Verschiedene Stellen im Neuen Testament sind Anführungen aus diesem Psalm und lassen uns dessen Tragweite erkennen. Gott hatte den ersten Adam über die Werke seiner Hände eingesetzt. Dieser hat versagt, und wir richten jetzt unsere Blicke auf den zweiten Adam, in dem sich alle Ratschlüsse Gottes erfüllen.
Als der Herr Jesus hier auf der Erde verworfen wurde, kannte man Ihn als den Sohn des Menschen, und unter diesem Namen wird Er uns in diesem Psalm vorgestellt. Als solchem sind Ihm, nach seinen Leiden, alle Werke der Hände Gottes unterstellt worden (Ps 8,7). Diese Stelle wird im Neuen Testament dreimal angeführt (1. Kor 15,27; Eph 1,22; Heb 2,6-8).
Auch in Psalm 80,18 findet man diesen Ausdruck: «Deine Hand sei auf dem Mann deiner Rechten, auf dem Menschensohn, den du dir gestärkt hast!» Der gläubige Überrest, von Feinden umringt, erhebt seine Augen zum Mann der Rechten Gottes und fleht, dass doch seine Macht zu ihrer Befreiung offenbart werde: Sie vertrauen auf Ihn, im Bewusstsein, dass Er mächtig ist zu retten, die auf Ihn harren. In Daniel 7,13.14 sehen wir des Menschen Sohn zum «Alten an Tagen» kommen, und dieser gibt Ihm die Herrschaft über alle Völker: «Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird.»
Alles, was dem Menschen anvertraut wird, verdirbt in seiner Hand, aber im zweiten Adam ist alles in herrlicher Weise sichergestellt, gegründet auf alle Werke Gottes (Psalm 8). Israel, zum Volk Gottes auserwählt, dem das Priestertum und das Gesetz gegeben worden ist, hat ganz versagt, und der Thron Gottes wurde aus Jerusalem zurückgezogen. Darauf begannen die Zeiten der Nationen, deren Geschichte mit völligem Abfall enden wird. Dann wird jede Herrschaft, die dem Menschen anvertraut war, den Händen des gehorsamen zweiten Menschen übergeben werden, der den Tod überwunden hat (Dan 2; 7,13.14).
Im Neuen Testament wird der Sohn des Menschen von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus betrachtet. Er wird ohne Ansehen, ohne äussere Herrlichkeit, in Niedrigkeit geboren: «Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut» (Jes 53,3). Aber in dieser tiefen Erniedrigung wurde seine moralische Herrlichkeit völlig offenbar, denn Er war der Heilige, der Wahrhaftige, Gott offenbart im Fleisch. Er ist keinen Augenblick aus dieser niedrigen Stellung der Abhängigkeit und des Gehorsams herausgetreten. Er war der Sohn Gottes und der König Israels, und Nathanael hat ihn als solchen erkannt (Joh 1,49), aber «die Welt hat Ihn nicht erkannt» und «die Seinen nahmen ihn nicht an» (Joh 1,10.11). Da Ihm die Rechte des Messias aberkannt wurden, nahm Er den Titel des Sohnes des Menschen an.
Was hat Er als solcher erfahren? Er musste vieles leiden und getötet und am dritten Tage auferweckt werden (Mt 16,21). Am Grab des Lazarus wird seine Herrlichkeit als des Sohnes Gottes offenbar (Joh 11), dann, bei seinem Einzug in Jerusalem, wird Er als Sohn Davids (als König) ausgerufen (Joh 12,13). Und schliesslich, als Ihn Griechen zu sehen begehren, sagt Er: «Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde» (Joh 12,23). Aber zur Offenbarung dieser Herrlichkeit, und zur Erfüllung der göttlichen Ratschlüsse der Gnade uns gegenüber, war sein Tod erforderlich. Daher fügt der Herr hinzu: «Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht» (Joh 12,24).
