Als der Herr Jesus dieses Gleichnis erzählte, stand Er am Ende seines öffentlichen Dienstes und seines Lebens auf der Erde. Es sind also letzte Worte von Ihm, und diese haben ein besonders Gewicht. Wenn ein Mensch abscheidet, hinterlässt er oft einen letzten Willen oder er äussert sonstige letzte Worte, die die Hinterbliebenen genau beachten wollen. Ist es hier nicht ähnlich?
Mit diesem Gleichnis, in dem Er selbst vor uns tritt, möchte Er unsere Herzen erreichen, damit sie wieder mehr für Ihn brennen. Denken wir an die Emmaus-Jünger, deren Herzen durch Ihn und seine Worte entzündet, ja, entflammt wurden. Wir wollen unsere Herzen diesen Worten öffnen, damit sie zum gleichen Ergebnis führen können.
An wen richtet der Herr dieses Gleichnis?
Markus 11 und 12 zeigen, dass Er sich an seine Gegner, an seine Feinde, die Hohenpriester und Schriftgelehrten wendet, die in Judäa das Sagen hatten. Diese elitäre Gruppe in Israel hat schon immer an dem Mann aus Nazareth Anstoss genommen (Kap. 11,18; 12,12).
Zu dieser Gruppe spricht der Herr Jesus dieses Gleichnis kurz vor seiner Gefangennahme.
Warum Gleichnisse (Mehrzahl)?
Obwohl es in Vers 1 heisst: «Er fing an, in Gleichnissen zu ihnen zu reden», berichtet der Evangelist Markus nur von einem. Tatsache ist, dass der Herr Jesus in diesem Zusammenhang noch andere Gleichnisse erzählt hat. Im Matthäus-Evangelium wird das Gleichnis von den zwei Kindern dem Gleichnis vom Weinberg und den Weingärtnern vorangestellt (Mt 21,28-32), während das Gleichnis von der königlichen Hochzeitsfeier diesem folgt (Mt 22,1-14). Der Herr hat also in diesem Zusammenhang mindestens drei Gleichnisse erzählt. Eins davon – vielleicht das wichtigste – wird im Markus-Evangelium berichtet.
Warum überhaupt Gleichnisse?
Wenn unser Heiland in Gleichnissen spricht, benutzt Er ganz alltägliche Ereignisse, wie sie im normalen menschlichen Leben vorkommen, und gibt ihnen einen geistlichen Sinn. Das gilt für alle Gleichnisse in der Bibel.
Hier hat ein Gutsbesitzer einen Weinberg, den er an Weingärtner verpachtet und dann ausser Landes reist. Um von der Ernte des Weinbergs seinen Anteil einzufordern, sendet er Knechte zu den Pächtern. Aber diese geben ihnen nichts. Die Abgesandten des Gutsherrn werden sogar geschlagen und getötet. Vier Personengruppen spielen darin eine Rolle: der Besitzer des Weinbergs, sein geliebter Sohn, die Weingärtner und die Knechte des Gutsherrn.
Die Fabel unterscheidet sich vom Gleichnis. Sie ist eine erfundene Geschichte, in der der Verfasser Tiere oder Gegenstände reden lässt. Sie enthält ebenfalls einen geistlichen Sinn. In Richter 9 erzählt Jotham, der jüngste Sohn Gideons, eine Fabel. Darin lässt er Bäume sprechen.
Die geistliche Bedeutung dieses Gleichnisses
Das vorausgehende Gleichnis von den zwei Kindern illustriert uns das menschliche Verhalten Gott gegenüber. Das Gleichnis vom Weinberg und das vom König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete, zeigen uns das Verhalten Gottes gegenüber den Menschen. So ist Gott!
Gleichnisse sind etwas für Leute, die «draussen» sind, d.h. die noch keine geordnete Beziehung zu Gott haben (Mk 4,11.12). Doch dieses Gleichnis spricht auch zu uns Glaubenden.
Ein Mensch pflanzte einen Weinberg. Der Besitzer des Weinbergs ist hier ein Bild von Gott.
In Jesaja 5,1-7 wird erklärt, dass der Weinberg Israel ist. Dieser Weinberg brachte schlechte Beeren, also keine Frucht für Gott. Sowohl Jesaja als auch Markus erwähnen einen Turm und eine Kelter in jenem Weinberg. In unserer Stelle ist zusätzlich noch die Rede von einem Zaun. Gott umgab sein Volk mit einem Zaun und setzte Wächter dorthin, denn der Turm ist der Inbegriff von starker Bewachung.
