Ananias, ein Jünger des Herrn in Damaskus

Apostelgeschichte 9,10-19; Apostelgeschichte 22,13

Ananias ist der Jünger, der zu Saulus von Tarsus gesandt wurde, damit dieser nach seiner Bekehrung das Augenlicht wieder bekam (Apg 9,10-19). Wir möchten uns an das erinnern, was uns die Apostelgeschichte über den Dienst mitteilt, den Ananias bei jener Gelegenheit ausführte.

Die Bekehrung von Saulus

Saulus hatte als junger Mann in die Tötung von Stephanus eingewilligt. Dann setzte er seine Energie ein, um die Versammlung zugrunde zu richten (Apg 8,1.3). Später bekannte er, dass er «zuvor ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war» (1. Tim 1,13; Apg 26,11). Von seinem religiösen Eifer beherrscht und mit einer Vollmacht vom Hohenpriester ausgestattet, verlässt er Jerusalem, um nach Damaskus zu reisen. In seinem unerbittlichen Hass gegen die Christen will er sie in dieser ausländischen Stadt aufspüren und gebunden nach Jerusalem führen (Apg 9,1.2).

Doch als er sich Damaskus nähert, wird sein Leben erschüttert und erfährt einen gründlichen Richtungswechsel. Durch ein plötzliches, grelles Licht verliert er das Augenlicht und wird zu Boden geworfen. In der Gruppe, die ihn begleitet, ist er der Einzige, der die Stimme versteht, die sich in hebräischer Mundart an ihn wendet: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?» (Apg 9,4; 26,14). Indem Saulus die Christen verfolgte, verfolgte er Jesus selbst. Der Herr identifiziert sich so mit seinen Erlösten. Sie sind ein Teil von Ihm selbst! Das ist die erste Lektion, die Saulus lernen muss, und die auch wir uns einprägen wollen.

Bestürzt fragt Saulus: «Wer bist du, Herr?» Man spürt die Verblüffung, mit der er auf die Stimme Dessen hört, den er tot und begraben glaubte: «Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh aber auf und geh in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst» (Apg 9,5.6).

In einem Augenblick verliert Saulus alle festen Punkte, auf die er sich bis jetzt gestützt hat. Er ist nur noch ein armer Blinder, der tastend versucht, seinen Weg zu finden. Nun nimmt man ihn aus Mitleid an der Hand und führt ihn nach Damaskus. Dort bleibt er drei Tage im Haus eines gewissen Judas, ohne zu sehen, zu essen und zu trinken (Apg 9,8-11).

Der Auftrag an Ananias zugunsten von Saulus

Der Herr kannte genau den Ort, wo Saulus sich aufhielt, was er dort tat und wie er empfand. «Alles ist bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben» (Heb 4,13). Er kennt das Ausmass der Not von Saulus und antwortet auf sein Gebet, indem Er auf souveräne Weise eingreift. Er sendet einen seiner Jünger zu diesem Mann, der von allen Christen als ein bekannter und gefürchteter Feind betrachtet wird.

Wer ist es, den Gott dazu auswählt? Sicher jemand, der auf diese schwierige Aufgabe vorbereitet ist. Man könnte da an einen Apostel denken oder an einen besonders bekannten Bruder wie zum Beispiel Jakobus (Apg 15,13). Aber nein! Um seine Pläne der Liebe auszuführen, bedient sich Gott häufig Männer und Frauen, die unbekannt sind. Er wählt gern das Törichte der Welt aus, damit Er die Weisen zuschanden mache (1. Kor 1,27).

«Es war aber ein gewisser Jünger in Damaskus mit Namen Ananias; und der Herr sprach zu ihm in einem Gesicht: Ananias!» (Apg 9,10). Dieser Gläubige hat ein offenes Ohr für die Stimme seines Meisters und antwortet: «Siehe, hier bin ich, Herr!» Seine Antwort erinnert an die Worte des Herrn: «Siehe, ich komme …» (Heb 10,7) – eine Aussage von grösster Tragweite! Der Sohn Gottes wusste, was es alles beinhalten würde, wenn Er sich ganz dem Willen seines Vaters unterstellen würde – vor allem die Leiden und den Tod am Kreuz.

