Am Ende des 70 Jahre dauernden Exils des irdischen Volkes Gottes in Babel kehrte ein Überrest der Juden nach Juda und Jerusalem zurück. Sie standen nacheinander unter der Führung von Serubbabel, Esra und Nehemia. Doch auf allen Seiten gab es Schwierigkeiten. Starke Feinde bedrängten sie von aussen. Sie hatten Missernten, und von innen machte sich tiefe Entmutigung breit.
In Esra 4 wird uns die traurige Geschichte berichtet, wie die Arbeit am Wiederaufbau des Tempels eingestellt wurde. Doch dann sprach Gott durch die Propheten Haggai und Sacharja zu seinem Volk. Weil zweifellos gottesfürchtige Leute über den traurigen Zustand beschwert waren, übte das Wort des HERRN nun seinen Einfluss auf die Situation aus. Es sah aus, als ob die Umstände und der Druck von aussen zum Baustopp geführt hätten. Doch in Wirklichkeit fehlte es an der Entschiedenheit des Herzens unter dem Volk Gottes.
«Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während das Haus des Herrn wüst liegt?» (Hag 1,4).
Der HERR erweckte den Geist Serubbabels und den Geist des Überrests des Volkes, so dass sie kamen und den Bau wieder in Angriff nahmen. Trotzdem blieben einige reale Schwierigkeiten, denen sie gegenüberstanden – Schwierigkeiten, die auch uns nicht unbekannt sind. Deshalb muss die Antwort des HERRN durch den Mund des Propheten auch uns interessieren.
Auffallend ist, dass dieses prophetische Wort am 21. Tag des siebten Monats an das Volk erging (Hag 2,1). Das war der letzte Tag des siebentägigen Laubhüttenfests, also ein Tag vor dem achten, dem grossen Tag des Fests, an dem Jesus im Tempel stand (Joh. 7,37). Was eine Gelegenheit zur grössten Freude hätte sein sollen, war durch die trüben Wolken der Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit verdunkelt.
Unscheinbar und gering
Der erste Grund zur Entmutigung war das geringe Ausmass des Hauses Gottes. In Esra 3,12 heisst es, dass viele von den Priestern und den Leviten und den Häuptern der Väter, die das erste Haus (den Tempel Salomos) gesehen hatten – die Alten – mit lauter Stimme weinten. Der HERR bestätigte dies mit den Worten: «Ist es nicht wie nichts in euren Augen?» (Hag 2,3). Manche von uns empfinden das Gleiche im Blick auf ihr örtliches Zeugnis der Versammlung. Dann besteht die Gefahr, dass wir die «guten alten Tage» übermässig rühmen. Aber der Prophet Sacharja erinnert uns daran, dass wir den Tag kleiner Dinge nicht verachten sollten (Sach 4,10).
Wenn die Erde erzittert – und hat sie je so stark gezittert wie jetzt? – dann findet sich die Antwort bei den Kleinen der Erde – bei den Ameisen, den Klippdachsen, den Heuschrecken und den Eidechsen (Spr 30,21-28). Es ist beachtenswert, dass die drei Erweckungen im Alten Testament – unter Hiskia, Josia und Esra/Nehemia – zunehmend kleiner, aber gründlicher wurden. Warum wohl? Weil der HERR in seiner Gnade sagte:
«Ich bin mit euch» (Hag 1,13; 2,4).
Nach der Aufzählung der Kleinen in Sprüche 30 folgt das, was vom Herrn Jesus spricht: der Löwe, der Lendenstraffe (andere übersetzen: das Kriegspferd), der Bock, der König (Spr 30,29-31). So gilt für uns: «Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte» (Mt 18,20). Die prophetische Antwort auf das Kleine und Geringe im Volk Gottes ist der Gedanke an die Hilfsquellen Gottes:
- das Wort des HERRN (Hag 2,5),
- der Geist des HERRN (Hag 2,5),
- das Silber und das Gold, das dem HERRN gehört (Hag 2,8),
- die Verheissung des Kommens des Herrn (Hag 2,7).
