Christliche Freiheit

Galater 5,1

«Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht» (Gal 5,1).

Das ist wirkliche Freiheit. Natürlich wird der Gläubige bald die Freiheit der Herrlichkeit geniessen (Röm 8,21). Aber es ist unser Vorrecht, die Freiheit jetzt zu kennen. Die Wahrheit hat uns frei gemacht. Und wenn der Sohn uns frei macht, sind wir wirklich frei (Joh 8,32.36). Wir lesen auch: «Wo aber der Geist des Herrn ist, ist Freiheit» (2. Kor 3,17).

Der Fehler der Galater war, dass sie Gesetz und Gnade vermischten. Das bringt die Seele in Knechtschaft. Nachdem sie im Geist angefangen hatten, wollten sie jetzt wirklich im Fleisch vollenden oder zur Vollendung gebracht werden? Es ist gut, wenn wir uns daran erinnern, welche Dimensionen diese Schwierigkeit hat und wie verbreitet dieser Fehler ist. Auf seinen Missionsreisen kam der Apostel Paulus öfters in Kollision mit den Juden. In seinen Briefen kämpfte er dauernd gegen die Lehre der Juden, z.B. in den Korinther-Briefen, im Kolosser-Brief, im Brief an Timotheus und an die Hebräer. Im Brief an die Galater ist sein Ton besonders ernst. Da spricht er über solche, die die christliche Freiheit schmälern wollen: Sie seien verflucht!

Aber das Problem ist, wie wir sicher wissen, nicht auf jene Anfangszeit begrenzt. Heute ist das, was den Namen des Herrn Jesus bekennt, weitgehend von den Grundsätzen des Judentums geprägt. Um das Bild zu vervollständigen, müssen wir zugeben, dass wir alle den gesetzlichen Grundsatz, «die Elemente der Welt», in unseren eigenen Herzen tragen.

Mit diesem Artikel möchten wir uns auf eine in der Bibel aufgezeichnete Situation konzentrieren, in der das Problem, das später zum Fehler der Galater führte, im Zentrum stand. Es ist das Konzil in Jerusalem in Apostelgeschichte 15. Um die Besprechung, die damals stattgefunden hat, gut zu verstehen, ist es nötig, einen Blick auf die zwei örtlichen Versammlungen zu werfen, die betroffen waren. Es sind Antiochien und Jerusalem.

Die Versammlung in Antiochien

Diese Versammlung setzte sich vor allem aus Glaubenden zusammen, die aus den Nationen gekommen waren. Wie sie entstanden und gewachsen ist, finden wir in Apostelgeschichte 11,19-26. Auf die Steinigung von Stephanus (Apg 7) folgte eine Verfolgung der Versammlung, so dass die Gläubigen zerstreut wurden. Diese Zerstreuten zogen nach Phönizien, Zypern und Antiochien. Zunächst redeten sie «zu niemand das Wort als nur zu Juden». Doch es gab einige Männer unter ihnen, die von Zypern und Kyrene (Nordafrika) stammten. Diese verkündeten, als sie nach Antiochien kamen, das Evangelium vom Herrn Jesus auch den Griechen, d.h. den Menschen aus den Nationen, mit dem Resultat: «Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine grosse Zahl glaubte und bekehrte sich zu dem Herrn.»

Diese Neuigkeiten gelangten auch zu den Ohren der Versammlung in Jerusalem. Die dortigen Glaubenden sandten Barnabas nach Antiochien. Da sah er die Gnade Gottes und freute sich. Wir können uns nicht näher mit diesem Mann und den geistlichen Eigenschaften beschäftigen, die sich bei ihm zeigten. Gottes Wort sagt von ihm: «Er war ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens; und eine zahlreiche Menge wurde dem Herrn hinzugetan.» Dem Herrn sei Dank, dass es solche Männer Gottes gibt. Möge Er auch in unseren Tagen solche erwecken, die diesem Barnabas gleichen!

