Die Versammlung des lebendigen Gottes (6)

In unserem Thema «Die örtliche Versammlung», das wir das letzte Mal begonnen haben, kommen wir nun zu der Frage: Welchen Zwecken sollen die Zusammenkünfte der Gläubigen dienen? Die Antwort finden wir am Anfang der Apostelgeschichte, wo das Gemeinschaftsleben der ersten Christen beschrieben wird. Wir lesen dort von der jungen, durch den Heiligen Geist gebildeten Versammlung Gottes in Jerusalem: «Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten» (Apg 2.42).

Da das Wort Gottes und insbesondere die «Lehre der Apostel», wie wir sie in den Schriften des Neuen Testaments finden, die geistliche Nahrung und die Grundlage der praktischen Gemeinschaft der Gläubigen bildet, ist es nötig, dass das Wort immer und immer wieder verkündigt, erklärt und gemeinsam betrachtet wird. Dabei werden die geistlichen Gaben ausgeübt, die der Herr seiner Versammlung zur Auferbauung gegeben hat. Sodann kommen den Zusammenkünften zum Brechen des Brotes (Lk 22,19.20) und zu gemeinsamen Gebeten (Mt 18,19.20)  überragende Bedeutung zu, und der Herrn selbst fordert die Seinen auf, darin zu verharren.

Das Wort Gottes enthält mit Ausnahme von 1. Kor 14,26-40 keine ins Einzelne gehende Anweisungen über den Ablauf aller dieser Zusammenkünfte. Der Herr selbst und der Heilige Geist sind ja als Leiter in der Mitte derer, die zum Namen Jesu hin versammelt sind. Starre Formen ertöten das geistliche Leben, das sich unter ihnen entfalten soll.

Wenn wir uns nun den einzelnen Zusammenkünften zuwenden, so wollen wir aber mit Eifer nach den grundsätzlichen Belehrungen des Wortes Gottes forschen, die darauf Bezug haben.

14. Die Zusammenkunft zum Brechen des Brotes

Zweck

Welches ist der Sinn und Zweck dieses Zusammenkommens, das in den Zeiten der Apostel wohl eine der Hauptzusammenkünfte war?

Der 1. Brief an die Korinther gibt uns im Besonderen darüber Aufschluss (1 Kor 11,20-34). Denn vielen von diesen Gläubigen war die Bedeutung des Brotbrechens nicht mehr klar. Sie betrachteten es als ein «gemeinsames Essen», bei dem aber nicht einmal das einfache Gebot der Liebe beachtet wurde: Die einen wurden trunken und andere blieben dabei hungrig. Diesen Umstand benützte der Heilige Geist, um uns durch den Apostel verschiedene Belehrungen zu geben. Nein, sagt er, wenn ihr es so macht, «so ist das nicht des Herrn Mahl essen … Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken?» Dann nimmt er Bezug auf die Einsetzung des «Abendmahls» durch den Herrn selbst. Nicht nur die Zwölf hatten es gesehen, auch Paulus wurde von Ihm selbst darüber unterrichtet, «dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm, und als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.»

Aus diesen Worten geht hervor, dass das Brot und der Kelch mit Wein, die das Mahl des Herrn ausmachen, Bilder oder Symbole sind von dem Leib des Herrn, der am Kreuz für uns hingegeben worden und von dem Blut des Herrn, das für uns geflossen ist. Sie sollen uns an die Person unseres Herrn und an sein für uns vollbrachtes Werk erinnern. Lesen wir doch in Verbindung mit der Feier des Mahls des Herrn dreimal das Wort Jesu: «Dies tut zu meinem Gedächtnis». (Lk 22,19; 1. Kor 11,24.25). Die Gläubigen, die «das Brot essen und den Kelch trinken», verkündigen überdies in der Sprache dieser Zeichen immer wieder den Tod des Herrn als die alleinige Grundlage für die Errettung von Sündern.