Dieser Weinberg wurde von seinem Besitzer an Weingärtner verpachtet. Was bedeutet es aber, dass dieser Mensch ausser Landes reiste? Dadurch entstand eine Distanz zwischen ihm und dem Weinberg mit den Weingärtnern. Auf das Geistliche übertragen heisst das: Es entstand eine Distanz zwischen Gott und seinem irdischen Volk, zwischen Gott und dem natürlichen Menschen. Das charakterisierte unsere Situation vor der Bekehrung: Wir waren auf Distanz zu Gott. Das ist erschütternd.
Gott sucht Frucht
Der zweite Vers redet davon, was dieser Mensch, also Gott, getan hat. Zur bestimmten Zeit sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von ihnen «von den Früchten des Weinbergs in Empfang nehme». Was sind diese Früchte? Ihr Endprodukt ist Wein oder Most. Die Bibel sagt, dass beides zur Freude von Menschen und von Gott ist.
Gott wünschte also Früchte von seinem Volk, um sich daran zu freuen. Leider vergebens. Gott möchte als Frucht auch an uns Freude finden. Was sind Früchte, die wir Gott bringen können? Zur Frucht gehört ohne Frage – wenn der Herr es uns schenkt –, dass wir Menschen zu Ihm führen können. Aber ist nur das Frucht? Frucht ist die Verwirklichung, die Wiedergabe, die Repräsentation von Christus in unserem Leben. Das kann in vielfacher Hinsicht sein, auch ganz unauffällig. Aber es ist Frucht für Gott. Er freut sich daran, die Wesenszüge seines geliebten Sohnes in den Seinen zu sehen.
Müssen wir uns anstrengen, Frucht zu bringen? Das wäre kaum die richtige Haltung. Doch wir alle möchten unseren Gott erfreuen. Wie? Wir werden aufgefordert, dem Herrn nachzufolgen, und im Anschauen seiner Person, uns zu vergessen. Dann entsteht Frucht in unserem Leben. Also kein fieberhaftes Streben, um Frucht zu bringen. Wenn der Herr vor unseren Blicken steht, wird Er uns zubereiten, damit wir Frucht für Gott bringen – zu seiner Freude.
Nur kurze Zeit nachdem der Herr dieses Gleichnis den Führern des jüdischen Volkes vorgestellt hatte, redete Er zu seinen Jüngern von sich als dem wahren Weinstock und von Gott, dem Vater, als dem Weingärtner (Joh 15). Auch da geht es um Frucht, die der Vater an den Reben finden möchte. Der Gedanke ist im Prinzip der gleiche wie in Markus 12: Der Vater wünscht bei dir und bei mir, Frucht zu sehen, um sich daran zu freuen.
Nebenbei gesagt: Gehen wir doch einmal in der Schrift dem Gedanken nach, wo und wie der Herr sich freut. Es wird eine schöne Aufgabe sein. Wir sind oft auf unsere Freude fixiert. Wenn wir aber untersuchen, was seine Freude ist, werden auch wir glücklich.
Gott sendet seine Knechte
Im Gleichnis wurden Knechte ausgesandt. Wer waren sie? Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir sagen, dass es die Propheten Gottes waren, die alle schlimm behandelt wurden. Die Schrift sagt, dass viele umgekommen sind (Lk 11,49-51). Hier wird das an den Knechten des Weinbergbesitzers demonstriert. Den einen schlagen sie, er bekommt nichts. Bei einem anderen geht es gewalttätiger zu. Er wird verwundet, entehrt und bekommt auch nichts. Und so geht das weiter.
Das Gleiche kann man beim Lesen des Alten Testaments feststellen. Man hat gesagt, dass diese Verse die moralische Geschichte Israels von Anfang bis zum Ende zeigen. Was Gott wünschte, bekam Er nicht. Der natürliche Mensch ist weder bereit noch fähig, Gott etwas zu geben. Das ist tragisch.
Das Gleichnis von der königlichen Hochzeit (Mt 22) zeigt, dass der Mensch auch nicht bereit ist, von Gott etwas zu empfangen.
So verbohrt sind wir! So gross ist die Distanz zwischen Gott und uns, zwischen dem Herrn und uns! Er musste alles tun, um diese Distanz zu überwinden. Dieses Gleichnis zeigt uns das Bemühen Gottes in der vorchristlichen Zeit, Frucht bei seinem Volk zu finden.