Gottes Bach ist immer voll Wasser (Ps 65,10). Möchten wir damit zufrieden sein und seinen Namen verherrlichen.
Der Segen kommt nur langsam
Der zweite Grund zur Mutlosigkeit – damals und heute – ist die lange Zeit, die verstreicht, bis der Segen kommt. Auf das prophetische Wort, das am ersten Tag des 6. Monats an die Führer der Juden erging (Hag 1,1), erfolgte die erste Reaktion des Volkes noch im gleichen Monat. Aber am 24. Tag des 9. Monats gab es offensichtlich immer noch Anzeichen von Mangel (Hag 2,10). Für die Juden zeigte sich noch kein materieller Aufschwung. Und wir erleben, dass der geistliche Segen nicht sofort zu fliessen beginnt, wenn wir auf den Aufruf des Herrn reagieren. Es muss noch Grundsätzliches über Verbindungen gelernt werden (Hag 2,10-14). Das Heilige vermag das Unreine nicht heilig zu machen. Hingegen kann das Unreine das Heilige unrein machen. Ein frischer Apfel kann einen faulen Apfel nicht gut machen, aber der faule kann den guten anstecken, so dass dieser ebenfalls fault. Geduldiges, dauerhaftes Bleiben bei Gott und ein Vorangehen mit Ihm sind nötig.
Haben wir den Nachdruck bemerkt, der in diesem Abschnitt auf das Wort «arbeiten» gelegt wird? «Seid stark … und arbeitet!» Brüder, wir müssen arbeiten! Es geht nicht nur um Serubbabel und Josua. Auch der Überrest des Volkes ist angesprochen. In ähnlicher Weise sehen wir, dass in den schweren Tagen, wie sie im 2. Timotheus-Brief beschrieben werden, «auch andere» erwähnt werden. In dieser letzten Stunde der Geschichte der Versammlung, was ihre Verantwortung betrifft, muss sich der Kleinste und Geringste unter uns an die Arbeit machen. «Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen» (Eph 2,10). In den Hirtenbriefen (1. + 2. Tim; Tit) gibt es zahlreiche Hinweise auf gute Werke. «Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben» (Tit 3,8).
Im Weiteren gilt es nicht nur zu arbeiten, sondern auch geduldig auf die Ergebnisse zu warten. Hudson Taylor arbeitete etwa 14 Jahre, bevor er in China die erste Bekehrung eines Menschen erlebte. Aber nun ist aus diesem Rinnsal ein mächtiger Strom geworden. Zur Versammlung in Philadelphia sagte der Herr: «Ich kenne deine Werke.» Es waren keine unvollständigen Werke wie in Sardes, sondern vollständige, die Er anerkennen konnte. Die Antwort auf die Tatsache, dass der Segen nur langsam kommt, heisst: nicht aufgeben und nicht ausweichen, sondern festhalten, feststehen und sich auf die Verheissung des Herrn stützen:
«Von diesem Tag an will ich segnen» (Hag 2,19).
Die Stärke der Feinde
Der letzte Grund für Entmutigung war die Stärke der Feinde, aber nicht nur damals. Immer wieder macht sie die Glaubenden mutlos. In jenen Tagen waren es Sanballat, der Horoniter, Tobija, der ammonitische Knecht, und Geschem, der Araber (Neh 2,19). Bei jedem Werk, das für Gott getan wird, muss auch ein Feldzug gegen aufkommenden Widerstand geführt werden. Das erfährt jeder Diener des Herrn. Das ist nicht ein einmaliger Kampf, der bald vorüber ist, sondern ein Feldzug, der sich bis zum Ende fortsetzen wird. In einer dunklen Zeit ist der Widerstand meistens noch intensiver. «Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden» (2. Tim 3,12). Wir empfinden, dass der Druck zunimmt. Und was ist die prophetische Antwort in dieser Situation? Die bevorstehende Wiederkunft des Herrn.
