Als der Herr Jesus hier lebte, sagte Er einmal zu seinen Jüngern: «Ich muss die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann» (Joh 9,4). Er wusste, dass die «Nacht» seiner Verwerfung und seines Todes nahte, aber bis dahin war Er hier, um die Werke des Vaters zu tun.
Auch für uns wird der Augenblick kommen, da unser Erdenleben zu Ende geht. Dann ist die Zeit unserer Tätigkeit vorbei. Wenn ein Gläubiger entschläft, geht er in eine friedliche Ruhe beim Herrn ein. Er kommt in einen Zustand, den der Apostel Paulus mit «weit besser» beschreibt (Phil 1,23).
Wenn wir dann vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, geschieht es, «damit jeder empfange, was er in dem Leib getan hat, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses». Die Belohnung, die wir dort empfangen werden, bezieht sich auf unser Zeugnis, auf unsere Leiden und unseren Dienst für den Herrn auf dieser Erde. Wenn wir aus diesem Leben abgerufen werden, ist die Zeit des Säens vorbei. Dieser Gedanke verleiht unserem gegenwärtigen Leben einen ganz besonderen Ernst. Es macht unser Leben aber auch kostbar und gibt ihm einen grossen Wert.
Im ersten Moment mag uns der Gedanke an die kurze Zeit, die uns zum Dienst zur Verfügung steht, überwältigen, so dass wir uns zu fieberhafter Eile und ungeduldigem, selbst gewähltem Dienst veranlasst fühlen. Wenn wir jedoch etwas gründlicher über die Sache nachdenken, werden wir erkennen, dass der Zeitpunkt, wann bei uns die Nacht anbricht, da niemand wirken kann, völlig ausserhalb unserer Berechnungen und unserer Kontrolle liegt. Deshalb geziemt es uns, mit ruhigem Glauben und bedingungsloser Unterwerfung unseres Willens unter den Willen des Herrn unsere tägliche Arbeit und unsere täglichen Mühen als das uns von der göttlichen Weisheit und Liebe Zugeteilte zu betrachten.
Gibt es in unserem Leben als Christen nicht viel falschen Eifer, manches selbstgewählte Werk sowie selber festgesetzte Zeiten? Wir laufen, bevor wir gesandt sind. Wir wählen die Art von Nützlichkeit und Arbeit, von denen wir uns einbilden, wir hätten die Veranlagung dazu und seien dafür geschickt. Wir wählen und bestimmen die Zeiten und Methoden zur Erfüllung unserer Aufgabe. Ungeduldig treiben wir unsere Seele und die der anderen voran. Wir sind mit erzwungenen Resultaten zufrieden, bis die Erfahrung uns zu unserer tiefen Demütigung lehrt, dass auch die Gnade ihre Natur und ihr Gesetz hat. Wir müssen lernen, dass in der Arbeit für Gott Römer 9,16 gilt: «Also liegt es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott.»
Es gibt da noch einen anderen, viel besseren Weg. Den sollten wir einschlagen. Er wird in Epheser 2,10 beschrieben: «Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.» Wir brauchen nicht selbst unseren Weg zu bestimmen. Die ewige Weisheit Gottes hat ihn für uns bereits festgelegt. Wir müssen ihn auch nicht suchen, denn er läuft direkt an unserer Tür vorbei: Die Vorsehung Gottes, des Vaters, und die Führung unseres Herrn bringen ihn täglich ganz nahe zu uns. Es ist der Weg Gottes, nicht der unsere. Wir brauchen nur dem Herrn Jesus nachzufolgen und unseren Willen dem Willen Gottes zu unterwerfen.
Diese Methode verlangt aber Demut und eine beständige Auslieferung unserer Vernunft und unseres Willens an den Meister Es ist einfacher, eine schwierige Aufgabe auszusuchen und zum Herrn zu sagen: «Ich möchte gern dieses tun», als zu fragen: «Was willst du, dass ich tue?» Stellen wir uns vor, wir würden einen Tag planen, um ihn in irgendeiner Weise dem Herrn weihen zu können. Und nun läuft durch Gottes Vorsehung alles anders, so dass der Tag schliesslich mit ganz gewöhnlichen Dingen oder unangenehmen und mühsamen Pflichten ausgefüllt ist und wir verhindert werden, die Tätigkeit auszuführen, die wir uns vorgenommen haben. Wie sehr geht dies gegen unseren Stolz und gegen das, was wir für unsere höchsten und besten Empfindungen halten!
Aber das ständige Fragen nach Gottes Willen ist der einzige Weg, auf dem es für uns sicher immer genug und auch nützliche Arbeit zu tun gibt. Zudem werden wir dabei innere Ruhe finden und die Gewissheit haben, dem Meister wohlzugefallen. Wir stützen uns dann auf seine Hilfe und seinen Segen. Anderseits können wir auf diesem Weg die Sorgen im Blick auf unsere Schwachheit und alle Befürchtungen auf unseren liebenden und barmherzigen Heiland werfen.
Gott hat uns noch nie falsch geführt. Und wenn dies unser letzter Tag auf der Erde sein sollte, dann können wir ihn nicht besser verbringen, als dass wir die Aufgabe erfüllen, die Gott uns für diesen Tag zugedacht hat, oder geduldig die Schwierigkeiten ertragen, die Er uns heute auf den Weg legt. Dabei dürfen wir gegenüber unserer Familie oder gegenüber den Menschen, mit denen wir zusammenkommen, die Gesinnung des Herrn Jesus und einen Geist der Liebe zeigen. Der Meister selbst ist uns darin ein nachahmenswertes Beispiel.