zu Christus lenkt und sie nicht Ihn in uns zur Gestaltung bringt, dann wird diese Erkenntnis nur die Eitelkeit des Fleisches nähren. «Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut» (1. Kor 8,1).

Zu Beginn der christlichen Zeitperiode war die persönliche Liebe zum Herrn das, was vor allem anderen seine Anerkennung fand. Aber diese individuelle Liebe zu Ihm bleibt auch das, was der Herr am Ende sucht, auch dann, wenn durch den Verlust der ersten Liebe unter unseren Händen alles ruiniert worden ist.

Wenn Er sich inmitten des Niedergangs zum letzten Mal an die Seinen wendet, dann ist es, um uns an seine Liebe zu erinnern und eine Antwort unserer Liebe zu suchen. So hören wir Ihn sagen: «Ich überführe und züchtige, so viele ich liebe. Sei nun eifrig und tu Buße! Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir» (Off 3,19.20).

Er verlangt keine grossen Opfer und keinen besonderen Dienst, die von der Welt wahrgenommen werden und die uns in den Augen der Menschen erheben. Vielmehr sucht Er ein Herz, das auf seine Liebe antwortet und das so in die Gemeinschaft mit Ihm eingeführt wird. Einem solchen Herzen wird Er die Tür zu einem Dienst öffnen können. Doch es wird ein aus der Liebe entströmender Dienst sein.