Wenn Er von dem Brot sagte: «Dies ist mein Leib» und von dem Kelch: «dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut», so dürfen wir dabei also unmöglich an eine geheimnisvolle Verwandlung dieser Speise, die der Bäcker herstellt, und dieses Trankes, der von den Reben kommt, in den Leib und in das Blut des Herrn denken. In grossen Teilen der Christenheit wird solches gelehrt und man behauptet dabei, durch den Genuss dieser Dinge werde der Christ passender für den Himmel, indem er dadurch Sündenvergebung empfange. – Das sind Irrlehren, die von der Heiligen Schrift in keiner Weise gestützt werden.

«Dies tut zu meinem Gedächtnis!» ruft der Herr seinen Jüngern, den Erlösten allen zu. Gehorchst du seinem Gebot, gläubiger Freund?

Wie oft soll des Herrn Mahl gefeiert werden?

Wir finden hierüber im Wort keine direkten Anweisungen. Aus Apostelgeschichte 2,46 geht aber hervor, dass die Gläubigen in Jerusalem zuerst täglich das Brot brachen. In den Versammlungen, die später gebildet wurden, scheint es aber die Gewohnheit gewesen zu sein, an jedem ersten Tag der Woche (Apg 20,7) zum Brechen des Brotes zusammenzukommen. Der Herr selbst erwartet, dass es oft geschehe (1. Kor 11,26), und die Christen jener Tage hatten in der Frische ihrer ersten Liebe die dauernde Gewohnheit, das Brot zu brechen, in liebender Erinnerung an ihren Herrn. Sie waren mit dem Heiligen Geist erfüllt, so dass Christus immer vor ihren Herzen stand, Es drängte sie daher, dieses Fest entsprechend seinem ausdrücklichen Wunsch nicht nur ein paar Mal pro Jahr oder einmal im Monat, sondern oft zu feiern. Sollten die Gläubigen unserer Tage hierin zurückstehen? Wir werden ja aufgefordert, den Tod des Herrn zu verkündigen bis Er kommt!

Wie man des Herrn Mahl feiern soll

Die Tatsache, dass der Herr es nicht stillschweigend hinnehmen kann, wenn Gläubige in unwürdiger Weise an seinem Mahl teilnehmen (1. Kor 11,26-34), zeigt uns eindrücklich, welche Bedeutung Er selbst dem Zusammenkommen zum Brechen des Brotes beimisst. Wer unter den Seinen das Brot und den Kelch gedankenlos und leichtfertig entgegennimmt, wie wenn er an einem gewöhnlichen Mahl sässe, oder wer meint, durch das Essen und Trinken einen schlechten, ungerichteten Herzenszustand mit dem Mahl des Herrn in Verbindung bringen zu dürfen, den betrachtet Er als einen, der seines Leibes und Blutes schuldig ist!

Diese Gedanken des Herrn sind für uns ausschlaggebend. Es ist des Herrn Mahl (1. Kor 11,20). Paulus hat die Anweisungen dazu vom Herrn empfangen (1. Kor 11,23), und wer sie Vers missachtet, hat es mit dem Herrn selbst zu tun (1. Kor 11,32).

Unser Herzenszustand der Wochentage begleitet uns in den Sonntag hinein. Waren wir durch die Gnade des Herrn bestrebt, würdig des Evangeliums des Christus (Phil 1,27), würdig unserer Berufung (Eph 4,1), würdig des Herrn (Kol 1,10) und würdig des Gottes, der uns zu seinem eigenen Reiche und zu seiner eigenen Herrlichkeit beruft (1. Thes 2,12), zu wandeln, so werden wir auch am Brechen des Brotes in würdiger Weise teilnehmen. – Wenn uns aber jeden Tag Weltförmigkeit, ein Haschen nach der Lust des Fleisches, nach der Lust der Augen und ein Wandel im Hochmut des Lebens kennzeichnet (1. Joh 2,16), so werden wir auch am Tisch des Herrn im gleichen, unwürdigen Zustand zugegen sein. Unsere Gedanken kehren sich immer wieder den Dingen zu, die während der Woche unser Herz erfüllten. Der Herr selbst beurteilt uns. Verharren wir trotz seiner Mahnungen in einem solchen unwürdigen Zustand, wird Er vielleicht wie bei den Korinthern mit Gericht einschreiten müssen. «Denn wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet. Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil entschlafen» (1. Kor 11,29.30).

