Weitergabe des Dienst-Stabes

2. Timotheus 2,2

«Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Leuten an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren» (2. Tim 2,2).

Der Herr Jesus sucht Diener, die treu sind. Ihnen vertraut Er Aufgaben an. Die Art der Arbeit oder das vorhandene Umfeld bewirken häufig, dass die Diener aufeinander angewiesen sind. Es ist der Herr, der seinen Knechten dadurch bewusst macht, dass sie von Ihm, aber auch von anderen abhängig sind. Oft führt Er es so, dass Diener unterschiedlicher Altersstufen zusammenarbeiten dürfen. Die Bibel enthält eine ganze Reihe solcher Beispiele.

Der angeführte Vers spricht von mehreren Generationen von Dienern. Paulus kannte Timotheus als einen treuen Nachfolger des Herrn. Mit ihm pflegte er ein besonderes Vertrauensverhältnis. Als Apostel hatte er ihm vor vielen Zuhörern die reine christliche Lehre weitergegeben. Nun war Timotheus verantwortlich, diese unverfälscht an andere zu übermitteln. Er sollte darauf achten, dass diese durch Treue gekennzeichnet waren; denn auch sie sollten diese Botschaft wieder andere lehren. So kann man gleichsam verfolgen, wie der «Staffelstab» des Dienstes von einer Generation an die nächste übergeben wird. Dabei geht es nicht um Weitergabe der speziellen Aufgabe, die ich entsprechend meinen Fähigkeiten und Veranlagungen vom Herrn empfangen habe. So etwas kennt die Schrift nicht. Es geht um die Lehre, die man vom Herrn durch andere Diener empfangen hat, die man nun selbst an treue Leute weitergibt.

Der Herr wünscht, dass der Dienst der «Älteren» von «Jüngeren» – jeder war einmal ein «Jüngerer» – im gleichen Geist der Abhängigkeit von Ihm und in Hingabe an Ihn fortgesetzt wird. Elia und Elisa geben uns da ein schönes Beispiel:

«Elisa sprach: So möge mir doch ein zweifaches Teil von deinem Geist werden!» (2. Kön 2,9). Elisa wollte den Dienst seines Vorgängers Elia in dessen Sinn und im Auftrag des HERRN fortführen.

Ein zweifaches Teil des Geistes

Dies bedeutet nicht, dass Elisa in den Augen Gottes und der Menschen doppelt so gross wie Elia sein wollte. Das zweifache Teil erinnert an das Erstgeburtsrecht, bei dem der Erstgeborene ein zweifaches Teil seines Vaters erhielt. So wollte Elisa seinen Dienst ganz im Sinn des Elia – mit der gleichen Autorität und Verantwortung, Hingabe und Kraft – fortführen. Dazu sagte Elia: «Du hast Schweres erbeten! Wenn du mich sehen wirst, wie ich von dir genommen werde, so soll dir so geschehen; wenn aber nicht, so wird es nicht geschehen.» Gerade in Zeiten moralischen Verfalls haben nachfolgende Diener nicht automatisch die gleiche Kraft wie ihre Vorgänger. Wenn aber Elisa treu wäre und den auffahrenden Elia sehen würde – beides traf auf ihn zu –, dann würde er in der gleichen Kraft wie Elia als Prophet tätig sein können.

Elisa durfte doppelt so viele Wunder vollbringen wie Elia. Das wird im übertragenen Sinn bei uns kaum der Fall sein. Aber Gott bekennt sich auch heute zu treuen Dienern, die einem Elisa gleichen wollen.

Fortführung des Dienstes

Elisa wollte in der Kraft Gottes, die Elia zur Verfügung stand, dienen. Dazu gehörte auch die Ausführung der Aufträge, die Elia nicht mehr vollenden konnte (1. Kön 19,15.16). Das tat er dann auch: 2. Könige 8,7-15; 9,1-13. Wir finden zwar an keiner Stelle in der Schrift, dass Elia diese Aufträge an Elisa weitergegeben hätte, und doch finden wir, dass Elisa diese Arbeiten in Treue übernimmt.

Ein dem Herrn wohlgefälliger Diener wird ungefragt, aber in Abhängigkeit vom Herrn Jesus, die Aufgaben weiterführen, die z.B. von seinem geistlichen Vater nicht mehr erledigt werden können. Er wird es – wie Elisa – im Geist dessen tun, der es nicht mehr tun kann. Es ist beeindruckend, die Entschiedenheit Elisas in diesen Dingen zu sehen.

Gericht und Gnade – ein Widerspruch?

Jedem Bibelleser wird auffallen, dass der Charakter des Dienstes von Elia in erster Linie der des Gerichts Gottes war, während der Dienst Elisas von der Gnade geprägt war. Das Beten für Trockenheit, das Töten der Baals-Priester, das Gericht über Ahab und Isebel, das Feuergericht über die beiden Obersten und die 100 Soldaten von König Ahasja: All das zeigt, wie der prophetische Dienst des Elia aus der Ankündigung und Durchführung von Gericht bestand. Elisa dagegen machte aus einem verdorbenen Eintopf einen geniessbaren, brachte die verlorene Axt wieder aus dem Wasser hervor, schaffte dem aussätzigen Naaman Rettung. Besteht zwischen seinem Dienst und dem des Elia daher ein Widerspruch? Nein!