Der geliebte Sohn
Dann kam der Herr Jesus, Gottes geliebter Sohn. Die moralische Mitte dieses Abschnitts ist der 6. Vers. Man möchte den Scheinwerfer auf dieses Wort richten. Ich denke, dass der Herr Jesus hier mit grosser innerer Bewegung sprach, als Er so von sich redete: «Da er nun noch einen geliebten Sohn hatte, sandte er ihn als Letzten zu ihnen.» Er spricht von den Empfindungen, die Er von der Liebe Gottes, von der Liebe seines Vaters hatte. Es lohnt sich, über diese Liebe nachzudenken:
- In Matthäus 12,18 spricht Gott von seinem Geliebten.
- Nach Epheser 1,6 sind wir begnadigt oder angenehm gemacht in seinem Geliebten.
- Kolosser 1,13 sagt, dass wir in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzt sind.
- Wie inhaltsreich sind die einfachen Worte in 2. Johannes Vers 3: der Sohn des Vaters! Der Herr Jesus ist dieser Sohn des Vaters, der von Ewigkeit her in seinem Schoss war und diesen nie verlassen hat.
Unser Herr genoss diese Liebe des Vaters, diese Beziehung der Liebe zwischen Vater und Sohn in vollem Mass. Können wir uns vorstellen, dass es diese Liebesbeziehung nicht in Ewigkeit gegeben hat, dass der Vater Ihm nicht ewig Vater gewesen sein sollte und der Sohn nicht ewig Sohn gewesen sein sollte, dass hier ein Mangel in dieser Liebesbeziehung vorhanden war? Das ist ganz undenkbar. Jesus spricht selbst davon, dass der Vater Ihn schon vor Grundlegung der Welt geliebt hat. Eine wunderbare Tatsache!
Nun spricht der Herr von dieser Liebe, die Er in dem Augenblick empfunden hat, als der Hass der Feinde besonders deutlich gegen Ihn wurde. Er stellt die Liebe des Vaters zu diesem Sohn dem Hass gegenüber. Das ist seine Reaktion. Darum ist es immer wieder der Mühe wert, über diese wunderbare Person, unseren Herrn und Heiland, nachzudenken.
Die Liebe Gottes, des Vaters, ist ewig. Man möchte von einer vorzeitlichen Liebe sprechen, die der Sohn in der Ewigkeit genossen hat: der Sohn bei dem Vater. Die Schrift spricht an dieser Stelle, in Johannes 17,24 und in Sprüche 8,30 davon. Mit einem Wort: Der Herr genoss und geniesst diese Liebe des Vaters.
Sieben Stellen aus dem Johannes-Evangelium machen deutlich, wie der Gedanke: «Der Vater liebt mich», den Herrn erfüllt hat. Daran hat Er sicher auch gedacht, als Er in Vers 6 davon sprach, dass jener Weinbergbesitzer seinen geliebten Sohn sandte.
- Johannes 3,35: «Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben.» Eine schlichte, einfache Aussage! Johannes 3,16 beginnt mit den Worten: «So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.» Das Wörtchen «so» (d.h. in der Weise, dass …) klingt wie eine gewisse Massangabe, obwohl es kein Mass dafür gibt. Aber in Vers 35 heisst es einfach: «Der Vater liebt den Sohn», ohne irgendein Mass. Das ist unvorstellbar. Der Geist Gottes formuliert das so schlicht, um uns dadurch die Grösse deutlich zu machen.
Als der Hass der Führer des Volkes und leider auch des Volkes selbst wie eine Flut dem Herrn entgegenschlug, da konnte Er sich in der Liebe des Vaters sonnen.
Weiter heisst es, dass der Vater alles in seine Hand gegeben hat. Das finden wir in ähnlicher Form bereits in Matthäus 11,27, wo der Herr selbst sagt: «Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem irgend der Sohn ihn offenbaren will.» Dieser Mann aus Nazareth, dieses Reis aus dürrem Erdreich, war zugleich der Arm Gottes, der alles trug.
