David litt unsäglich unter der andauernden Verfolgung durch Saul. Gott hatte anstelle dieses ersten Königs doch ihn, den Sohn Isais, den Schafhirten, zum König über Israel salben lassen. Aber Saul, den Er wegen seines Ungehorsams verworfen hatte, wollte nicht abdanken. Gott liess ihm noch den Thron und die königliche Macht. Gerade dadurch wollte Er David in seine Schule nehmen und seinen Glauben vertiefen. Er schenkte ihm auch die Gabe, seine Glaubensübungen zu unserem Segen und unserer Ermunterung in Worte zu fassen und niederzuschreiben. Viele davon sind ja prophetische Aussprüche, die sich in dem leidenden Christus, dem vollkommenen Menschen und Erretter, dem von Gott gesalbten König erfüllen sollten.
Die Voraussetzung Davids: «Wenn ein Heer sich gegen mich lagert», war für ihn nicht bloss eine theoretische Möglichkeit. Diese tödliche Bedrohung musste er immer wieder erleben. Aber jedes Mal hat ihn Gott bewahrt.
- Als David in Kehila war, rief Saul alles Volk zum Streit auf, um nach Kehila hinabzuziehen. Aber Gott liess David wissen, dass er sich nicht auf die Leute jener Stadt verlassen könne – und er entkam (1. Sam 23,7-13).
- Anschliessend «suchte Saul ihn alle Tage» mit seinem Heer, «aber Gott gab ihn nicht in seine Hand» (Vers 14).
- Dann verrieten die Siphiter das Versteck Davids. Saul war nahe daran, seiner habhaft zu werden – doch da kam ein Bote zu Saul mit der schlimmen Nachricht: «die Philister sind ins Land eingefallen», und Saul musste von der Verfolgung abstehen (Verse 19-28).
- Zweimal gab Gott den König Saul sogar in Davids Hand (als dieser mit seinen 3000 auserlesenen Männern ihn verfolgte), indem Er einen tiefen Schlaf auf seinen Feind (1. Sam 24,4) und zum zweiten Mal sogar auf sein ganzes Heerlager fallen liess (1. Sam 26,2.12).
Können wir uns vorstellen, was es für David sein musste, so pausenlos von einem Feind gesucht und umhergejagt zu werden, mit dem einzigen Ziel, ihn ohne jedes Erbarmen zu töten? Saul stand jederzeit ein grosses Heer von auserlesenen Kriegern zur Verfügung. Wie viele Ängste und Nöte bedrängten da den jungen Gläubigen! In Psalm 56 ruft er aus:
«Meine Feinde schnauben den ganzen Tag … Sie rotten sich zusammen, verstecken sich, sie beobachten meine Fersen, weil sie meiner Seele auflauern … Mein Umherirren zählst du. Lege in deinen Schlauch meine Tränen …»
Konnte sich denn David nicht zur Wehr setzen? In der Verfolgungszeit hatten sich doch Hunderte von tüchtigen Männern bei ihm eingefunden, die sich später als grosse Helden erwiesen (2. Sam 23). In der Tat, manche Gelegenheit bot sich, um den Erzfeind «unschädlich» zu machen. Einmal hatte er dem schlafenden König nur einen Zipfel seines Oberkleides abgeschnitten. Aber nachher schlug ihm sein Herz, und er sprach zu seinen Männern: «Der HERR lasse es fern von mir sein, … meine Hand gegen ihn auszustrecken, denn er ist der Gesalbte des HERRN» (1. Sam 24,7.8).
Wollen wir da ein wenig bei uns selbst stehenbleiben? Auch wir haben einen Feind, der die Menschen zu verderben sucht. Selbst die Kinder Gottes bringt er in dieser Welt, soweit es Gott ihm erlaubt, in mancherlei Bedrängnis. Ein grosses Heer steht ihm dabei zur Verfügung; nicht nur die unreinen, bösen Geister gehören dazu, sondern auch die Menschen, die noch in der Finsternis sind und unter der Gewalt Satans stehen. Sein Ziel dabei ist unter anderem, dass die Gläubigen durch eine solche Belagerung in Unruhe, in Furcht und innere Not geraten, dass ihre Herzen von einem Heer unüberwindlicher Sorgen erfüllt werden.
David hat in der langen Verfolgungszeit in seinen Gedichten immer wieder seinem festen Vertrauen auf Gott Ausdruck gegeben. Aber beachten wir, was er in unserem Psalm unter der Leitung des Geistes Gottes ausspricht. Da zeigt er den Weg, der auch uns aus jeder inneren Bedrängnis herausführt, auch wenn sich die äusseren Umstände nicht ändern. Er sagt:
«Wenn ein Heer sich gegen mich lagert, nicht fürchtet sich mein Herz … Eins habe ich von dem HERRN erbeten, danach will ich trachten: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit des HERRN und nach ihm zu forschen in seinem Tempel.»
Auffallend ist, dass der Verfolgte hier nicht flehte, Gott möge das schreckliche Heer des Feindes für immer verjagen und dessen Anführer, den Er doch schon längst als König verworfen hatte, endlich beseitigen. Er betete nicht um Hilfe, sondern begehrte, im Geist bei dem Helfer selbst zu wohnen und unaufhörlich dessen Lieblichkeit, Herrlichkeit und Macht anzuschauen. Wurde ihm dieses gewährt, dann kehrten von oben her Ruhe und Frieden in seinem Herzen ein, und die Sorgenwolken, die ihm den Himmel verdeckten, lösten sich auf. – Darf das nicht auch unsere Erfahrung sein?
Dafür haben wir ja eine bekannte Illustration in 2. Könige 6,14-17. Gehasi geriet dort in grosse Unruhe und Angst, als er frühmorgens hinaustrat und feststellte, dass ein starkes feindliches Heer der Syrer in der Nacht gekommen war und Dothan umzingelte, um den Propheten zu fangen. «Ach mein Herr!» rief er aus, «was sollen wir tun?» Er wusste nicht, wo Hilfe gefunden werden konnte. Aber Elisa sah den allmächtigen Helfer und sprach zu seinem Diener: «Fürchte dich nicht! Denn mehr sind die, die bei uns, als die bei ihnen sind.» Und er betete: «HERR, tu doch seine Augen auf, dass er sehe! Da tat der HERR die Augen des Knaben auf; und er sah: Und siehe, der Berg war voll feuriger Pferde und Wagen, rings um Elisa her».
David betete aber nicht nur um die Gnade, alle Tage seines Lebens im Haus des HERRN zu wohnen, er trachtete auch danach. Das sind zwei Dinge. Das erste tat Gott. Er erhört ein solches Gebet der Seinen. Durch seinen Geist zieht Er unseren Blick und unseren Sinn unermüdlich nach oben, auf Jesus Christus hin. Für das zweite sind wir verantwortlich. Das nimmt Er uns nicht ab. Er schiebt uns nicht wie Schachfiguren. Oh, wenn wir nicht, wie David, «nach diesem trachten», dann bleibt unser Blick am feindlichen Heerlager hängen. So sind Furcht und Sorge unvermeidlich. Sie schieben sich dann wie dunkle Wolken zwischen Gott und uns. Wie war das Herz des Herrn Jesus als Mensch doch Tag und Nacht auf den Vater gerichtet! Darum konnte Er sagen: «Der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue» (Joh 8,29).