Der Herr sagt seinem Jünger: «Steh auf und geh in die Gasse, die ‹die Gerade› genannt wird, und frage im Haus des Judas nach jemand mit Namen Saulus, von Tarsus, denn siehe, er betet; und er hat in einem Gesicht einen Mann mit Namen Ananias, gesehen, der hereinkam und ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehend werde» (Apg 9,11.12). Trotz der klaren Anweisungen, die er soeben bekommen hat, bleibt Ananias beunruhigt. Er schüttet dem Herrn freimütig sein Herz aus: «Ich habe von vielen über diesen Mann gehört, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem getan hat. Und hier – in Damaskus – hat er Gewalt von den Hohenpriestern, alle zu binden, die deinen Namen anrufen» (Apg 9,13.14). Wie hätten wir an der Stelle von Ananias reagiert, wenn wir alles über Saulus gewusst hätten? Es gibt Erlöste des Herrn, die an äusserst gefährlichen Orten wohnen, wo grosse moralische Finsternis herrscht. Der Feind ist dort sehr aktiv. Um treu zu bleiben, müssen diese Glaubenden ihre Ängste auf die Seite legen und sich ständig auf Gott stützen.

Der Herr macht Ananias keinen Vorwurf. Was sein Jünger Ihm gesagt hat, ist kein Zeichen von Unglauben. So antwortet Er ihm einfach: «Geh hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Gefäss, meinen Namen zu tragen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels. Denn ich werde ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss» (Apg 9,15.16). In der Aufzählung derer, denen Paulus das Evangelium bringen soll, nehmen die Nationen den ersten Platz ein. Der Herr möchte, dass er als Apostel in erster Linie unter den Nichtjuden zeugt.

«Das Geheimnis des HERRN ist für die, die ihn fürchten» (Ps 25,14), und Ananias ist einer von ihnen. Der Herr beschliesst, ihn an seinen Absichten und Plänen mit Saulus teilhaben zu lassen. Er spricht zuerst vom besonders ausgedehnten Arbeitsfeld, das Er dem anvertrauen will, der bald «Paulus» (= der Kleine) genannt werden wird. Im Herzen von Ananias gibt es aber keinerlei Eifersucht. Er kann sich über das freuen, was Gott einem anderen anvertraut (Phil 2,4). Er stellt keine Ansprüche. Er bleibt demütig und gehorsam. Er ist voll Liebe zu denen, die durch Prüfungen gehen. Er akzeptiert für sich selbst den guten, wohlgefälligen und vollkommenen Willen Gottes (Röm 12,2). Lasst uns nicht zittern, wenn wir dem Weg folgen, den Gott uns vorzeichnet. Wir werden die Freude der Gemeinschaft mit Ihm geniessen, wenn wir gehorchen. Durch die Worte des Herrn gestärkt, vertraut sich Ananias ganz Ihm an, um die Schritte, die er unternehmen soll, sicher auszuführen.

Die Antwort von Ananias auf den Ruf des Herrn

«Ananias aber ging hin und kam in das Haus» (Apg 9,17) – in dem sich Saulus befand. Er legt ihm die Hände auf und spricht ihn mit den Worten an, die ihm vom Heiligen Geist eingegeben werden. Sie sind sehr einfach, aber von grossem Wert für eine Seele, die in Not ist. Er nennt ihn: «Bruder Saul.» In seiner grossen Verwirrung wird Saulus durch die Güte getröstet, die er auf diese Weise erfährt. Das war für sein bis dahin verhärtetes Herz etwas Unbekanntes. Er realisiert, dass er in eine neue Familie gekommen ist, die sich geistlicherweise um Jesus gruppiert. Das Wort Gottes hat uns dieses schöne Beispiel der Milde und brüderlichen Zuneigung aufbewahrt. Später sieht man diese positiven christlichen Eigenschaften auch beim Apostel Paulus selbst hervorstrahlen (1. Thes 2,7.8). Er offenbart sie während seiner Besuche in den Versammlungen und versucht, mit seinem ganzen Wesen den Herrn Jesus nachzuahmen.

Hat unsere Bekehrung die gleichen Auswirkungen hervorgebracht wie bei Ananias und Paulus? Sie werden sich im Umgang mit denen zeigen, die in ihren Seelen ermattet oder entmutigt sind. Betrachten wir doch den Herrn Jesus in den Evangelien! Oft war Er angesichts der weitreichenden Bedürfnisse seiner Geschöpfe «innerlich bewegt». Möchten wir Ihm gleichen.

Ananias sagt weiter zu Saulus: «Der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf dem Weg, den du kamst, damit du wieder siehst und mit Heiligem Geist erfüllt wirst» (Apg 9,17). Diese Worte bestätigen die Vision, die Saulus gehabt hat. Die aus dem Himmel gekommene Stimme hatte ihm tatsächlich angekündigt: «Steh aber auf und geh in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst» (Apg 9,6). Die Botschaft von Ananias reicht weiter: Saulus soll mit Heiligem Geist erfüllt werden.

