Himmlische Quellen

«Ströme durch die Einöde» (Jesaja 43,19) – «Gottes Bach voll Wasser» (Ps 65,10) – das ist Gottes Vorsorge für den Gläubigen, Tag für Tag.

Wer kann ermessen, welche Fülle darin liegt! Das bedeutet, dass wir bei jedem Schritt auf dem Weg während des kommenden Jahres mit frischer Kraft versehen werden und so in einer Atmosphäre neuer Entfaltung von Liebe, Licht und Freude leben können. Das bedeutet auch, dass wenn wir mit dem himmlischen Pfad begonnen haben, wir dann auch nicht für einen einzigen Augenblick auf unsere eigenen Hilfsquellen angewiesen sind. Wie wichtig für uns, die wir nicht nur aufgefordert werden, in Neuheit des Lebens zu beginnen, sondern «in Neuheit des Lebens zu wandeln»!

Das schrittweise Geben ist Gottes Weise der Darreichung, schon wenn es sich um seine Gaben in der Natur handelt. Die Luft, die wir atmen, das Licht, der Sonnenschein – alles empfangen wir unmittelbar von Gott, Augenblick um Augenblick. Nie meinen wir, in dem Licht wandeln zu können, das wir vor zehn Minuten hatten, oder die Luft atmen zu können, die wir dann einatmeten. Die Kraft zu gebrauchen, die wir gestern hatten, ist nicht möglich, denn Gott will uns fortwährend in der Abhängigkeit von Ihm erhalten.

Wie ganz anders ist die Handlungsweise des Menschen! In allem, was mit der Erde und mit menschlicher Anfertigung verbunden ist, gilt der gegenteilige Grundsatz. Wir bekommen neue Kleider oder neuen Hausrat, und sorgen dann dafür, dass diese Dinge lange zu gebrauchen sind. Mit viel Mühe und Pflege, mit Bürsten und Reinigen können wir die Dinge für eine Zeit so erhalten, dass sie wie neu aussehen. Und im Leben von manchen besteht ein grosser Teil der Anstrengung in solchem Tun, also darin, den Schein aufrechtzuhalten. Aber trotzdem werden die Kleider fadenscheinig, abgenutzt, abgetragen; es ist nur eine Frage der Zeit.

Diese Anstrengungen in die himmlischen Dinge hineinzubringen – zu versuchen, die Wirkung von dem zu verlängern, was wir empfangen haben, statt beständig zum Herrn zu gehen für eine neue Zufuhr, ist bestimmt ein Fehler. Das Ergebnis wird Mangel und Enttäuschung sein. Tägliche Erneuerung ist, was Gott geben will – «der innere Mensch wird Tag für Tag erneuert» (2. Kor 4,16). Er will jeden Morgen Gnade und Kraft verleihen, frisches Öl, um das Angesicht leuchtend zu machen, neues Brot vom Himmel, um das Herz des Menschen zu stärken, frische Worte der Liebe für das sehnsüchtige Herz, neue Energie für das ermattete Leben, frische Kraft und neuen Mut für die erschlafften Hände und schwachen Knie, frischen Sonnenschein ins Dunkel, neue Gnade, Huld und Güte – und dies für jeden Schritt des Weges auf der Wüstenreise.

Statt dies zu glauben, machen wir grosse Anstrengungen, die frühere Liebe, das erste Gefühl der Freude über die Vergebung der Sünden, den ersten Eifer zu bewahren. Manche haben sich einmal zu einem definitiven Akt der Hingabe durchgerungen und versuchen dann, diese durch ein beständiges sich daran Erinnern aufrechtzuhalten. Aber was für eine arme Sache wäre es, wenn eine Frau nötig hätte, sich beständig an ihr Eheversprechen zu erinnern, so feierlich jener Akt auch gewesen sein mag. Die Liebe wächst durch Gemeinschaft, durch gegenseitige Verbundenheit und Vertrauen. Hingabe wird dann leicht und natürlich und angenehm. Treue ist gut, soweit sie reicht, aber weit besser ist die Liebe, die nicht treulos sein kann. Solche Liebe möchte der Heilige Geist fortwährend in unseren Herzen bewirken, eine Liebe, die auf die mächtige und zärtliche Liebe Christi antwortet, und die sich durch die wachsende Erkenntnis seiner Person vertieft und verstärkt.

