«Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade» (Kolosser 3,16).
Dieser Vers enthält eine wichtige Aufforderung für jedes Kind Gottes. Der Zusammenhang macht klar, dass es um Charakterzüge des neuen Lebens geht, das uns geschenkt worden ist. Diese Merkmale weisen wir sowohl in unserem persönlichen Leben als auch besonders in unserem gemeinschaftlichen Leben auf. Gott möchte, dass wir ein glückliches Leben zu seiner Freude und zum Zeugnis für andere führen. Dazu ist es unerlässlich, der Aufforderung dieses Verses nachzukommen. Unser ganzes Leben soll dadurch geprägt sein, dass das «Wort des Christus» reichlich in uns wohnt.
Das Wort des Christus
Dieser Ausdruck kommt nur im Kolosser-Brief vor. Sprachlich kann er dreierlei bedeuten:
- Wir können an die Worte denken, die Christus selbst gesprochen hat, als Er auf dieser Erde war.
- Wir können an die Worte denken, die über Christus gesprochen worden sind, also an Mitteilungen, die uns das Wort Gottes speziell über Ihn als den Mann des Ratschlusses Gottes macht, der jetzt im Himmel verherrlicht ist.
- Wir können an das gesamte Wort Gottes denken, das letztlich Christus zum Inhalt hat.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass Paulus hier nur an die Worte denkt, die der Herr Jesus als Mensch auf dieser Erde geredet hat. Es wäre auch zu wenig, diesen Ausdruck auf die Worte einzuschränken, die speziell über Ihn geschrieben sind. Wir gehen deshalb wohl nicht fehl in der Annahme, dass es sich um eine andere Bezeichnung für das «Wort Gottes» handelt. In 2. Thessalonicher 3,1 wird dieses Wort das «Wort des Herrn» genannt, weil es in diesem Brief besonders um den Herrschaftsanspruch des Herrn Jesus geht. Der Kolosser-Brief beschreibt uns besonders die Grösse und Herrlichkeit des Christus und deshalb verwendet Paulus hier den Begriff «Wort des Christus».
Das «Wort des Christus» weist uns auf Den hin, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat. Es weist uns auf Den hin, den wir lieben, dem wir folgen und dem wir dienen möchten. Wir wollen nicht vergessen, dass das «Wort Gottes» auch das «Wort des Christus» ist. Er ist Ursprung, Mittelpunkt und Eigentümer dieses Wortes. Es ist deshalb durchaus nicht unserem Gutdünken überlassen, was wir mit diesem «Wort des Christus» tun.
Das Wohnen des Wortes in uns
Dieses «Wort des Christus» soll reichlich in uns wohnen. Christus ist nicht nur unser Vorbild, sondern gleichzeitig unser Lehrer. Alles, was wir für unseren Lebensweg als Christen brauchen, lernen wir von Ihm und aus seinem Wort.
Dieses Wort muss einen festen Platz in uns haben. Es genügt nicht, dass wir es hören und lesen. Es genügt nicht, dass wir es kennen und vielleicht sogar erklären können. Nein, sein Wort muss einen festen Wohnplatz in unserem Herzen und Leben haben.
Es ist wichtig, dass das «Wort des Christus» nicht nur vorübergehend in uns ist und wirkt. Nein, es muss seinen dauerhaften Platz in uns haben. Johannes hat den Jünglingen in der Familie Gottes geschrieben, «weil … das Wort Gottes in euch bleibt» (1. Joh 2,14). Der Zusammenhang ist ein anderer, aber der Tatbestand sollte für uns alle Realität sein.
Damit das Wort einen Wohnplatz in unserem Leben findet, müssen wir es bewahren und verwirklichen. Nur wenn das Wort Leitlinie und Ausrichtung für das ganze Leben ist, wird es in uns wohnen. Dieses Wohnen beschränkt sich nicht auf die Zusammenkünfte, sondern ist für das komplette Leben, persönlich und gemeinschaftlich, privat, beruflich, familiär usw. relevant. In allen Lebensbereichen sollten wir uns nach diesem «Wort des Christus» ausrichten.
