Gedanken zu Psalm 107

Psalm 107

Die Erfahrungen der einzelnen Gläubigen im Alten Testament gleichen in vieler Hinsicht den unseren. Ihr Leben verlief auch nicht ohne Schwierigkeiten, aber sie hatten wie wir eine Beziehung zu Gott, zu dem sie sich jederzeit im Gebet wenden konnten. Einer der Unterschiede zwischen jenen Heiligen, die unter dem Gesetz lebten, und uns, die wir in der Gnade stehen, ist der, dass wir Gott als Vater kennen und freien Zugang zu Ihm haben. Eine solche Nähe kannten die Gläubigen des Alten Testaments noch nicht.

Verse 1,2

Der Psalm beginnt mit einem Lobpreis über die Güte Gottes. Wer kann ein solches Lob anstimmen? Es sind die Erlösten des Herrn, so viele Er aus der Macht Satans, der Welt und der Sünde befreit hat. Wann hast du deinem Heiland zum letzten Mal mit glücklichem Herzen dafür gedankt, dass Er dich erlöst hat?

Vers 3

Die Erlösten des Herrn kommen von überall her, aus jedem Volk und aus jeder sozialen Schicht der menschlichen Gesellschaft. Aber Gott will nicht, dass sie als Einzelgänger durch diese Welt pilgern. Er sammelt sie. Heute, in der Zeit der Gnade, hat Er sie in der Versammlung zusammengestellt.

Verse 4,5

Jeder Mensch, der sich im Glauben zu dem Herrn Jesus wendet, erfährt, dass die Welt, in der er sich als Ungläubiger wohlgefühlt hatte, zu einer Wüste geworden ist. Er spürt die Gottlosigkeit, die ihn umgibt, und weiss nicht, wie er in dieser Umgebung den rechten Weg finden kann. Hier ist er nicht mehr zu Hause. In seinem Herzen wächst die Sehnsucht nach der wahren Heimat. Zudem nährt das, was die Welt zu bieten hat, das Herz in keiner Weise. Es lässt die Seele unbefriedigt und durstig. Wo findet der Erlöste die nötige Hilfe?

Verse 6,7

Im Gebet! Es ist das grosse Vorrecht jedes Gläubigen, im Gebet Verbindung mit dem Himmel aufzunehmen. Wir haben durch unseren Erlöser freien Zugang zum Vater (Eph 2,18; 3,12). Je nach Art unserer Notlage kann dieses Gebet zu einem Flehen, Rufen und Schreien werden. Gott wird hören und antworten. Er zeigt uns, dass es mitten durch diese Welt einen Pfad gibt, der Ihm wohlgefällt. Der rechte Weg ist zwar schmal; aber es gibt jemand, der ihn schon gegangen ist: unser Herr Jesus Christus. Nun dürfen wir seinen Fussstapfen nachfolgen (1. Pet 2,21). Dieser Weg führt zu einem herrlichen Ziel, zum Vaterhaus droben, zur Heimat der ewigen Liebe (Joh 14,2-6).

Verse 8,9

Und wenn Gott unser Gebet erhört hat? Wie leicht vergessen wir dann das Danken! Möchten wir Ihn dafür preisen, dass Er uns sowohl Wegweisung als auch Nahrung für unseren inneren Menschen schenkt.

Verse 10-16

Und wie sieht es aus, wenn wir aus eigener Schuld in Not geraten sind? Wenn es dunkel geworden ist um uns her, weil wir nicht auf Gottes Wort hören wollten und den Rat des Höchsten verachtet haben? Müssen wir dann verzweifeln? Nein, auch dann dürfen wir unsere Zuflucht zum Gebet nehmen und Gott unsere Schuld und Not bekennen. Wie gnädig ist Er! Er lässt es wieder hell werden. Und wenn Er die Folgen verkehrter Wege nicht wegnimmt, dann schenkt Er in seiner Gnade doch die Kraft, sie zu tragen, so dass wir den Weg mit dem Herrn wieder weitergehen können. Und weil Gott weiss, wie undankbar unsere Herzen sind, ermahnt Er uns, nach dieser Befreiung das Preisen und Danken nicht zu vergessen.