«Jeder prüfe sich selbst»

Wir ersehen aus den obigen Worten, wie wichtig es ist, dass wir täglich in steter Wachsamkeit und im Selbstgericht vorangehen. Dass doch solche Übungen zu unserer Lebensgewohnheit würden! Zu einem glücklichen Christenleben sind sie unumgänglich notwendig.

«Also esse er»

Liegt hierin nicht eine grosse Ermunterung? Wenn unser Gewissen belastet ist, so will der Herr nicht, dass wir uns vom Brotbrechen zurückhalten, sondern dass wir unsere Sünden Gott und, wenn nötig, auch den Menschen bekennen. Er ist treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit (1. Joh 1,9). Dann dürfen wir herzunahen und das Gedächtnis unseres Herrn in Aufrichtigkeit und in einer Ihm würdigen Weise feiern.

Ich bin unwürdig!

Angesichts der Heiligkeit des Mahls des Herrn könnte jemand auf den unrichtigen Gedanken kommen, er werde sich nie würdig fühlen, daran teilzunehmen. In 1. Korinther 11 wird aber nicht gesagt, viele der Korinther seien als Personen unwürdig gewesen. Das wird nur von ihrem Zustand und von der Art und Weise gesagt, in der sie gegessen und getrunken haben. Wer von uns wäre von sich aus würdig zur Teilnahme am Mahl des Herrn, wenn uns nicht Christus in unserem verlorenen Zustand begegnet wäre, uns durch sein Blut gewaschen und uns passend gemacht hätte für seine Gegenwart?

Der Tisch des Herrn

Bis dahin haben wir uns aufgrund von 1. Korinther, Kapitel 11 hauptsächlich mit dem Mahl des Herrn beschäftigt. Nun aber wenden wir uns dem 10. Kapitel zu, das den Tisch des Herrn und die damit verbundenen Wahrheiten vor uns hinstellt.

Worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Dingen? Wir wollen es anhand eines Bildes klarzumachen suchen:

Ein Mann hat zum Abendessen Freunde eingeladen. Vor ihnen steht nun das Mahl des Hausherrn. Jeder der Geladenen geniesst davon und wird sich dabei vielleicht über den Gastgeber Gedanken machen, über seine Einfachheit oder seinen Reichtum, seine Gewohnheiten, seine Aufmerksamkeit usw. Sein Mahl verrät das alles. – Die Freunde sitzen dabei aber auch am Tisch des Hausherrn. Jeder, der von seinem Mahl geniesst, gehört jetzt zu seiner Tischgemeinschaft. Ist er ein rechtschaffener und geachteter Mann, wird er daher nicht Leute mit umstürzlerischen Ideen oder mit unmoralischem Lebenswandel an seinen Tisch geladen haben, sonst würde ja sein guter Name mit diesen Dingen in Verbindung gebracht und dadurch verunehrt. – Diese Tischgemeinschaft ist zudem aber auch der Ausdruck der Verbundenheit der Geladenen. Jeder steht in Beziehung zum Hausherrn und seinen Interessen und geniesst von den Speisen, die auf seinem Tisch sind.

Jetzt verstehen wir vielleicht etwas besser, was 1. Korinther 10,14-22 uns sagen will, obwohl die Bedeutung dieser Stelle weit über unser schwaches Bild hinausgeht:

Das Mahl und der Tisch des Herrn sind zwei ganz verschiedene Seiten ein und derselben Sache. Das Mahl des Herrn dient, wie wir gesehen haben, sowohl zum Gedächtnis als auch zur Verkündigung der Liebe und des Werkes des Herrn in seinem Tod. Der Tisch des Herrn hingegen spricht von Gemeinschaft.

Die Symbole zum Gedächtnis in 1. Korinther 11 werden in 1. Korinther 10 als Symbole der Gemeinschaft betrachtet.