Darüber hinaus soll das «Wort des Christus» reichlich in uns wohnen. Reichlich bedeutet «in voller Fülle». Dabei können wir zwei Seiten unterscheiden:
- Wir denken daran, dass es nicht nur um einzelne Teile des Wortes geht, die uns besonders wertvoll und wichtig sind, sondern um das gesamte Wort. Das Wort Gottes ist immer ein Ganzes, und wir sind nicht befugt, einzelne Teile besonders zu betonen und andere zu vernachlässigen oder gar völlig auszuklammern. Es heisst nicht ohne Grund «das Wort» und nicht «die Worte». Natürlich haben die einzelnen Worte ihre Bedeutung, denn jedes Wort ist göttlichen Ursprungs. Dennoch bildet das Wort immer eine Einheit, die wir beachten wollen.
- Wir denken daran, dass das Wort einen ständigen und umfassenden Einfluss auf unser Leben haben muss. Es geht nicht um einen teilweisen oder zeitweisen Einfluss, sondern um einen vollständigen Einfluss dieses Wortes. Der wiedergeborene Christ, der den neuen Menschen angezogen hat, braucht dieses Wort, das ihm Christus in jedem Augenblick und in jeder Lebenssituation vor Augen stellt.
Das gegenseitige Lehren und Ermahnen
Es ist klar, dass es zunächst eine persönliche Verantwortung ist, das «Wort des Christus» reichlich in uns wohnen zu lassen. Es beginnt damit, das Wort Gottes persönlich zu lesen, es aufzunehmen, zu verinnerlichen, zu lieben und zu praktizieren. Aber Paulus weist hier darauf hin, dass die Gläubigen durch das neue Leben miteinander verbunden sind und dass wir die Aufgabe haben, uns gegenseitig zu lehren und zu ermahnen. Auf diese Weise kann das «Wort des Christus» reichlich in uns wohnen. Hinzu kommt, dass man die Präposition «in» auch mit «unter» übersetzen kann, d.h. das Wort des Christus soll nicht nur in jedem einzelnen Gläubigen wohnen, sondern es soll «unter» uns wohnen und unsere Beziehungen zueinander prägen. (Anmerkung: Ähnlich ist es mit der Gesinnung unseres Herrn, von der Paulus an die Philipper schreibt. Sie soll «in» jedem einzelnen Gläubigen sein und gleichzeitig unser Miteinander prägen; vgl. Fussnote zu Phil 2,5.)
Paulus sagt: «Indem ihr euch gegenseitig lehrt und ermahnt.» Lehren und Ermahnen ist keine Einbahnstrasse, sondern geschieht gegenseitig. Es ist also einerseits eine Voraussetzung für das Wohnen des Wortes, anderseits ist es eine Folge davon. Das eine bedingt das andere. Wir lehren und ermahnen uns gegenseitig, damit das Wort reichlich in uns wohnt. Und je mehr es in uns wohnt, desto besser sind wir in der Lage, einander zu unterweisen und ermahnen.
Wir erkennen, dass wir im geschwisterlichen und familiären Miteinander füreinander Verantwortung tragen. Das «Lehren» ist das Mitteilen der objektiven biblischen Wahrheit im positiven Sinn. Das «Ermahnen» hat mit Gefahren zu tun, vor denen wir uns gegenseitig warnen. Paulus gebraucht hier nicht das Wort, das im Neuen Testament sehr häufig für «Ermahnung» gebraucht wird (im Sinn einer Motivation). Es benutzt ein Wort, das eher an «Zurechtweisung» erinnert. Man kann das Wort auch mit «zu bedenken geben» oder «aufs Herz legen» übersetzen. Gemeint ist nicht, dass wir uns gegenseitig «schulmeistern» (vgl. Jak 3,1). Vielmehr müssen wir das Wort zuerst auf das eigene Herz und Gewissen legen, bevor wir andere damit konfrontieren. Nur was wir selbst schätzen und praktizieren, können wir weitergeben.
In Kolosser 1,28 hatte Paulus gesagt, dass er «jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren» wollte in aller Weisheit und zwar mit dem Ziel, «damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen». Darum geht es letztlich. Das «Wort des Christus» hilft uns, «vollkommen in Christus» zu sein. Es fällt auf, dass Paulus in Kapitel 1 zuerst vom «Ermahnen» und dann vom «Lehren» spricht, während er in unserem Vers die umgekehrte Reihenfolge wählt. Wir lernen daraus, dass «Lehre» und «Ermahnung» nie voneinander getrennt werden darf. Man kann nicht wirklich «lehren» ohne zu «ermahnen», und man kann nicht «ermahnen» ohne zu «lehren». Lehre und Praxis bilden eine untrennbare Einheit.