Nachdem Barnabas festgestellt hatte, was für ein grosses Werk der Herr hier hatte, erinnerte er sich an Saulus, mit dem er bereits zu tun gehabt hatte (Apg 9,27). Er reiste in das nicht weit von Antiochien entfernte Tarsus. Dort fand er ihn und brachte ihn nach Antiochien. Nun begann eine zwölf Monate dauernde, sehr nützliche und erfolgreiche Belehrung der Jünger. Der grösste Teil von ihnen stammte aus den Nationen. Im Anschluss daran finden wir die interessante Bemerkung, dass die Jünger zuerst in Antiochien «Christen» genannt wurden (Apg 11,26).

Doch das ist noch nicht ganz das Ende der Geschichte. Es war in Antiochien, wo der Heilige Geist sagte: «Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe» (Apg 13,2). Die erste Missionsreise von Paulus begann und endete in Antiochien. Zusammenfassend können wir also sagen, dass Antiochien eine Versammlung war, die vorwiegend aus Glaubenden aus den Nationen bestand. Der Apostel Paulus, dem «das Evangelium für die Nichtbeschneidung anvertraut war, hatte eine enge Beziehung zu jenen Christen und wurde von ihnen sehr geschätzt und geliebt.

Die Versammlung in Jerusalem

Diese Versammlung bestand mehrheitlich aus Juden, die an den Herrn Jesus gläubig geworden waren. Jerusalem war der Ort, den Gott erwählt hatte, um seinen Namen dahin zu setzen. Dort stand der Tempel. Während Jahrhunderten kamen die Juden von überall her zu den jährlichen Festen nach Jerusalem. In der Anfangszeit des Christentums lesen wir, dass eine grosse Menge der Priester dem Glauben gehorsam wurde (Apg 6,7). Als Paulus zum letzten Mal nach Jerusalem kam, sagten die Glaubensbrüder zu ihm: «Du siehst, Bruder, wie viele Tausende es unter den Juden gibt, die gläubig geworden sind, und alle sind Eiferer für das Gesetz» (Apg 21,20). Petrus, der Apostel der Beschneidung, war in Jerusalem, ebenso Johannes. Und es scheint, dass Jakobus eine gewisse Führung in der Versammlung in Jerusalem innehatte (Gal 2,10.12). Wenn die Situationen in diesen beiden örtlichen Versammlungen klar erfasst werden, dann hilft das sehr, die Bedeutung und das Resultat der Besprechung in Apostelgeschichte 15 zu verstehen.

Die Ursache für die Besprechung

In Apostelgeschichte 15,1 heisst es von einigen, die von Judäa nach Antiochien herabkamen und die Brüder lehrten: «Wenn ihr nicht beschnitten werdet nach der Weise Moses, so könnt ihr nicht errettet werden.» Wir begreifen gut, dass daraufhin ein Zwiespalt und eine heftige Diskussion entstanden. Wie dankbar dürfen wir sein, dass es damals Brüder in Antiochien gab, die diese Sache behandeln konnten. Obwohl Paulus ein Apostel war und ihm das Evangelium für die Nichtbeschneidung anvertraut worden war, sollte nicht er diese Lehrer zum Schweigen bringen. Hätte er es doch getan, wäre es bestimmt ruhig geworden. Aber ebenso sicher wäre es dann zu einer Spaltung in der Versammlung gekommen. Die Folge wäre eine Versammlung derer aus den Nationen in Antiochien gewesen, mit Paulus als Führer, und eine Versammlung solcher aus den Juden in Jerusalem, an deren Spitze Petrus oder vielleicht Jakobus als Führer gestanden hätte. Doch der Herr Jesus liebt die Seinen zu sehr, als dass Er eine solche Trennung zugelassen hätte. So wurde angeordnet, «dass Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage». Sie gingen also genau dorthin, woher jene Unruhestifter kamen.

