«Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder empfange, was er in dem Leib getan hat, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses» (2. Kor 5,10).
Das Thema des Richterstuhls ist sicher sehr ernst, aber gleichzeitig auch sehr gesegnet, vor allem wenn wir es richtig verstehen. Ich glaube, dass dort jede Tat unseres Lebens offenbar werden wird. Aber ebenso werden dann auch die Gnade Gottes und seine Wege mit uns, entsprechend unseren Taten, bekannt werden. Ich glaube, dass vor dem Richterstuhl die Gesamtheit unserer Handlungen detailliert vorliegen wird. Doch wir werden dann nicht mehr im Fleisch sein. Darum wird uns dies alles nicht mehr verurteilen. Aber es wird unseren Augen die Gnade zeigen, die sich mit uns beschäftigt hat – als Glaubende oder als wir noch ungläubig waren.
Im Ratschluss Gottes waren wir vor Grundlegung der Welt auserwählt. Deshalb denke ich, dass unsere persönliche Geschichte ausführlich vor dem Richterstuhl erscheinen wird. Aber parallel dazu wird sich die Geschichte der Gnade und Barmherzigkeit Gottes gegenüber jedem von uns herrlich entfalten.
Warum und wie wir dieses oder jenes getan haben, wird dann offenbart werden. Die Szene wird für uns einen erklärenden, keinen richterlichen Charakter tragen. Wir sind vor Gott nicht mehr im Fleisch. Aus Gnaden sind wir in seinen Augen mit Christus gestorben. Doch dann werden wir sehen, dass wir, als wir fleischlich gelebt haben, einen Segen verloren haben. Wir werden erkennen, welchen Verlust wir erlitten haben. Auf der anderen Seite werden wir dann zum ersten Mal alle Wege Gottes mit uns – alle Wege der Weisheit, der Barmherzigkeit und der Gnade – vollkommen erkennen und verstehen. Unsere persönliche Geschichte wird dann völlig transparent sein. Es wird gesehen werden,
- wie weit wir für Ihn gelebt haben und wie Er uns bewahrt hat,
- wie unser Fuss ausgeglitten ist und wie Er uns wieder aufgerichtet hat,
- wie wir uns einer Gefahr oder einer Schande näherten und wie Er bewahrend eingriff.
Ich glaube, dass die Braut sich am Richterstuhl bereiten wird (Off 19,7). Ich halte dies für einen wunderbaren Augenblick. Dort wird es kein Fleisch, keine alte Natur mehr geben, die verurteilt werden muss. Vielmehr wird unsere neue Natur die Fürsorge und Liebe, die uns in wahrer Heiligkeit, in Gerechtigkeit und auch in Gnade Schritt für Schritt durch unser ganzes Leben hier auf der Erde begleitet haben, völlig erkennen.
Gewisse Episoden unseres Lebens, die bis dahin völlig unerklärlich waren, werden dann völlig enthüllt und ganz verständlich werden. Gewisse Neigungen unserer Natur haben wir vielleicht als nicht so verdorben und schlimm beurteilt, wie sie sind. Der Herr hat uns deswegen vielleicht gezüchtigt, um uns dahin zu führen, sie abzulegen. Doch wir konnten diese Züchtigung nicht richtig deuten. In jenem Moment wird auch so etwas vollkommen geklärt werden. Und was noch mehr ist: Sogar unsere Fehltritte und Stürze, die uns bittere Qual bereitet haben, werden dann als das gesehen werden, das Gott benutzt hat, um uns vor Schlimmerem zu bewahren.
Ich glaube, dass wir erst am Richterstuhl des Christus – nicht vorher – zu einer vollen Erkenntnis der Verdorbenheit unseres Fleisches kommen werden. Wie gesegnet für uns zu wissen, dass, während wir jetzt in den Augen Gottes nicht mehr im Fleisch sind, das Fleisch uns dann nicht mehr länger anhaften wird.
Anderseits zweifle ich nicht daran, dass die Offenbarung der Gnade Gottes zu uns persönlich so gross sein wird, dass sogar das Bewusstsein der Verdorbenheit des Fleisches von der Grösse des Bewusstseins der göttlichen Güte überwältigt werden wird. Oh, warum weisen wir das Fleisch nicht zurück und verurteilen seine Auswüchse nicht kategorisch, wenn wir an jene Stunde denken? Der Herr schenke es uns, dass wir dies mehr und mehr zur Verherrlichung seiner Gnade tun. Das grosse Thema des Richterstuhls bringt uns zu einer wirklich vollen Erkenntnis unserer persönlichen Stellung «in Christus» vor Gott durch Gnade.