Gottes Vorsorge für uns ist ein lebendiger Christus, in dem «die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt» (Kol 2,9), und die Innewohnung des Heiligen Geistes, der uns befähigt, diese Fülle in Anspruch zu nehmen, um jedem möglichen Bedürfnis zu begegnen. Der Heilige Geist ist der Kanal der Mitteilung, und wenn Er nicht betrübt ist, wird Er sein Werk tun und in unsere Seele – nicht die Erinnerung an die frühere Liebe, sondern – frische Liebe ausgiessen und Freude und Frieden, Kraft und Ausharren oder was immer wir benötigen. Aber das geschieht Augenblick um Augenblick.

Vertieft sich das Bedürfnis, so fliesst die Zufuhr umso reichlicher. Wenn der Heilige Geist uns mehr von den Schönheiten Christi zeigt, sehnen wir uns nach mehr Gemeinschaft und nach Ähnlichkeit mit Ihm. Und als Antwort auf diese Wünsche erfüllt sein Leben unsere hungernden und dürstenden Seelen, um sie zu befriedigen. So wie der Heilige Geist uns Christi Lieblichkeiten zeigt, können wir nicht anders, als Ihn umso mehr lieben; enthüllt Er uns immer mehr seine Zuneigung, Wahrheit und Weisheit, werden wir Ihm in wachsendem Mass vertrauen. Sinnen wir über sein Wort, wird Licht in unser Leben hereinleuchten und wir werden lernen, zu wandeln ohne zu straucheln.

In all diesem ist keine Überanstrengung, kein Aufrechthalten von blossem Schein. «Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei», aber «vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist», lasst uns zum Ziel hin jagen. Lasst uns nicht versuchen, neu auszusehen, auch nicht, uns neu zu fühlen, sondern lasst uns erneuert werden in dem Geist unserer Gesinnung (Eph 4,23).

Oh, dass junge Gläubige doch lernten, Gottes Erneuerungen zu gebrauchen! Da sind so viele alte Christen, deren Liebe und Hingabe kalt geworden und deren Leben verkümmert ist, so dass Jüngere meinen könnten, es sei unvermeidlich, geistlich zu verarmen und abzunehmen. Oh, es ist nicht so!

Beginne nur mit Gott, aber fahre auch fort, mit Gott zu wandeln. «Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm» (Kol 2,6). Strecke deine Wurzeln bei dem immer fliessenden Bach aus, so wird dein «Blatt» grün bleiben, und jede Frucht wird zu ihrer Zeit heranreifen. Lass deine Seele sich von guten Dingen nähren, und deine Jugend wird sich erneuern wie die des Adlers. Harre auf den Herrn und Er wird deine Kraft erneuern, so dass du von Kraft zu Kraft schreiten kannst, von Sieg zu Sieg. Du wirst Fülle von Gnade empfangen, und dein Pfad wird sein «wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe» (Spr 4,18). Ist dies nicht ein heiterer Ausblick auf das kommende Jahr?

Möge aber jeder, der durch Nachlässigkeit und geduldete Sünde seine erste Liebe verloren hat, aufhören zu klagen über den Verlust früherer Erfahrungen, indem er sagt: «O dass ich wäre wie in den Monaten der Vorzeit»! (Hiob 29,2) oder: «Wo ist der frühere Segen, den ich besass?» Dieser befindet sich gerade da, wo du ihn verlassen hast, denn er ist in Christus, in Ihm allein, und du bist von Ihm abgewichen. Kehre um, kehre um mit echten Tränen und in wahrer Buße; lege alle Hindernisse weg. «Nehmt Worte mit euch und kehrt um zu dem HERRN; sprecht zu ihm: Vergib alle Ungerechtigkeit» und Er wird antworten: «Ich will ihre Abtrünnigkeiten heilen, will sie willig lieben.» Und was sind dann die gesegneten Ergebnisse? Wachstum, Wohlgeruch und Fruchtbarkeit. «Aus mir wird deine Frucht gefunden» (Hosea 14,3.5.9).

Ja, «in Gott rühmen wir uns den ganzen Tag» (Ps 44,9).

«Unsere Tüchtigkeit ist von Gott» (2. Kor 3,5).