An dieser Stelle müssen wir die zusätzlichen Einzelheiten erwähnen, die wir in Galater 2 finden. Dort heisst es, dass Paulus «infolge einer Offenbarung» hinaufzog. Das war für ihn keine neue Form der Mitteilung. Es ist deutlich, dass Paulus mit Gott diesen Weg ging. Ja, es ist eine Freude zu sehen, wie sie auf dieser Reise Gelingen und keinerlei Probleme hatten. Apostelgeschichte 15,3 berichtet: «Nachdem sie nun von der Versammlung das Geleit erhalten hatten, durchzogen sie sowohl Phönizien als auch Samaria und erzählten die Bekehrung derer aus den Nationen.» Genau das hatten Paulus und Barnabas nach der Rückkehr von ihrer ersten Missionsreise schon getan (Apg 14,27). In Apostelgeschichte 15 wird der Bericht wie folgt fortgesetzt: «Sie machten allen Brüdern grosse Freude. Als sie aber nach Jerusalem gekommen waren, wurden sie von den Aposteln und den Ältesten aufgenommen.» An dieser Stelle müssen wir wieder auf Galater 2 verweisen. Dort sagt Paulus: «Ich legte ihnen das Evangelium vor, das ich unter den Nationen predige, im Besonderen aber den Angesehenen, damit ich nicht etwa vergeblich laufe oder gelaufen wäre … Als sie (die Angesehenen) die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, mir und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft, damit wir unter die Nationen, sie aber unter die Beschneidung gingen.»

Doch nun erscheinen die Gegner. In Galater 2,4 lesen wir von «nebeneingeführten falschen Brüdern, die nebeneingekommen waren, um unsere Freiheit auszukundschaften, die wir in Christus Jesus haben, damit sie uns in Knechtschaft brächten». Einige von den Pharisäern, die glaubten, sagten ebenfalls, dass es nötig sei, die Bekehrten zu beschneiden und ihnen zu gebieten, das Gesetz von Mose zu halten (Apg 15,5). Gegenüber beiden Gruppen sagte Paulus: «Denen wir auch nicht eine Stunde durch Unterwürfigkeit nachgegeben haben.» Zudem wurde Titus, ein gläubig gewordener Grieche, den Paulus von Antiochien nach Jerusalem mitgenommen hatte, nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen (Gal 2,3).

Die Besprechung in Jerusalem

Die Apostel und Ältesten versammelten sich in einer grösseren Zusammenkunft, um diese Angelegenheit zu besehen. Es gab eine heftige Diskussion. Doch dann stand Petrus auf und berichtet wieder das, was bei der Bekehrung von Kornelius geschehen war (Apg 10). Diese Geschichte hatte er schon einmal in Jerusalem erzählt (Apg 11). Er folgerte: «Nun denn, was versucht ihr Gott, indem ihr ein Joch auf den Hals der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten?» Dann schwieg die ganze Menge und hörte Barnabas und Paulus zu, als sie erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott unter den Nationen durch sie getan hatte. Diese Mitteilung war sicher ein Abriss von dem, was wir in Apostelgeschichte 13 und 14 finden. Schliesslich stand Jakobus auf, um eine Zusammenfassung zu geben (Apg 15,13-21). Dabei zitierte er Stellen aus den Schriften des Alten Testaments, um zu bestätigen, dass das, was der Herr jetzt wirkte, in Übereinstimmung mit dem stand, was lange zuvor angekündigt worden war. Gott wollte die Nationen besuchen und aus ihnen ein Volk für seinen Namen nehmen.

Diese Zusammenkunft ist zweifellos ein Modell einer Brüderbesprechung, die mit einer Diskussion begann und in Frieden endete. Leider ist es seither bei Brüderbesprechungen oft umgekehrt zugegangen. Hier aber in Apostelgeschichte 15 war am Ende Frieden. Dann wurde ein Brief geschrieben und durch ausgewählte Männer nach Antiochien gesandt. Es sollte nicht übersehen werden, dass es hier wörtlich heisst: «Es schien den Aposteln und Ältesten samt der ganzen Versammlung gut …» (V. 22). Weiter schrieben sie: «Es schien uns, einmütig geworden, gut … Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen» (V. 25.28).

Wir können gut verstehen, warum ein solcher Brief die Herzen der Briefempfänger erfreute. Er wurde von Gesandten und Brüdern überbracht, «die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus» (V. 26). Diese wurden durch Männer begleitet und unterstützt, die Führer unter den Brüdern waren. Über die Reaktion in Antiochien lesen wir: «Sie versammelten die Menge und übergaben den Brief. Als sie ihn aber gelesen hatten, freuten sie sich über den Trost» (V. 30.31).