Die Hoffnung der Versammlung (2)

Die Hoffnung der Versammlung schliesst alle Gläubigen ein

Die Schrift stellt uns die Wiederkunft des Herrn immer als die Hoffnung der ganzen Versammlung dar. Und doch haben leider so wenige eine klare Vorstellung davon. Wie manche verwechseln sein Kommen als «Sonne der Gerechtigkeit» mit seinem Kommen als «Morgenstern» und vermischen so das Kommen Christi für die Seinen mit seinem Kommen mit ihnen!

Da mag jemand fragen: «Wer bildet denn die Versammlung?» Diese Frage wird in 1. Korinther 12,13 beantwortet: «Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden». Das macht es klar, dass alle wiedergeborenen Christen, die auf der Erde leben, einen Leib bilden, von welchem Christus das Haupt ist.1

Und so haben wir in 1. Korinther 12,12 die bemerkenswerten Worte: «Denn so wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus.» Christus und die Versammlung sind so eng miteinander verbunden, dass die Schrift von den Gliedern und dem Haupt als von dem «Christus» redet. «Die Versammlung, die sein Leib ist», soll mit ihm in der Herrlichkeit vereinigt werden.

In Epheser 5,25 lesen wir: «Wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat» Und in den Versen 30-32: «Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen. ‹Deswegen wird ein Mensch den Vater und die Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein.› Dieses Geheimnis ist gross; ich sage es aber in Bezug auf Christus und auf die Versammlung.»

Welche Möglichkeit besteht da noch, so mögen wir wohl fragen, für eine «teilweise» Entrückung, wenn der Herr für die Glieder seines Leibes für seine Versammlung kommt? Wird Er einen unvollständigen Leib zu sich nehmen? Nein, Er heiligt sie jetzt durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, damit Er einst «die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und untadelig sei.» Grenzt es angesichts solcher Schriftstellen nicht fast an Lästerung, von einer «teilweisen Entrückung» zu reden? Diese Lehre stützt sich hauptsächlich auf das Wort in Hebräer 9,28: «So wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung.» Der Zwischensatz «denen, die ihn erwarten» bezieht sich auf alle Gläubigen. Er bezeichnet nicht, wie einige behaupten, nur die, welche die Wiederkunft des Herrn erwarten. Das würde unsere Beziehung zu Christus bei seinem Kommen von unserer Erkenntnis abhängig machen, anstatt von unserer Verbindung mit ihm durch die Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes. In der genannten Stelle setzt der Geist Gottes in Gnade voraus, dass alle Gläubigen in der einen oder anderen Weise zu ihrem teuren Erretter aufschauen und wahrlich, so ist es. Sie mögen vielleicht nicht von Auge zu Auge alle Einzelheiten erkennen; sie erfreuen sich vielleicht nicht alle derselben Klarheit, Tiefe und Fülle der Einsicht. Aber zweifellos würden sich alle freuen, den zu sehen, der sie geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat.

Und, wie wir uns schon daran erinnerten, die Versammlung ist doch auch die Braut Christi. Paulus sagt zu der Versammlung in Korinth: «Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen» (2. Kor 11,2). In Offenbarung 21,9 lesen wir: «Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, voll der sieben letzten Plagen, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen.» Christus wird in der Herrlichkeit in innigster Gemeinschaft der Liebe eine Gefährtin haben: «Die Braut, die Frau des Lammes». Und zu dieser einen Braut gehören alle, welche die Versammlung Gottes bilden. «Der Geist und die Braut sagen: Komm!» (Off 22,17). Das ist die Antwort der Versammlung, der «Frau des Lammes», wenn sich Jesus ihr als der «glänzende Morgenstern» vorstellt. Die Braut ist eins und wird vollständig sein, bevor Christus wiederkehrt, um sie zu sich zu nehmen.

Die Hoffnung der Versammlung wird in der Schrift die «glückselige Hoffnung» genannt

Als Paulus dem Titus von der Wiederkunft unseres Herrn schrieb, sagte er: «Wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus» (Titus 2,13).

Viele sind sich nicht im Klaren, was diese Schriftstelle bedeutet. Da gibt es solche, die in diesem Text ein einziges Ereignis sehen, also «die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit», und zwei Personen, der «grosse Gott» und auch «unser Heiland Jesus Christus».