Auch in Johannes 13,3 heisst es von Ihm, dass Er aufstand, um den Jüngern die Füsse zu waschen, «wissend, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte». Alles ist in den Händen unseres Herrn, und somit steht alles in seiner Macht. So hat Er das Universum durch sein Wort sozusagen aus dem Nichts herauskommandiert. Jetzt trägt Er alles in seinen Händen, auch uns. - Johannes 5,20: «Der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut.» Gott, der Vater, hat keine Geheimnisse vor dem Sohn. Zwischen ihnen besteht ein so enges Verhältnis, wie man es sich enger nicht denken kann. Beeindruckend ist der Gegensatz: Gott hat alles in seine Hand gegeben, und doch hat Gott Ihn so lieb, dass Er Ihm auch alles zeigt.
Das Wort «lieb haben» unterscheidet sich vom Wort «lieben» in Kapitel 3,35. Das Wort, das mit «lieb haben» übersetzt ist, deutet auf Zuneigung hin, so wie wir sie untereinander, in der Familie, in der Ehe kennen. Zuneigung ist etwas anderes als objektive Liebe. Die ganze Zuneigung des Vaters ist auf diesen Sohn gerichtet. Darum hat Er Ihm alles gezeigt. - Johannes 10,17: «Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme.» Wir haben hier eine Aussage, deren Bedeutung man kaum überschätzen kann. Der Vater liebte den Sohn ewig. Dann kommt Dieser als Mensch auf die Erde und stirbt. Da bekommt der Vater noch ein zusätzliches Motiv, Ihn zu lieben – weil Er gestorben ist.
Er liebte Ihn schon – menschlich gesprochen – von ganzem Herzen. Aber jetzt kommt dieser Sohn und gibt dem Vater einen weiteren Beweggrund, Ihn zu lieben. Das ist eine wichtige Aussage, wenn der Herr Jesus von seinem Tod spricht. – Unser Gleichnis ist wohl das einzige, in dem Er in einer rührenden und berührenden Weise davon spricht. - Johannes 15,9: «Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt.» Der Vater liebt den Sohn, und der Sohn gibt diese Liebe an uns weiter. Die Liebe des Sohnes zu uns misst sich an der Liebe des Vater zu Ihm. So heisst es in Johannes 13,34: «Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebet, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebet.» Unsere gegenseitige Liebe untereinander orientiert sich an der wunderbaren Liebe, die der Vater zum Sohn hat und die der Sohn auch zu uns hat.
- Johannes 17,23: «Damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast.» Im Johannes-Evangelium steht über 40-mal, dass der Vater den Sohn gesandt hat. Der aus dem Himmel Herabgekommene, dieser Fremde aus dem Himmel, dieser Sohn des Vaters ist der Gesandte. Der Herr Jesus bestand mit Bestimmtheit darauf, dass Er der Gesandte von Gott zu uns war.
Weiter sagt Er vom Vater: Du hast mich geliebt und hast sie geliebt. In Kapitel 15 ging es um die Liebe des Sohnes zu uns. Hier ist es die Liebe des Vaters zu uns. Beides orientiert sich an der Liebe des Vaters zum Sohn. Das kann man kaum verstehen, so grossartig ist es. Das erfüllte das Herz unseres Herrn, wenn Er hier im Gleichnis sagt: «Da er nun noch einen geliebten Sohn hatte.» - Johannes 17,24: «Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.» Hier haben wir den ewigen Aspekt der väterlichen Liebe zum Sohn. Wie können wir das erklären? Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Es ist das wunderbare Verhältnis, das der Sohn von Ewigkeit her genossen hat, das wir anbetend in unsere Herzen aufnehmen können.
- Johannes 17,26: «Damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.» Auch hier finden wir die Transformierung, sozusagen das Weiterreichen der Liebe, die der Vater zum Sohn hat, an uns.
Wie beeindruckend sind diese einfachen, schlichten Worte unseres Herrn: «Da er nun noch einen geliebten Sohn hatte.»! Wir haben daneben auch die Worte und Gefühle des Vaters, und zwar beides mit den Worten des Sohnes ausgedrückt. Was heisst das? In Lukas 20, wo wir dasselbe Gleichnis finden, spricht der Herr des Weinbergs als Vater: «Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn senden.» In Sprüche 8,30 sagt die im Sohn Gottes personifizierte Weisheit: «Da war ich Liebling bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit.» In Lukas 20 haben wir die Worte und in Sprüche 8 die Gefühle des Vaters. In beiden Fällen sagt uns dies der Sohn, weil Er es am besten weiss.
Dieses wunderbare Verhältnis der Liebe des Vaters zum Sohn ist die grosse, zentrale Aussage in Markus 12,6.