Verse 17-22

Es kann sein, dass wir unsere verkehrten Wege eingesehen haben. Aber die Betrübnis darüber und die Folgen unserer Sünde treiben uns fast zur Verzweiflung (2. Kor 7,10). Was dann? Wieder dürfen wir uns in das Gebet flüchten. Die Verbindung zum Himmel steht uns auch in solchen Lagen offen. Niemand braucht zu verzweifeln. Und wie sieht die Antwort und Hilfe des Herrn aus? Sie erfolgt in drei Stufen:

  1. Gott sendet sein Wort, um das Böse aufzudecken und es beim Namen zu nennen. Für eine vollständige Wiederherstellung ist eine klare Sündenerkenntnis unerlässlich.
  2. Er heilt, indem Er uns den Weg zeigt, auf dem wir seine väterliche Vergebung erlangen können: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» (1. Joh 1,9).
  3. Er errettet aus der Grube, d.h. Er schenkt uns aufs Neue die Freude und den Genuss der wiederhergestellten Gemeinschaft mit Ihm. Er selbst hat durch seine Vergebung das weggenommen, was unsere Gemeinschaft getrübt hat, und Er will es nie mehr hervorholen (Heb 10,17.18). Ist das nicht Grund genug, Ihn dafür zu rühmen und sich aufs Neue zu freuen?

Verse 23-27

In diesen Versen wird unser Lebensweg nicht mehr mit einem öden Pfad durch die Wüste verglichen, sondern mit einer Fahrt über das Meer. Es gibt wohl kein Leben, in dem nicht zuweilen Stürme aufkommen, die unser Schiff und uns selbst durcheinanderschütteln. Aber lasst uns nicht vergessen: Es ist der Herr, der die Stürme schickt. Er sorgt dafür, dass unser Schifflein nicht kentert. Denken wir an die Erfahrungen der Jünger (Mk 4,37-41)!

Verse 28-30

Auch in solchen Drangsalen dürfen wir unsere Not, unsere Angst und unsere Ratlosigkeit im Gebet vor unseren Herrn bringen. Er kann den Sturm in Stille verwandeln. Vielleicht stillt Er wie einst bei seinen Jüngern den äusseren Sturm und macht unsere Umstände wieder erträglicher. Sicher aber möchte Er unserer inneren Unruhe begegnen, indem Er uns den Frieden Gottes ins Herz senkt (Phil 4,6.7). Er selbst genoss während seines Erdenlebens diesen Frieden, der durch keine menschliche Not, mag sie noch so gross sein, erschüttert werden kann (siehe Mk 4,37.38). Nun wünscht der Herr auch unseren Herzen diese für unseren Verstand unbegreifliche Ruhe. Wenn wir uns innerlich beruhigen, wird auch die Freude zurückkehren. Und bald werden wir im ersehnten Hafen, im Vaterhaus anlangen, wo die Ruhe ewig währen wird (Heb 4,9.10).

Verse 31,32

Wenn wir am himmlischen Ziel angelangt sind, werden wir auf unser Leben zurückblicken und all die unzähligen Gütigkeiten des Herrn richtig erkennen können. Nichts anderes als ewiges Lob gegenüber unserem Gott wird die Folge eines solchen Rückblicks sein.

Verse 33-41

Entsprechend der Fussnote von Vers 33 können diese Verse auch in der Vergangenheitsform stehen. Sie gleichen dann einem Rückblick auf alle Bewahrungen, Führungen, Wundertaten und Gütigkeiten des Herrn im Leben eines Gläubigen. – Natürlich beziehen sich diese Worte im Besonderen auf die Erfahrungen des Volkes Israel. Aber sind sie nicht geistlich auch auf uns anwendbar?

Vers 42

Wir wollen bei allen diesen Erfahrungen, die jeder Gläubige mit seinem Gott machen darf, nicht vergessen, dass Aufrichtigkeit eine allgemeine Bedingung ist, um den Segen von Gott zu empfangen. Hingegen wird Gott jeder Selbstsucht und allem Hochmut widerstehen.

Vers 43

Wer ist weise? Jeder, der sich von Gott belehren lässt und dadurch Verständnis über manche Wege Gottes bekommt. Natürlich werden wir viele seiner Gütigkeiten erst in der Ewigkeit erkennen und verstehen. Aber lasst uns die eine Gewissheit in jeder Lage festhalten: «Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind» (Röm 8,28). So endet der Psalm, wie er beginnt: mit der Güte des Herrn.