Tatsache aber ist, wie ich denke, dass in diesem Text auf zwei Ereignisse Bezug genommen wird, auf «die glückselige Hoffnung» und auch auf «die Erscheinung der Herrlichkeit», dagegen nur auf eine glorreiche Person, auf den «grossen Gott und Heiland Jesus Christus».2

Wir werden ermahnt, nach beiden Ereignissen auszuschauen, aber «die glückselige Hoffnung» kommt zuerst. Damit ist das Kommen Christi in die Luft gemeint, um sein Volk hinaufzunehmen. Seine «Erscheinung der Herrlichkeit» hingegen wird in der Schrift nie als «glückselige» Hoffnung bezeichnet. Wie könnte dies sein, da es doch eine Zeit feierlich ernster Gerichte sein wird, wie sie z.B. in Matthäus 25, vom 31. Vers an, beschrieben sind: «Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden». Offenbarung 19,11 spricht von derselben «Erscheinung»: «Und ich sah den Himmel geöffnet, und siehe, ein weisses Pferd, und der darauf sass, genannt ‹Treu und Wahrhaftig›, und er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit.» Aber vor jenem «grossen und herrlichen Tag des Herrn» kommt das, was die Schrift hier «die glückselige Hoffnung» nennt, das Kommen des Herrn für sein himmlisches Volk, um die Seinen zu sich zu nehmen, in Übereinstimmung mit seiner eigenen Verheissung in Johannes 14,1-3. Das ist das Ereignis, zu dessen Erwartung die Christen in erster Linie aufgerufen sind.

Nirgendwo im Neuen Testament wird der Gläubige ermahnt, sich auf den Tod vorzubereiten, oder ihm entgegenzusehen. Nicht ein Warten auf das Sterben, sondern ein Warten auf das Kommen des Herrn soll ihn kennzeichnen. In der Schrift hat «Hoffnung» den Sinn von Erwartung eines sicher eintreffenden Ereignisses und setzt keinerlei Ungewissheit voraus. Irdische Hoffnungen hingegen sind immer ungewiss und führen oft zu Enttäuschung. «Ich komme wieder», sagt unser Herr. Sein Kommen, nicht der Tod, ist die Hoffnung des Gläubigen.

Sie wird unter anderem «glückselige Hoffnung» genannt, weil sie eine ermunternde Lehre ist für solche, die, «was die Entschlafenen betrifft», betrübt sind. Es wird ihnen zugerufen, nicht zu betrübt zu sein, «wie auch die Übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott die durch Jesus Entschlafenen mit ihm bringen … So ermuntert nun einander mit diesen Worten» (1. Thes 4,13-18).

Es ist eine «glückselige Hoffnung», weil sie eine herrliche Vereinigung herbeiführen wird. «Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden.» Wir werden dann mit allen denen zusammen sein, die unseren Herrn Jesus Christus lieben. Paulus scheint davon zu reden als von der Zeit, in der die wahre Freude christlicher Gemeinschaft verwirklicht wird. «Wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?» (1. Thes 2,19). Wir bezweifeln nicht, dass die Geister der entschlafenen Heiligen nun bei Christus sind, aber wir lesen in der Schrift nie von verherrlichten Geistern. Die Leiber der entschlafenen Heiligen sind «gesät in Unehre», werden aber beim Kommen des Herrn «auferweckt in Herrlichkeit». Und wir, die Lebenden, erwarten den Herrn Jesus Christus als Heiland, «der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit» (Phil 3,20.21). Alle erwarten «die glückselige Hoffnung», die Wiederkunft Christi.

Auch ist sie eine «glückselige Hoffnung», weil dann – nicht vorher – unser Heil vollendet sein wird. Paulus schreibt in Römer 13,11: «Jetzt ist unsere Errettung näher, als damals, als wir gläubig wurden.» Damit nimmt er natürlich auf die Errettung unseres Leibes Bezug. Bei seinem Kommen wird die Errettung, die Christus am Kreuz für uns zustande gebracht hat und durch die unsere Seelen jetzt schon gerettet sind, sich auch auf unsere Körper erstrecken. «Wir werden alle verwandelt werden», sagt Paulus. «Dieses Sterbliche muss Unsterblichkeit anziehen.» Das wird also erst bei der Rückkehr des Herrn stattfinden. Unterdessen freilich seufzen wir, die in der Hütte sind, beschwert, «weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben». Wie schon gesagt, erwartet der Gläubige nicht den Tod, denn nach dem Ablegen seines Leibes wäre er ja «entkleidet». «Wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus, die Hütte (der Leib) zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges in den Himmeln. Denn in diesem freilich seufzen wir, und sehnen uns, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden» (2. Kor 5,1-4). Der Tod würde wohl unser Seufzen abbrechen; aber nur «die glückselige Hoffnung», die Wiederkunft Christi, wird uns einen neuen Leib geben. «Auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes» (Röm 8,23).

«Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden» (1. Joh 3,2). Das ist die Hoffnung des Christen, die Hoffnung der Versammlung. «Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen» (1. Kor 15,49). Der Tod vermag dies nicht zustande zu bringen, sondern gerade das Gegenteil. Der Tod zerstört diesen Leib. Aber wir erwarten nicht den Tod, wir erwarten den Herrn, «der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.» Ein Blick des Glaubens auf Christus errettete unsere Seelen, und wenn ihn diese Augen bei seiner Wiederkehr sehen, «werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist» (1. Joh 3,2.3).

Satan bietet alles auf, um diese herrliche Hoffnung der Versammlung zu vernebeln, indem er dunkle Wolken vor den Blick der Kinder Gottes stellt, wenn sie dem Herrn entgegensehen. Entweder stellt er das Tausendjährige Reich, oder die grosse Trübsal, oder eine Teilentrückung vor ihre Augen. Aber nicht eine einzige Zeile der Schrift schiebt sich zwischen den jetzigen Augenblick und die Rückkehr Christi für sein Volk. Da gibt es keinen einzigen Vers im Wort Gottes, der uns belehrte, dass die Versammlung durch die grosse Trübsal hindurchzugehen hätte. Und wenn die Versammlung vor «der Zeit der Drangsal für Jakob» in den Himmel aufgenommen wird – wie es aus Offenbarung 5 klar hervorgeht, wo sie vor den Gerichten in der Herrlichkeit gesehen wird – so ist es offenbar, dass sie vor dem Tausendjährigen Reich im Himmel sein wird. Und im Gegensatz zu einer Teilentrückung werden wir im Wort deutlich belehrt, dass «die des Christus sind bei seiner Ankunft» (1. Kor 15,23) lebendig gemacht werden. Und in 1. Thes 4,16.17 heisst es wörtlich: «Wir, die Lebenden, die übrigbleiben» (nicht «Wir, die Lebenden, die Ihn erwarten und wachen») «zugleich mit ihnen entrückt werden.»

Dass für die, die Er als auf ihn Wartende vorfindet, ein besonderer Lohn in Aussicht steht, wird in Lukas 12,37 deutlich verheissen: «Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen.» Wir werden in der Bibel wohl schwerlich eine kostbarere Verheissung finden als diese. Solch grossen Wert misst Er der Zuneigung der Seinen zu ihm selbst bei! Welch gnadenvolle Herablassung seinerseits! Er lässt sie sich zu Tisch legen und tritt selbst hinzu, um sie zu bedienen! Aber soweit es unsere Entrückung beim Kommen des Herrn anbetrifft, ist alles Gnade, reine Gnade.

Alle Anzeichen sind vorhanden, dass wir uns dem Ende der gegenwärtigen Haushaltung nähern, und Christus steht im Begriff, zurückzukehren. Er wartet dort oben und wir warten da unten. Er harrt mit tiefem Verlangen auf die Sammlung seines Volkes für sich selbst. Er wartet mit Ausharren, bis der Letzte hereingebracht ist, der zu der Versammlung gehören soll. Sobald sie vollständig ist, wird Er vom Thron seines Vaters aufstehen, in die Luft herabsteigen, und mit einem Freudenruf alle die Seinen emporheben, damit sie alle bei ihm seien, an dem Platz, den Er für sie bereitet hat. «Und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen» (Off 21,4).

Das also ist die Hoffnung der Versammlung – das Kommen unseres Herrn Jesus Christus, und unser Versammeltwerden zu ihm hin. «Und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.» Amen – so sei es! – Komm, Herr Jesus!

  • 1Von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet, besteht die Versammlung aus allen Erlösten, die in allen Jahrhunderten, seit dem Herabkommen des Heiligen Geistes (Apg 2) bis zur Wiederkunft des Herrn, hier auf der Erde an ihn geglaubt haben.
  • 2Die «Hoffnung auf das Kommen des Herrn zur Entrückung» ist für den, der durch die Gnade belehrt ist, mit der «Erscheinung der Herrlichkeit» verbunden. Beide Geschehnisse, obwohl zeitlich getrennte Handlungen, gehören zu einem Ereignis, zum Kommen. Aber das eine ist das Kommen des Herrn in Gnade, das andere sein Kommen in Herrlichkeit; das eine sein Kommen für die Heiligen, das andere sein Kommen mit den Heiligen. (Henri Rossier)