Am Anfang und am Schluss des Lukas-Evangeliums wird von «grosser Freude» gesprochen. Beide Male steht sie in Verbindung mit der Person des Herrn Jesus.
Ihre Ankündigung in Bethlehem (Lukas 2,8-20)
Zur Zeit der Geburt Jesu waren Hirten in jener Gegend, die in der Nacht Wache hielten über ihre Herde. Es waren bescheidene Leute, einige der wenigen aus dem Volk der Juden, die auf Erlösung warteten und bereit waren, Christus, den Herrn, als Erretter aufzunehmen, auch wenn Er in Armut zu ihnen kam und bei der Geburt in eine Krippe gelegt wurde.
Zu diesen wurde ein Engel des Herrn gesandt mit der Botschaft: «Siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die für das ganze Volk sein wird» (Lk 2,10.11). Und eine Menge der himmlischen Heerscharen ergänzten diese Kunde, indem sie sprachen: «Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf der Erde, an den Menschen ein Wohlgefallen!» (Vers 14).
Diese herrlichen, von Gott gesandten Verkündigungen waren hier erst Verheissungen, die für die Juden und ganz Israel erst in Erfüllung gehen konnten, nachdem der jetzt erschienene Erretter das Erlösungswerk am Kreuz vollbracht hatte und sie Ihn durch tiefe Buße und Glauben als ihren Christus und Herrn aufnehmen würden.
Für das irdische Volk, mit dem Gott die Beziehung abgebrochen (Hos 1,6.9) und noch nicht wieder aufgenommen hat, ist «die grosse Freude» noch zukünftig.
«Grosse Freude» in Bethanien (Lukas 24,50-53)
Was hatte sich seit der Szene in Bethlehem doch alles ereignet! Als Jesus Christus etwa dreissig Jahre alt geworden war, hatte Er seinen Dienst unter dem Volk begonnen.
Da erfüllte sich das Wort des Propheten: «Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein grosses Licht gesehen; die da wohnen im Land des Todesschattens, Licht hat über ihnen geleuchtet» (Jes 9,1). Der Mensch gewordene Sohn Gottes war in seinem Leben und durch seine Botschaft das Licht der Menschen. «Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen» (Mt 9,35).
Aber das Volk hat die Finsternis mehr geliebt als dieses «grosse Licht» und hat den, der ihr «Christus, der Herr» war, verworfen. Sie haben Ihn sogar gekreuzigt und umgebracht. Sie wussten nicht, dass Er am Kreuz das Erlösungswerk erfüllen und dadurch ihr Erretter werden sollte, den das Volk einst zu seinem Heil annehmen würde.
Doch gab es schon damals eine kleine Jüngerschar, die an den Herrn Jesus glaubte und Ihm nachfolgte. Sie hofften aber, «dass er der sei, der Israel erlösen solle» (Lk 24,21). Sie hatten bis zuletzt Mühe zu begreifen, dass Er zuvor der Erretter werden musste, der das Volk nicht nur von fremder Herrschaft, sondern von ihren Sünden befreien würde. Der wiederholte Hinweis ihres Herrn auf seine Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung, wie auch die Mitteilung von seinem Hingehen zum Vater, brachte in ihren Herzen vorerst Traurigkeit hervor (Joh 16,6.22).
Doch die Erscheinung des Auferstandenen in ihrer Mitte, nach vollbrachtem Erlösungswerk, und die Tatsache, dass sie Ihn während vierzig Tagen sehen und auch betasten konnten, brachte einen grossen Umschwung in ihrem Innern hervor. Sie hatten jetzt seine Worte über «die Dinge, die das Reich Gottes betreffen», angenommen. Sie wussten nun, dass wenn der Herr Jesus in den Himmel auffuhr, Er wiederkommen würde, um sein Reich aufzurichten. Auch zwei Engel bestätigten ihnen dies (Apg 1,3.6.11). Oh, jetzt kehrten sie mit grosser Freude nach Jerusalem zurück und lobten und priesen Gott (Lk 24,52.53). Sie warteten dort auf «die Verheissung des Vaters», den Heiligen Geist, die Kraft aus der Höhe – eine glückselige Erfahrung, die ihnen noch unbekannt war.
Grundlagen unserer «grossen Freude»
Diese «grosse Freude» ist schon in der jetzigen Zeit auch das Teil derer, die durch Glauben an den Herrn Jesus zum himmlischen Volk Gottes, zu seiner Versammlung gehören. In 1.Johannes 1,3.4 wird sie als «völlige Freude» beschrieben. Sie besteht in der ungetrübten Gemeinschaft «mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus».
Ob wir diese Freude allezeit voll geniessen oder nicht – sie ist uns dadurch gegeben, dass wir in dem Wahrhaftigen sind, «in seinem Sohn Jesus Christus», der «der wahrhaftige Gott und das ewige Leben» ist (1. Joh 5,20).
Unterwiesen durch die Schriften des Neuen Testaments, dürfen wir uns immer wieder der Person Christi erfreuen, in dem «die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt» (Kol 2,9) und der uns in die kostbaren, unauflöslichen Beziehungen zu sich und dem Vater eingeführt hat.