In aller Weisheit
Das gegenseitige Lehren und Ermahnen geschieht in Weisheit, und zwar in «aller Weisheit». Das zeigt, in welcher Art und Weise es geschehen soll. Man kann beim «Lehren» und «Ermahnen» sehr unweise sein. Man kann das Wort benutzen, um einander die Füsse zu waschen, man kann aber auch leicht den Kopf erwischen und diesen «waschen». Man kann das Wort als Waffe benutzen, um anderen weh zu tun. Nicht selten hat es Auseinandersetzungen gegeben, in denen Brüder und Schwestern sich das Wort «um die Ohren schlugen», anstatt sich in aller Weisheit gegenseitig zu lehren und zu ermahnen. Jedenfalls gehört eine innere Haltung der Demut und Niedriggesinntheit dazu, dieser Aufforderung Folge zu leisten.
Auch in der öffentlichen Weitergabe des Wortes – in den Zusammenkünften, auf Konferenzen, in Jugendstunden, im familiären Bereich usw. – brauchen wir diese Weisheit. Wir können zu lange, vielleicht auch zu kurz «lehren und ermahnen». Wir können es zu kompliziert machen, so dass es nur einige wenige Zuhörer verstehen. Wir können leicht vergessen, welche Zuhörer wir vor uns haben.
Es ist wichtig, dass wir uns immer den Anwesenden, ihrem Verständnis und Auffassungsvermögen anpassen. Gerade in solchen Fragen ist alle Weisheit wichtig. Das gilt auch für die sogenannte «Familienandacht», wo Kinder zugegen sind.
Psalmen, Loblieder und geistliche Lieder
Es stellt sich die Frage, ob diese drei genannten «Elemente» nun das eigentliche Mittel der Belehrung und Ermahnung sind oder ob sie diese eher begleiten. Es ist völlig klar, dass das «Wort des Christus» immer den zentralen Platz einnimmt, aber Psalmen, Loblieder und geistliche Lieder sind jedenfalls nicht ohne Bedeutung. Sie können durchaus einen belehrenden und ermahnenden Einfluss haben. Alle drei Ausdrücke kommen auch in Epheser 5,19 vor. Dort geht es darum, dass wir mit dem Heiligen Geist erfüllt sind. Hier stehen sie in Verbindung mit dem «Wort des Christus».
Es ist nicht ganz einfach, diese Begriffe genau zu bestimmen. Folgende Erklärung ist jedoch möglich:
- Bei den Psalmen geht es nicht um alttestamentliche Psalmen, sondern um christliche Poesie, die aus den Erfahrungen in besonderen Umständen entstanden ist.
- Loblieder sind geistliche Lieder, die eine Antwort auf das geben, was Gott von sich offenbart hat. Sie beinhalten die Bewunderung für Gott und sein Tun und führen oft zur Anbetung.
- Geistliche Lieder sind Lieder, die wie ein Gebet das Verlangen und die Sehnsucht des Gläubigen ausdrücken. Man kann diesen Ausdruck auch als eine Art «Oberbegriff» der beiden anderen Ausdrücke ansehen.
Wie auch immer wir diese drei Ausdrücke verstehen, es wird jedenfalls klar, dass wir bei der Auswahl unseres Liedgutes und unserer Gedichte immer darauf achten wollen, dass die Inhalte mit der biblischen Lehre übereinstimmen. Ohne Frage hat ein Dichter eine gewisse «dichterische Freiheit», aber diese hat ihre Grenzen, die nicht überschritten werden sollten.
Gott im Herzen singen in Gnade
Der Gesang spielt im Leben des Christen eine grosse Rolle. Es ist etwas, das wir auch im Himmel tun werden. Gewiss wollen wir uns Mühe geben, im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten «gut» und «schön» zu singen. Aber der Schlusssatz macht klar, dass es von grösserer Bedeutung ist, dass wir in unseren Herzen singen. Die Gesangfähigkeiten mögen unterschiedlich sein, aber Gott sieht das Herz an. Ein formvollendeter Gesang, der nicht aus dem Herzen kommt, hat für Ihn keinen Wert. Ein weniger schöner Gesang, aber mit Herz vorgetragen, ist Gott wertvoll. Und letztlich können wir nichts ohne die Gnade tun.