«Dies alles kommt über mich», sagte der Patriarch Jakob (1. Mo 42,36). Die Sunamitin aber, die soeben einen schweren Verlust erlitten hatte, sagte nur: «(Es geht mir) gut» (2. Kön 4,26). Das Herz des armen Vaters war durch Vorahnung und Entmutigung verdunkelt; das trauernde Herz der Mutter war durch das Vertrauen der Hoffnung erhellt.
Jakobs mitleiderregende, klagende Worte sind sehr menschlich und in Anbetracht seiner Umstände verständlich. Verglichen mit den Worten des Glaubens und der Gewissheit aus dem Mund der Sunamitin machen sie einen ungünstigen Eindruck. Der Patriarch ging durch Prüfungen, wie so manche der Gläubigen auch heute. Mehrere aufeinanderfolgende Jahre der Hungersnot machten es ihm schwierig, seinen grossen Haushalt und seine zahlreichen Herden zu ernähren. Zudem trauerte sein Herz über den Verlust seines geliebten Sohnes Joseph. Simeon, ein anderer seiner Söhne, war in Ägypten gefangen. Auch hatte der grosse Herr jenes Landes sich geweigert, ihnen weiteres Getreide zu geben, wenn sie nicht Benjamin, den Jüngsten der Familie, mitbrächten.
Bei diesem Punkt scheint Jakobs Glaube zusammengebrochen zu sein. Er befragt nicht Gott und sucht nicht seine Hilfe, sondern bejammert sein hartes Los, und voller Selbstmitleid weigert er sich rundweg, Benjamin mit ihnen zu senden. Ohne sich dessen bewusst zu sein, schiebt er dadurch im Kleinglauben den Tag der Wiedervereinigung mit dem seit langem vermissten Joseph hinaus, den Gott herangerückt hatte. Es war Entmutigung, die den Verzweiflungsschrei aus Jakob herauslockte: «Dies alles kommt über mich!» In Wahrheit aber wirkten alle diese Dinge zum Guten mit (Röm 8,28).
Und ach, es ist eine traurige Tatsache, dass manches Kind Gottes, weil es sich zu Zweifel und Entmutigung verleiten liess, eine Segnung verloren oder eine Wohltat hinausgeschoben hat, die das gnädige Herz Gottes ihm zugedacht hatte. Lasst uns das Vertrauen in unseren Gott und Vater nicht «wegwerfen»!
Jakob hatte manche wunderbaren Mitteilungen der Segnung und Verheissung von Gott empfangen, wogegen dies bei der Frau von Sunem nicht der Fall gewesen zu sein scheint; gleichwohl erhob sich ihr Glaube in der Stunde tiefen Schmerzes triumphierend über die Prüfung. Als ihr einziges Kind, das ihr der Prophet verheissen hatte, im zarten Alter starb, ging sie sogleich zum Mann Gottes. Und als Antwort auf Elisas Frage, «geht es dem Kind gut», sagte sie in ruhigem Vertrauen: «Gut.» Zudem, als Elisa seinen Diener Gehasi mit dem Stab sandte, begnügte sie sich nicht mit dem zweitbesten; nur der Prophet Gottes selbst konnte ihrem Bedürfnis begegnen und ihrem Vertrauen entsprechen, indem er ihren Sohn ins Leben zurückrief.
Der Glaube der Sunamitin wurde reich belohnt: Der Mann Gottes rief sie, um ihr den aus den Toten auferweckten Sohn wiederzugeben. «Da kam sie und fiel ihm zu Füssen und beugte sich zur Erde nieder. Und sie nahm ihren Sohn und ging hinaus.»
Auch heute, wenn manche von uns Prüfungen zu erdulden haben, ist es ein unermessliches Vorrecht, dass wir unmittelbar zu dem gehen können, der die Quelle aller Barmherzigkeit, aller Gnade und Segnung ist, zum «Menschen Christus Jesus»! Denn wir haben einen Hohenpriester, Jesus, den Sohn Gottes, der «Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten» und immerdar lebt, um sich für uns zu verwenden (Heb 4,14.15; 7,25). Wenn wir einen solchen Freund haben, wie sollten wir da entmutigt sein?
Aber wenn wir auf die Widerwärtigkeiten um uns her und auf die Schwachheiten in uns blicken, dann sind wir geneigt, Jakobs Worte zu wiederholen: «Dies alles kommt über mich!» Wir wollen unsere Blicke lieber auf unseren geliebten Herrn richten, der uns den Mut des Glaubens geben will, um uns über die Versuchungen zu erheben und mit dem heiteren Vertrauen der Sunamitin zu sagen: «Es ist gut.»