Wir sehen, dass beide Diener in der Kraft Gottes auftraten. Wenn immer möglich übten sie Gnade, wenn es nötig wurde, aber Gericht. So finden wir auch bei Elia Wunder der Gnade, und Wunder des Gerichts bei Elisa.

Die Fortführung des Dienstes bedeutet also nicht, dass der Dienst genau gleich aussieht. Das hat der Herr noch nie bewirkt, weder bei Mose und Josua noch bei Elia und Elisa, auch nicht bei Esra und Nehemia oder Haggai und Sacharja und auch nicht bei Paulus und Timotheus. Aber die «Nachfolger», sofern man dieses Wort verwenden kann, haben den ihnen übertragenen Dienst im gleichen Geist wie ihre «Vorgänger» fortgeführt.

Zwei Diener werden nie genau das Gleiche tun. Das stünde im Widerspruch zur Vielfalt der Gaben und Aufgaben, die der Herr gegeben hat (1. Kor 12; Röm 12,3-8; Eph 4,7). Doch die Treue, in der gedient wird, darf verglichen werden.

Entschiedenheit und Treue

Das, was sowohl Elia als auch Elisa auszeichnete, war Treue zu ihrem Gott. Beide konnten nicht ruhen, wenn sich im Volk Untreue, Ungerechtigkeit und Unmoral breit machten. Als Elia den schlimmen Zustand unter dem Volk erkannte, sonderte er sich von diesem ab – hörte aber nicht auf, für das Volk zu beten, wenn auch die Konsequenzen für die Menschen hart waren. Als Gehasi, der Diener Elisas, das Werk der Gnade Gottes beeinträchtigte, indem er durch Lügen dem vom Aussatz gereinigten Naaman ein Geschenk für Elisa abverlangte, musste der Prophet ihn mit Aussatz schlagen, um so für die Ehre und Heiligkeit Gottes einzutreten.

Trotz unterschiedlichem Dienst standen beide Diener in gleicher Weise für die Ehre und Heiligkeit des HERRN ein. So soll es auch heute noch sein. Obwohl nachfolgende Diener vor anderen Aufgaben stehen als ihre geistlichen Väter, und Diener überhaupt unterschiedliche Tätigkeiten zu erfüllen haben, werden doch bestimmte Meilensteine bei jedem vorhanden sein. Dazu gehört sicher das Eintreten für die Ehre des Herrn angesichts des Niedergangs und der Weltförmigkeit der Gläubigen, so wie das Aufrechterhalten der Liebe zu allen Gläubigen, wie dies uns Johannes in seinen Briefen lehrt.

Gleiche äusserliche Gewohnheiten?

Aus den Dienstbeschreibungen von Elia und Elisa lernen wir, dass der, der den «Staffelstab» von einem anderen übernimmt, nicht die äusserlichen Gewohnheiten des Vorgängers zu übernehmen hat. Sogar bei einem sehr ähnlichen Wunder – der Auferweckung eines gestorbenen Kindes – handelten Elia und Elisa unterschiedlich, aber beide in Abhängigkeit vom HERRN und im Gebet (1. Kön 17; 2. Kön 4). Es wäre bestimmt falsch gewesen, wenn Elisa einfach äusserlich genau das Gleiche wie Elia getan hätte. Er musste im gleichen Geist handeln – durch den Geist Gottes –, aber nicht in der gleichen Form.

Hüten wir uns also davor, mit den gleichen Gesten und Worten oder Handlungen das zu imitieren, was unsere Väter in Treue getan haben. Was wir aber dürfen und sollen, ist ihren Geist der Demut und Abhängigkeit sowie ihren Glauben nachahmen (Heb 13,7). Dann wird sich der Herr zu uns bekennen.

Das Zeugnis des Herrn

So unterschiedlich die einzelnen Aufgaben von Elia und Elisa waren, so unterschiedlich sind auch die «Ausgänge» dieser beiden grossen Diener. Aber beide tragen die unübersehbare Handschrift Gottes. Elia durfte in herrlicher Weise in den Himmel auffahren, ohne zu sterben – ein Vorbild auf die Gläubigen, die nicht durch den Tod gehen müssen, sondern lebend von der Erde in den Himmel entrückt werden (2. Kön 2). Vielleicht in seinem inneren Wert noch bedeutsamer als die Himmelfahrt von Elia war der Tod Elisas. Als der HERR ihn nach erfülltem Leben und Dienst zu sich rief, kam aus seinem Tod Leben hervor (Auferstehungsleben für einen bereits Gestorbenen), ein Bild davon, dass aus dem Tod Jesu Leben für die hervorkommt, die an Ihn glauben (2. Kön 13).

Wohl niemand von uns wird einen solch spektakulären Heimgang erleben. Jeder aber, der seinen vom Herrn anvertrauten Dienst in Treue ausführt und ihn im Geist der Väter fortführt, wird die Anerkennung des Herrn erfahren.