Die Sendung des Sohnes
Dann heisst es weiter: «Er sandte ihn als Letzten zu ihnen.» Das Wort «senden» umfasst den Komplex der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Dabei dürfen wir daran denken, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, dass Er der Sohn der Jungfrau Maria geworden ist, dass Er unter ärmlichen Verhältnissen geboren wurde, dass Er in eine arme Familie hineingekommen ist.
Und wie weit wurde Er von den anderen Familienangehörigen geschätzt? Einmal kamen sie, um Ihn zu greifen, denn sie sagten: «Er ist ausser sich.» So ärgerlich waren sie über Ihn. Der Herr hat in seiner Familie sicher viel innere Not gelitten. Die Brüder distanzierten sich von Ihm. Johannes 7 und Psalm 69 zeigen etwas von ihrer Einstellung zu Ihm: «Entfremdet bin ich meinen Brüdern, und ein Fremder geworden den Söhnen meiner Mutter.» Diese Worte lassen den Schluss zu, dass das nicht von Anfang an so war. Eine Entfremdung ist ein Prozess. Eines Tages ist sie da. Dann ist man den anderen ein Fremder geworden. Das alles hat der Herr Jesus auf sich genommen. Das ist in den Worten enthalten, dass Gott seinen Sohn sandte.
Dann folgen die äusserst boshaften Worte der Weingärtner: «Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, und das Erbe wird unser sein.» Da war kein Ruben, der wie bei Joseph Einwendungen machte. Man könnte an Joseph von Arimathia denken. Das war ein Jünger Jesu, aber ein furchtsamer Mann. Mit dem Plan der Führungsschicht der Juden war er nicht einverstanden. Ob er mündlich dagegen Stellung nahm, wissen wir nicht. Es heisst einfach: «Siehe, ein Mann, mit Namen Joseph, der ein Ratsherr war und ein guter und gerechter Mann – dieser hatte nicht eingewilligt in ihren Rat und in ihre Tat.» Er war innerlich absolut dagegen. Ob er aber öffentlich dagegen aufgetreten ist, sagt die Schrift nicht ausdrücklich. Der Plan der Führer war: Dieser Jesus muss beseitigt werden! Äusserlich gesehen, hatten sie damit Erfolg.
Die Verwerfung des Sohnes
«Sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn zum Weinberg hinaus.» Bei Matthäus und Lukas ist die Reihenfolge anders. Dort heisst es: «Sie warfen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn.» Der Hinausgeworfene wird getötet. Bei Markus wird der Getötete hinausgeworfen, als ob sie sagten: Das ist nur ein Knecht. Hinaus mit ihm!
Der Herr Jesus war nicht nur wie bei Matthäus als lebender Christus ein Ärgernis. Er war es auch als gestorbener Christus. Das kommt in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte zum Ausdruck. Das Volk wollte auch den gestorbenen Christus nicht. Man hat Ihn hinausgeworfen.
Der Verworfene wird erhöht
Dann kommt das Ende – ein Triumph! Diesem Sohn der Liebe macht Gott nach Matthäus 22 Hochzeit. Damit wird nicht so sehr an die Braut gedacht. Es geht jetzt darum, dass Gott Ihm den Lohn gibt. Jetzt wird der Erniedrigte erhöht, jetzt ist Freude da.
In Markus 12 fügt der Herr die Frage an: «Habt ihr nicht auch diese Schrift gelesen: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein (oder Haupt der Ecke) geworden.‘?» Die Juden haben den Herrn Jesus schlichtweg ermordet. Und wenn wir damals gelebt hätten, hätten wir wohl genauso gehandelt.
Aber jetzt ist Er das «Haupt», der «Wunderbare». Um Ihn allein geht es jetzt. Das ist auch für uns wichtig. Das sollten wir festhalten. Er ist wunderbar in unseren Augen. Wir wollen uns darüber freuen, dass wir einen so grossen Herrn haben. Was Gott von Ihm sagt, ist einfach seine grossartige Verherrlichung. Er hat Ihn mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Auf seinem Haupt fehlt kein Diadem.
Wir dürfen uns schon jetzt darüber freuen, dass auch wir eines Tages besser empfinden werden, wie gross das ist, was Er getan hat. Aber wir werden auch die enge Beziehung vom Vater zum Sohn anbetend bewundern. Wir haben einen Herrn und Heiland, über den es sich nachzudenken lohnt. Ihm wollen wir auch entschieden nachfolgen.