Abraham auf der Höhe seines Glaubens

«Abraham sprach zu seinen Knaben: Bleibt ihr hier mit dem Esel; ich aber und der Knabe wollen bis dorthin gehen und anbeten und dann zu euch zurückkehren» (1. Mo 22,5).

In 1. Mose 22 befand sich Abraham auf der Höhe seines Glaubens. Das wird aus obigem Vers deutlich. Nichts in seinen Worten lässt darauf schliessen, dass er unsicher gewesen wäre, ob Isaak wieder mit ihm zurückkomme oder nicht. Mit Glaubensüberzeugung konnte er sagen, dass sie beide hingehen, anbeten und wiederkommen werden.

Abraham ist hier zunächst ein fürsorglicher und weiser Vater. Diese Prüfung war für ihn selbst schwer genug und er zog es in weiser Absicht vor, mit seinem Sohn nicht darüber zu reden, obwohl es um Isaak ging. So war der Sohn ahnungslos, sonst hätte er seinen Vater nicht gefragt: «Wo aber ist das Schaf zum Brandopfer?» (V. 7).

Frühere Erfahrungen mit Gott

Abraham steht hier auf der Höhe seines Glaubens. Um das zu verstehen, müssen wir in seinem Leben etwas zurückblenden. Er wird in der Bibel Freund Gottes genannt. Es ist unter Freunden üblich, dass sie regelmässig Kontakt pflegen. In dieser Gemeinschaft lernen sie sich gegenseitig kennen. So hatte Abraham mit Gott Kontakt und lebte mit Ihm. Dieser Umgang war ihm persönlich wichtig. Er hat sich mit Gott unterhalten und so seine Stimme kennen gelernt. Als der HERR ihn am Anfang dieses Kapitels rief, wusste er sofort, dass Gott zu ihm sprach.

Er antwortete: «Hier bin ich!» Damit zeigte er sich sofort bereit, auf Gottes Anweisungen zu hören und sie auch zu befolgen. Gott konnte Abraham rufen und zu ihm reden. Der Patriarch war darauf vorbereitet.

Eine Begebenheit, wo Abraham mit Gott Gemeinschaft hatte, finden wir in 1. Mose 17. Damals verhiess ihm Gott, dass Er seine Nachkommen sehr mehren werde. Der Allmächtige selbst hatte seinen Namen von Abram (erhabener Vater) in Abraham (Vater einer Menge) geändert. Er hatte ihm zugesichert, seine Frau Sara werde einen Sohn bekommen. An Isaak und seinen Nachkommen würde Er die Verheissung erfüllen und seinen Bund mit ihm errichten (Kap. 17,21).

Abraham hielt das in jenem Augenblick nicht für möglich, denn er lachte. Er und seine Frau waren bereits über die geeignete Zeit des Alters hinaus, um noch ein Kind zu bekommen. Aber Abraham sollte lernen, dass bei Gott alle Dinge möglich sind.

Als der HERR Abraham das Gericht über Sodom und Gomorra ankündigte, wird ein weiteres Mal die Gemeinschaft dieses Glaubensmannes mit Gott sichtbar. Der HERR selbst wollte ihn über dieses Gericht informieren (1. Mo 18,16-21). Als Abraham hörte, dass es um Sodom und Gomorra ging, dachte er sofort an seinen Neffen Lot. Deshalb suchte er das Gespräch mit Gott und so entstand eine Unterhaltung zwischen ihnen (1. Mo 18,22-33). Gott kannte Abrahams Gedanken und wusste, dass es ihm um Lot ging und dieser ihm am Herzen lag.

Welche Erfahrung machte Abraham? Gott «gedachte an ihn» (1. Mo 19,29). Er hatte die Stadt nicht mit dem Gerechten (Lot) verdorben, sondern das Gericht so lange zurückgehalten, bis Lot ausser Reichweite war. Erst dann kam das Gericht, denn es gab keinen Gerechten mehr darin. Abraham hatte gelernt, dass Gott gerecht ist, indem Er den Gerechten nicht mit dem Gottlosen umkommen lässt.