«Sogleich fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er sah wieder und stand auf und wurde getauft. Und nachdem er Speise zu sich genommen hatte, wurde er gestärkt» (Apg 9,18.19). Der Herr führt sein wunderbares Werk der Barmherzigkeit an dem Neubekehrten weiter (1. Tim 1,16). Kurze Zeit später findet man ihn unter den Jüngern in Damaskus, wo er die brüderliche Gemeinschaft geniesst. Zugleich zögert er nicht, in den Synagogen Jesus zu predigen, «dass dieser der Sohn Gottes ist» (Apg 9,20).

Die Erwähnung von Ananias in Apostelgeschichte 22

Es ist interessant zu sehen, wie der Apostel Paulus später auf diese Tatsachen zurückkommt, als er einer feindlich gesinnten Menge in Jerusalem seine Bekehrungsgeschichte erzählt. Diese so wichtigen Augenblicke in seinem Leben blieben tief in sein Herz eingegraben. Er behielt eine unauslöschliche Erinnerung an die Fürsorge des Herrn und an die erfahrene Zuneigung vonseiten der Gläubigen, als er mit der festen Absicht nach Damaskus gekommen war, die Christen bis zum Tod zu verfolgen.

In Vers 12 rühmt er Ananias als «einen gottesfürchtigen Mann nach dem Gesetz, der ein gutes Zeugnis hatte von allen dort wohnenden Juden», d.h. von Damaskus. Weil er durch echte Frömmigkeit charakterisiert war, gehörte Ananias zu denen, die der Herr in seinem Dienst gebrauchen kann. Die Früchte seiner Gemeinschaft mit Gott wurden in Damaskus offenbar. Die, die ihn kannten, konnten die Treue in seinem Verhalten bezeugen. Der Apostel erinnert auch an die Güte, mit der Ananias ihm begegnet ist: Er «kam zu mir, trat herzu und sprach zu mir: Bruder Saul, werde wieder sehend! Und zu derselben Stunde blickte ich zu ihm auf» (Apg 22,13). Auf dem Weg nach Damaskus hat Saulus bereits einen ersten persönlichen Kontakt mit Jesus, dem «Haupt des Leibes», gehabt. Jetzt sieht er Ananias, der ein Glied dieses Leibes ist.

Dann spricht Ananias vom Willen Gottes für Saulus: «Der Gott unserer Väter hat dich dazu bestimmt, seinen Willen zu erkennen und den Gerechten zu sehen und eine Stimme aus seinem Mund zu hören. Denn du wirst ihm an alle Menschen ein Zeuge sein von dem, was du gesehen und gehört hast» (Apg 22,14.15). Zu den Korinthern sagt der Apostel Paulus später: «Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?» (1. Kor 9,1). Er war von Gott dazu bestimmt, die Stimme des Herrn zu hören, um alle Menschen mit seiner Gnade bekannt zu machen und den Ratschluss Gottes über die Versammlung kundzutun.

Schliesslich erklärt Ananias: «Und nun, was zögerst du? Steh auf, lass dich taufen und deine Sünden abwaschen, indem du seinen Namen anrufst» (Apg 22,16). Bevor der Herr in die Herrlichkeit aufgenommen wurde, hatten die Jünger von Ihm den Auftrag bekommen, alle zu taufen, die sich bekehren würden (Mt 28,19). So empfängt Paulus die Taufe und wird ein Zeuge für den Herrn – von allem, was er gesehen und gehört hat.

Apostelgeschichte 9 und 22 sind die einzigen Bibelstellen, die uns von diesem Jünger Ananias berichten und wie er Saulus bei seinen ersten Glaubensschritten nach seiner Bekehrung behilflich war. Vom Herrn im rechten Augenblick gerufen, war Ananias bereit, den Auftrag zu erfüllen, den Er ihm anvertraute. Geleitet durch den Heiligen Geist konnte er Saulus gute Worte sagen, die der Situation angepasst waren. Durch seine liebevollen Bemühungen brachte dieser demütige Diener seinem Bruder den nötigen Trost und stärkte ihn. «Treu im Kleinen» wird er in die Freude seines Herrn eingehen (Mt 25,23). Möchten wir den gleichen Wunsch zur Treue haben und bereit sein, uns für einen Dienst zubereiten zu lassen, den wir für unseren Herrn und in Gemeinschaft mit Ihm ausführen können.