Wie ermunternd sind die Worte aus Haggai 2,21 im Licht der gegenwärtigen Lage und aktuellen Ereignisse: «Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern.» Einen ähnlichen Wortlaut finden wir in Hebräer 12,26, wo Haggai 2,6 zitiert wird. «Ich werde den Thron der Königreiche umstürzen» (Hag 2,22). Wir wissen, wer auf diesem Thron sitzt: der Drache, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist. Er wird in den Abgrund geworfen werden (Off 20,2.3). Die Stärke seines Reichs liegt zudem in den Händen des Tieres und des falschen Propheten, die beim Kommen des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit lebendig in den Feuersee geworfen werden (Off 19,20).
«Ich werde die Streitwagen umstürzen und die, die darauf fahren; und die Pferde und ihre Reiter sollen hinfallen, jeder durchs Schwert des anderen» (Hag 2,22). In der Geschichte, wie die Bibel sie uns berichtet, finden wir öfters, dass sich Feinde selbst geschlagen haben, indem einer den anderen umbrachte. So war es bei Jonathan (1. Sam 14,20), Gideon (Ri 7,22), Josaphat (2. Chr 20,23) und in Ägypten (Jes 19,2). Es scheint, dass dies die Art und Weise ist, wie Israel in der Zukunft befreit werden wird. Im Blick auf unsere Feinde brauchen wir uns nicht zu fürchten (Hag 2,5). Die Situation wird geklärt werden und Gottes Pläne werden in Erfüllung gehen.
«An jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn Schealtiels, meinen Knecht, spricht der HERR, und werde dich wie einen Siegelring machen» (Hag 2,23).
Obwohl dies damals eine persönliche Mitteilung an Serubbabel war, weist sie zweifellos prophetisch auf einen Grösseren als Serubbabel hin.
Zudem geht es um eine Stellung der öffentlichen Würde, wenn in der Bibel ein Ring erwähnt wird. Pharao gab Joseph seinen Siegelring. Der Siegelring, den der König Ahasveros Haman weggenommen hatte, wurde Mordokai gegeben. Auch der verlorene Sohn, der zum Vater zurückgekehrt war, bekam einen Ring an seine Hand. 1. Korinther 6,3 erinnert an die öffentliche Stellung, die wir einmal einnehmen werden: «Wisst ihr nicht, dass wir Engel richten werden?» Der Siegelring deutet hier nicht nur Eigentumsrecht und Autorität an, sondern auch den Charakter dessen, dem der Ring gehört. Der neue Himmel und die neue Erde werden den Charakter von Christus tragen. Alles wird so sein, wie Er ist, und Ihm entsprechen. Welch eine Szene wird das sein! In Haggai 2,7 heisst es: «Das Ersehnte aller Nationen wird kommen.» Damit wird auf Christus hingewiesen. Nicht nur Er wird kommen, sondern auch alles, was Ihm gehört und mit Ihm zusammenhängt. Das ist tatsächlich eine Ermunterung. Es mögen heute die Tage kleiner Dinge sein. Das Haus Gottes mag wie nichts in unseren Augen sein. Doch die letzte Herrlichkeit dieses Hauses (der Tempel im Tausendjährigen Reich) wird grösser sein als der Salomonische Tempel. «An diesem Ort will ich Frieden geben», im Gegensatz zum Kampf der gegenwärtigen Zeit. Deshalb können wir sagen, wie ein Dichter es ausgedrückt hat: Mit lächelndem Gesicht bezeugt der Christ: Das Schönste liegt noch vor uns.
Fassen wir also zusammen:
- Die Antwort auf das Kleine und die Schwachheit sind die Hilfsquellen Gottes.
- Wenn der Segen nur langsam eintrifft, gilt es, unerschütterlich auf die Zusagen des Herrn zu vertrauen.
- Wenn die Stärke der Feinde uns entmutigen will, dann lasst uns an das sichere, gewisse und baldige Wiederkommen unseres geliebten Herrn denken. «Amen; komm, Herr Jesus!»