Diese Erfahrungen lehrten Abraham, dass Gott ihn niemals enttäuschen werde. Als ihn die Prüfung in Kapitel 22 traf, war sein Vertrauen in Gott durch das Erlebte gestärkt und gefestigt. Er hatte erfahren, dass Gott hält, was Er verspricht und dass er sich auf Ihn verlassen konnte. Abraham war in der zurückliegenden Zeit im Glauben gewachsen. Sein Leben wurde durch diese Erfahrungen mit Gott geprägt. Daraus schliessen wir, dass Abraham sich hier auf der Höhe seines Glaubens befand. So beginnt das Kapitel mit den Worten: «Und es geschah nach diesen Dingen.» Das ist wie ein Abschluss des Vorhergeschehenen.

Wir kennen heute Stellen wie Psalm 102,28: «Du aber bist derselbe (der da ist, der unveränderlich in sich selbst Bestehende) und deine Jahre enden nicht.» Weil Gott derselbe ist, steht Er zu seinem Wort. Deshalb sind seine Verheissungen fest und sicher. Würde Gott seine Zusagen abändern, wäre Er nicht Derselbe. Er wäre nicht Gott. Er würde sich selbst widersprechen. Doch Gott widerspricht sich nie. Sein Wort bleibt ewig bestehen. Der Herr Jesus sagte einmal: «Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen» (Lk 21,33). Das Wort Gottes steht fest in den Himmeln. Gott bleibt treu, denn Er kann sich selbst nicht verleugnen (2. Tim 2,13).

Solche Stellen kannte Abraham damals nicht. Er besass noch keine Bibel wie wir. Trotzdem zeichnete ihn sein Glaube und sein Vertrauen auf Gott, den Allmächtigen, aus. Er wusste, dass Er zu seinem Wort steht und seine Zusagen niemals abändert. Gott hatte ihn bis dahin nicht enttäuscht und er hatte das volle Vertrauen, dass Er es auch jetzt und in Zukunft nicht tun werde. Gott hatte ihm die Verheissung gegeben und er vertraute ganz einfach darauf, dass sie eintreffen werde.

Wie die Sache ausgehen würde, wusste Abraham wohl nicht – dass im entscheidenden Augenblick der Engel des HERRN eingreifen würde. Doch er wusste, dass er es mit Gott zu tun hatte, der ihn nie enttäuscht hatte. Deshalb konnte er ohne Zögern sagen, dass sie beide zurückkommen würden. In diesem Vertrauen zog er den Weg mit Isaak zum Ort, den Gott ihm gewiesen hatte.

Morija

Abraham hatte das Feuer und das Messer in seiner Hand, während Isaak das Holz trug. Der Sohn hatte folgerichtig erkannt, dass sie zu einer Opferung gingen. Doch es war ihm nicht entgangen, dass das Wichtigste fehlte. Als er seinen Vater nach dem Schaf fragte, antwortete Abraham nur: «Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer, mein Sohn.» Mehr sagte er nicht.

Er zögerte nicht, diese Antwort zu geben. Er musste nicht erst in seinem Herzen überlegen. Seine Antwort beweist seinen festen Glauben und sein volles Vertrauen in Gott.

Was mag sein Herz beschäftigt haben, als sie sich diesem Ort näherten? Wie schwer muss es für ihn gewesen sein, seinen Sohn zu binden und auf das Holz zu legen! Doch dann griff Gott ein, indem der Engel des HERRN Abraham rief. Sofort antwortete er: «Hier bin ich!» Er war permanent bereit, auf die Stimme Gottes zu hören. Im nächsten Augenblick wäre Isaak gestorben, denn Abraham hatte das Messer bereits in der Hand. So verhinderte der Engel des HERRN im entscheidenden Moment, dass Isaak sterben musste, und bezeugte Abraham seinen Gehorsam zu Gott (V. 12).