Wenn die Gläubigen am Tisch des Herrn den Kelch segnen und daraus trinken, so bekunden sie damit die Gemeinschaft mit dem Blut des Christus (1. Kor 10,16). Die Sühnung durch dieses Blut bildet die Grundlage ihrer Gemeinschaft mit Gott und untereinander. – Wenn sie am Tisch des Herrn das Brot brechen, so ist es nicht nur zur Erinnerung an den für sie gegebenen Leib des Herrn. Sie geben damit auch ihrer Gemeinschaft mit dem unsichtbaren Leib des Christus Ausdruck, der aus allen wiedergeborenen Christen auf der Erde gebildet ist und Christus in der Herrlichkeit zum Haupt hat (Eph 1,22.23). «Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.» (1. Kor 10,17).

Somit ist des Herrn Tisch die öffentliche Darstellung der Einheit des Leibes Christi, der Ausdruck der Gemeinschaft, der völligen Vereinigung mit Ihm und seinem Leib, an dem alle Erlösten teilhaben, wie die Glieder am menschlichen Körper. Beim Tisch des Herrn geht es also nicht um das Möbelstück, auf das der Kelch und das Brot hingestellt sind, sondern um den göttlichen Grundsatz, um den schriftgemässen Boden, auf dem das Brot gebrochen werden soll.

Da mögen bei einigen Lesern Fragen auftauchen, die wir möglichst kurz und einfach zu beantworten suchen.

Kann der Christ das «Abendmahl» für «sich selbst» feiern?

Viele aufrichtige Gläubige in der Christenheit bejahen diese Frage. Sie «prüfen sich selbst» und gehen zum Abendmahl, wo sie in tiefer Ehrfurcht, für sich persönlich an die Liebe des Herrn denken, die Ihn in die Leiden und in den Tod führte, um die Sünden des Einzelnen zu sühnen und ihn zu Gott zu bringen. Sie meinen, es sei nicht ihre Sache, sich zu vergewissern, dass an dem Ort, wo sie das Abendmahl nehmen, Zucht geübt wird und die Ungläubigen nicht zugelassen sind. Aber, ob sie es wissen oder nicht, das Mahl, das sie geniessen, steht immer in Beziehung zu einem Tisch, zu einem Grundsatz der Gemeinschaft. Und sie sind daher vor dem Herrn verantwortlich zu prüfen, ob der Tisch, mit dem sie in Verbindung stehen, wirklich den Charakter des Tisches des Herrn trägt.

Wo ist heute des Herrn Tisch?

Die kurze grundsätzliche Antwort, die aufgrund des Wortes Gottes gegeben werden kann, lautet: Da, wo der Herr Jesus das alleinige Zentrum des Zusammenkommens ist. Wo mit seinem heiligen Namen nicht Ungerechtigkeit und andere schriftwidrige Dinge in Verbindung gebracht werden. Wo zu diesem Zweck Zucht geübt wird. Wo die Autorität des Herrn anerkannt ist und nicht durch unabhängiges Handeln beiseite gesetzt wird. Wo man keine Kinder Gottes durch Mauern der Organisation oder des Sonderbekenntnisses von der Gemeinschaft ausschliesst, sondern wo man alles zu meiden sucht, was der Wahrheit, dass alle Erlösten auf der Erde zu dem einen Leibe des Christus gehören, entgegensteht.

Wer darf an des Herrn Tisch am Brechen des Brotes teilnehmen?

Jeder, der nach 1. Kor 10,17 mitsprechen kann: «Ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot», also jeder aus Gott Geborene, der in Wandel und Lehre gesund ist und sich von allem absondert, was mit dem Grundsatz des Tisches des Herrn nicht übereinstimmt.

Da aber die örtliche Versammlung vom Herrn verantwortlich gemacht wird, dass sie nicht mit «Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit» Festfeier hält, sondern mit «ungesäuertem Brot der Lauterkeit und Wahrheit» (1. Kor 5,8), so liegt es auf der Hand, dass die Person, die am Tisch des Herrn der Gemeinschaft Ausdruck geben möchte, von der örtlichen Versammlung geprüft werden muss, ob sie den durch das Wort gegebenen Voraussetzungen entspricht.