Der Heilige Geist in uns ist es, der uns ununterbrochen mit diesen himmlischen Tatsachen beschäftigen will. Möchten wir Ihm folgen!
Die «grosse Freude» für das ganze Volk
Der Engel des Herrn hat in Bethlehem diese Freude für das ganze Volk angekündigt, aber sie ist, wie wir sahen, noch nicht Wirklichkeit geworden, weil sie den von Gott gesandten Erretter verworfen haben.
Vielen werden erst in den Tagen der Drangsal über den wahren Christus die Augen aufgehen. Sie bilden einen gläubigen Überrest unter dem Volk der Juden, der von den Ungläubigen – besonders unter dem Antichristen – schreckliche Verfolgungen und zum Teil den Tod erleiden muss. Schon vom 6. Kapitel der Offenbarung an wird dieser gläubige Teil des Volkes immer wieder erwähnt. Schliesslich wird er durch Christus, der in Herrlichkeit herabkommt, befreit und in sein Reich eingeführt werden. Bei seinem Anblick geben sie ihrer tiefen Reue und Buße über das Ausdruck, was sie Ihm bei seinem ersten Kommen angetan haben: «Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen» (Sach 12,10).
Dann kommt endlich auch für jenen gläubigen Überrest aus dem Volk der Juden «die grosse Freude». Das wird uns in Jesaja 9,2-6 mitgeteilt: «Du hast die Nation vermehrt, hast ihr gross gemacht die Freude; sie freuen sich vor dir, gleich der Freude in der Ernte, wie man frohlockt beim Verteilen der Beute.» Nicht nur die Befreiung aus der jahrhundertelangen Knechtung unter die Nationen und das Ende der blutigen Verfolgung durch die Ungläubigen des eigenen Volkes (Jes 9,3 und 4) ist der Grund dieser Freude, sondern Christus selbst. Sie kehren nun gleichsam nach Bethlehem zurück und betrachten von da aus, wie von neuem, seine Sendung mit Augen des Glaubens.
Einst hatten nur einzelne aus dem Volk das vor Gott und für die himmlischen Heerscharen so überaus bedeutsame Ereignis der Geburt des Retters und Heilandes Jesus Christus als Mensch mit Freuden begrüsst:
- Die einfachen Hirten waren zu Ihm geeilt und hatten dann das Wort der Himmelsboten überall kundgemacht.
- Ein Simeon nahm das Kind in die Arme und sprach herrliche Worte der Weissagung über das Heil in Ihm aus.
- Die Prophetin Anna redete von Ihm zu allen, die auf Erlösung warteten in Jerusalem.
- Auch von den Nationen, aus dem Morgenland, kamen Magier, um «den König der Juden, der geboren worden ist», anzubeten.
Aber ihre Nachfrage rief in ganz Jerusalem Bestürzung, nicht Freude hervor, obwohl die Schriftgelehrten den Geburtsort nach den Prophezeiungen genau bezeichnen konnten. Sie verlangten nicht nach dem verheissenen König. Herodes fasste sogar den Plan, das Kind zu töten.
Im Gegensatz dazu wird sich das wiederhergestellte Volk in der Zukunft mit tiefer Freude bewusst werden: «Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben» (Jes 9,5). Er ist ja für uns gekommen, sagen sie sich, um in zweifacher Weise unser Retter zu sein: ein Heiland zur Sühnung unserer Sünden und ein Befreier von allen unseren Feinden. Mit Herzen, die Ihm voll zugetan sind, werden sie sich der Herrschaft unterwerfen, die auf seiner Schulter ruht.
Als Christus das erste Mal auf die Erde kam, haben die Obersten samt dem Volk Ihn als «Jesus von Nazareth» gering geachtet. «Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten. Er war verachtet und verlassen von den Menschen» (Jes 53,2.3). Obwohl sie Gottes moralische Herrlichkeiten an Ihm sehen konnten und Zeugen seiner Wunderwerke waren, hatten sie seine Gottessohnschaft geleugnet.
Das durch Drangsal geläuterte Volk hingegen wird die ewige Grösse der Person ihres Christus durch Glauben erkennen. Sie nennen Ihn dann: «Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst» (Jes 9,5). Hat Er, der ihr Friedefürst sein wird, in der Schöpfung nicht seine ewige Macht und Herrlichkeit offenbart, als Er als «das Wort» die Welten erschaffen hat? «Das Wort war Gott … alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist» (Joh 1,1-3).
Ja, wie wird diese Erkenntnis der unendlichen Grösse ihres Königs die «grosse Freude» des ganzen Volkes Israel erhöhen, wenn es in seinem Reich auf der Erde leben wird. Es wird sagen: «Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen preisen immer und ewig … gross ist der HERR und sehr zu loben, und seine Grösse ist unerforschlich» (Ps 145,1.3).
Oh, wie gross wird die Freude sowohl im Himmel als auch auf der Erde sein, wenn die herrliche Person des Herrn Jesus Mittelpunkt aller Erlösten ist! – Da uns Kindern Gottes schon jetzt die völlige Freude gegeben ist, dürfen wir auch hier auf der Erde täglich darin leben, indem wir die Herrlichkeiten unseres Herrn betrachten.