«Jesus nun ging hinaus, die Dornenkrone und das Purpurgewand tragend» (Joh 19,5).
In Gedanken versetzen wir uns in jene Szene, als unser Heiland sich freiwillig der durch Hass, Verachtung und Auflehnung geprägten Menge zeigte. Pilatus hatte zum zweiten Mal bezeugt, dass er an Jesus Christus keinerlei Schuld finde. Er wollte sein Urteil bestätigen, indem er im Sinn hatte, Ihn herauszuführen. Vielleicht hoffte er auch, durch den Anblick dieses gegeisselten und geschlagenen Menschen bei der Volksmenge Mitleid zu erwecken.
Der Evangelist schildert es uns jedoch so, dass der Herr Jesus der Absicht des Pilatus zuvorkommt, denn wir lesen: «Jesus nun ging hinaus.» Er selbst trat erneut seinen Feinden gegenüber und zeigte sich ihnen als Mann der Schmerzen, als Leidender (vgl. Joh 18,4). Sein Hinaustreten war eine nochmalige Warnung an das Volk, aber auch an die Schriftgelehrten und die Pharisäer, die die Prophezeiung über den leidenden Messias kannten (z.B. Jes 53; Dan 9,25.26).
Was war ihre Reaktion, als Pilatus Ihn mit den Worten vorstellte: «Siehe, der Mensch!»? «Kreuzige, kreuzige ihn!» Kein Anzeichen des Erbarmens, kein Mitleid, kein Mitempfinden! Wie erschütternd! Da stand Der, durch den die Weiten ins Dasein gerufen wurden, der Schöpfer und Erhalter von allem. Er stand da und blickte in die finsteren und gefühllosen Herzen seiner gefallenen Geschöpfe. Die Psalmen berichten uns etwas von dem, was Er damals empfunden hat: «Ich habe auf Mitleid gewartet, und da war keins, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden», (Ps 69,21).
Da stand Er, gezeichnet durch die Marter der Geisselung, gekrönt mit einer Dornenkrone, bekleidet mit einem Purpurkleid und das Angesicht entstellt durch die Schläge. So zeigte Er sich seinen Feinden, den Obersten des Volkes, der Volksmenge, ja, der ganzen Welt. Es war der letzte Eindruck, den die ungläubigen Menschen von Ihm bekamen.
Sein Leiden war aber noch nicht zu Ende. Sein Kreuz tragend, schritt Er hinaus nach Golgatha, um dort als das Lamm Gottes zu sterben und das Erlösungswerk zu vollbringen. Mit dankbarem und bewegtem Herzen stimmen wir in das Lied ein:
- Haupt, voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn;
Haupt, zum Spott umbunden
mit einer Dornenkron!
Was hast Du, Herr, verschuldet,
was legt man Dir zur Last,
dass Du das Kreuz erduldet,
den Tod erlitten hast?
Sein Erscheinen in Herrlichkeit
Das Wort Gottes zeigt uns aber nicht nur den leidenden Gottesknecht, seine Leiden als das Lamm Gottes, sondern auch. die Herrlichkeiten des Christus nach den Leiden. Der Geist Christi, der in den alttestamentlichen Propheten wirkte, zeugte von diesen Herrlichkeiten (1. Pet 1,11).
Eine dieser Herrlichkeiten ist, dass Christus wiederkommen wird, um sich erneut den Menschen zu zeigen. Deutliche Hinweise finden wir dafür im Buch Esther. Die Personen dort haben eine vorbildliche Bedeutung:
- Ahasveros ist ein Bild von Gott, als dem absoluten Regenten
- Vasti zeigt uns die treulose Kirche
- Esther weist auf den zukünftigen Überrest der Juden hin, der einmal begnadigt werden wird (Röm 11,31)
- Mordokai zeigt uns den Herrn Jesus als den Messias und Herrscher
- Haman, der Widersacher der Juden, deutet auf den Antichristen hin
Durch die Geschehnisse im Buch Esther wird uns daher folgende zukünftige geschichtliche Entwicklung aufgezeigt:
Die treulose Kirche (Vasti), die ohne Gott (Ahasveros) Feste feiert, wird beiseite gesetzt. Der zukünftige gläubige Überrest aus Israel (Esther) wird in der Zeit schwerer Verfolgungen, die über dieses Volk kommen werden, von Gott angenommen. Der Antichrist (Haman) wird hinweggetan werden, und dann wird Christus (Mordokai) aus Gottes (Ahasveros» Gegenwart sichtbar wiederkommen.
«Und Mordokai ging von dem König hinaus in königlicher Kleidung von purpurblauer und weisser Baumwolle, und mit einer grossen goldenen Krone, und in einem Mantel von Byssus und Purpur» (Est 8,15).
Was für ein Augenblick wird dies sein! Der wahre Mordokai, unser Herr Jesus, wird von Gott kommen und in Herrlichkeit erscheinen. Nicht Menschen werden Ihn bekleiden, um Ihn zu verspotten, sondern Gott selbst bekleidet Ihn. Er wird königliche Kleidung tragen, die Ihm zur Herrlichkeit und zum Schmuck gegeben sein wird.
Welche Gegensätze werden deutlich, wenn wir diese beiden «Hinaustreten» miteinander vergleichen!
- Der Herr Jesus wird von Gott kommen, aus der Gegenwart des Allerhöchsten. Gott ist der «Prätor», der Oberbefehlshaber im Himmel. Von dort wird Christus kommen, wenn Er offenbart werden wird. Das purpurblaue Kleid erinnert uns an die Herrlichkeit des «Menschen vom Himmel» (1. Kor 15,47).
- Einst wurde der Herr Jesus als Übeltäter bezeichnet und unter die Gottlosen gerechnet, obwohl viele seine Gerechtigkeit und seine Unschuld bezeugten. Gott wird der ganzen Welt vor Augen führen, dass Er in Ihm keinen Makel sieht, denn das Weiss der Baumwolle und des Byssus reden von seiner fleckenlosen Reinheit und Gerechtigkeit.
- In dem Mantel von Purpur erkennen wir seine königliche Würde. Er, der als «König der Juden» verspottet wurde (Joh 19,3), indem man Ihm ein Purpurkleid umwarf, wird wiederkommen und trägt «auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte einen Namen geschrieben: König der Könige und Herr der Herren» (Off 19,16).
- Christus wird dann nicht mehr eine Krone aus Dornen tragen, sondern eine grosse goldene Krone. Heute können wir Ihn als Den sehen, der mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist (Hebr. 2,9). Doch der Augenblick ist nahe, wenn auf Ihm seine Krone glänzen wird, eine Krone von gediegenem Gold, und viele Diademe (Ps 132,18; 21,3; Offb. 19,12). Gott selbst wird Ihn derart krönen.
- Das Volk wird nicht mehr schreien: «Kreuzige, kreuzige ihn!», sondern «Licht und Freude und Wonne und Ehre» wird ihnen zuteilwerden. Ja, Er wird kommen und seinem bußfertigen Volk Freude und den Nationen Segen bringen. Gross wird Er sein bei seinem Volk und wohlgefällig der Menge seiner Brüder. Er wird das Wohl seines Volkes suchen und zur Wohlfahrt seines ganzen Geschlechts reden (Est 8,17; 10,3).