Gott hatte dabei bereits an seinen eigenen Sohn und dessen Opfer gedacht. Jenes Opfer war einzigartig, was Gott in seinem Wort deutlich hervorhebt (Heb 10,10.14). Gott verhinderte den Tod Isaaks, um die Einzigartigkeit des Todes seines eigenen Sohnes deutlich zu machen. Er sorgte für einen Ersatz in Form eines Widders, der sich im Gestrüpp verfangen hatte. Diesen konnte Abraham anstelle seines Sohnes opfern.

Mit welcher Freude und Dankbarkeit im Herzen wird Abraham dieses Tier geopfert haben! Er hatte einmal mehr erfahren, dass Gott zu seinem Wort steht und sein Versprechen hält.

Als Folge dieses Gehorsams rief Gott ihn ein weiteres Mal und versprach ihm, dass Er ihn reich segnen und seine Nachkommen sehr mehren werde, wie die Sterne des Himmels und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist.

In Vers 18 spricht Gott in der Einzahl von «deinem Nachkommen». Dieser Nachkomme ist Christus (Gal 3,16). Welche Freude muss es für Gott gewesen sein, dass Er seinem Freund Abraham etwas von der Person mitteilen konnte, die im Zentrum seiner Gedanken steht: Christus! In Ihm werden alle Nationen der Erde gesegnet werden. Dazu gehören auch wir.

Gott war es wichtig, diese Szene in sein Wort aufzunehmen. Sie wird noch einmal in Hebräer 11 erwähnt. Der Schreiber des Hebräer-Briefs teilt uns mit: «Wobei Abraham urteilte, dass Gott auch aus den Toten aufzuerwecken vermag» (Heb 11,19). Welch ein Glaube!

Wir kennen heute Begebenheiten aus der Bibel, in denen Tote auferweckt wurden (den Sohn der Witwe in Zarpat durch Elia; den Sohn der Sunamitin durch Elisa). In den Evangelien lesen wir, dass der Herr Jesus Tote auferweckt hat (die Tochter von Jairus, den Jüngling von Nain, Lazarus). Weiter wissen wir, dass Gott den Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat (Apg 2,32; 3,15; Röm 6,4; 2. Tim 2,8; Heb 13,20). Das sind für uns heute handfeste Beweise für die Macht, mit der Gott Tote auferweckt.

Doch im ersten Buch Mose finden wir keine Begebenheit, bei der jemand aus den Toten auferweckt wurde. Abraham konnte sich also auf keine zurückliegenden Ereignisse stützen. Aber Er vertraute Gott auch ohne einen solchen Beweis. Er glaubte, dass Gott ihm Isaak wiedergegeben hätte, wenn dieser tatsächlich hätte sterben müssen, denn er hatte die Zusage der Verheissung. Darauf stützte er sich und vertraute vollkommen. Er wusste, dass er es mit Gott zu tun hatte. Deshalb urteilte er, dass Gott aus den Toten aufzuerwecken vermag. Aus diesem Vertrauen heraus konnte er überzeugt sagen: «Ich aber und der Knabe wollen dorthin gehen und anbeten und dann zu euch zurückkehren.»

Möge dieser Patriarch uns darin ein Vorbild sein. «Denn die Augen des HERRN durchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist» (2. Chr 16,9). Gott bekennt sich immer zu denen, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen. Wir haben es immer noch mit dem Gott Abrahams zu tun, der ewig derselbe bleibt. Er hat Abraham für seinen Glauben belohnt und ihn reich gesegnet (V. 12-18). Er wird sich uns gegenüber nicht anders verhalten.

Im Gegensatz zu Abraham besitzen wir heute das ganze Wort Gottes. Wir können den Glauben derer betrachten, die uns vorangegangen sind. Doch wir wollen es nicht beim Betrachten bewenden lassen, sondern nach Hebräer 13,7 handeln: «Den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach.»