Die Frucht seiner Leiden erstreckt sich weit über das Volk Israel hinaus (1. Mo 49,22): Um ein himmlisches Volk zu haben, musste der Sohn des Menschen in den Tod hinabsteigen und siegreich daraus hervorkommen. Wie wird Er sich zeigen, wenn Er erscheinen wird? Nach Psalm 8 und Hebräer 2 ist Er jetzt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, und so wird Er auch wiederkommen, um sein Erbteil in Besitz zu nehmen. Er musste erniedrigt werden und einen geringeren Platz als die Engel einnehmen, damit Er für die Menschen leiden und sterben konnte (Heb 2,9). Er war hier auf der Erde der Sohn Gottes, in der ganzen Gnade und Wahrheit seiner Person, und als solcher war Er nun ein vollkommener Mensch, in Erniedrigung und Verachtung. Dann hat Er uns durch seinen Tod den Weg zum Heiligtum gebahnt, in das Er als der gehorsame Mensch, der zur Verherrlichung Gottes alles vollbracht hat, eingegangen ist. Die Evangelien stellen Ihn uns als einen Mann der Schmerzen vor, der nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte, und als den, der das ewige Leben gibt. Dazu musste Er sein Leben lassen und – als das Weizenkorn – es in der Auferstehung wiederfinden, wo es viel Frucht bringt.
Wenn der Herr Jesus als Sohn des Menschen vorgestellt wird, so ist Er es für alle Menschen. So sagt Er: «Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen» (Joh 12,32; siehe auch Joh 3,12-17). Er wurde auf das Kreuz erhöht, um das Werk der Erlösung zu vollbringen, damit Er alle, die an Ihn glauben würden, erretten konnte.
Auch in Hebräer 2,6-11 finden wir das Zeugnis über seine Leiden und seine Herrlichkeiten. Um zu diesen zu gelangen, musste der Sohn des Menschen durch Leiden vollkommen gemacht werden. Nicht nur ist Er verachtet und verworfen worden, sondern indem Er das Kreuz erlitten hat, zieht Er durch sein Werk alle Menschen zu sich und gibt jedem, der an Ihn glaubt, das ewige Leben. Alle Dinge sind nach dem Zeugnis des 8. Psalms seinen Füssen unterworfen, doch sehen wir dies jetzt noch nicht (Heb 2,8). Eine andere Herrlichkeit wird Ihm noch gegeben: Gott «hat ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist» (Joh 5,22.27). Das gleiche Zeugnis wird Ihm in Matthäus 16,27 und 25,31.32 gegeben. Der Charakter dieses Gerichts wird uns in Offenbarung 14,14-16 beschrieben.
Wir sehen also, wie der Sohn des Menschen in tiefster Niedrigkeit und Armut geboren wurde, dann diese Welt in Leiden und Verachtung durchschritt und schliesslich am Fluchholz starb. Aber mit welcher Herrlichkeit ist Er jetzt bekleidet, als Frucht seiner Erniedrigung und seines Gehorsams, vollendet im Opfer seines Lebens am Kreuz! Nun ist Er verherrlicht und sitzt zur Rechten Gottes, wird aber auf den Wolken des Himmels in Macht wiederkommen (Mt 26,64), um zu richten und die Herrschaft auszuüben über alles, denn alle Dinge werden Ihm unterworfen sein. Er kommt in der Herrlichkeit des Vaters und wird einem jeden vergelten nach seinem Tun (Mt 16,27). «Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen» (Off 1,7).
In der Zeit zwischen seinem Weggang von dieser Erde und seiner Erscheinung in Herrlichkeit sah Ihn Stephanus «zur Rechten Gottes stehen» (Apg 7,55. 56). Durch diesen treuen Zeugen richtete der Herr einen letzten Appell an die Juden, die jedoch durch den Mord an diesem Boten dem Herrn des Weinbergs antworteten: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche» (Lk 19,14).
Darauf hat Er sich gesetzt, fortan wartend, bis Ihm Gott seine Feinde als Schemel seiner Füsse legt (Ps 110,1). Alles ist zu Ende für sein irdisches Volk, bis Er wiederkommt, um die Verheissungen zu erfüllen. Er hat sich auf immerdar zur Rechten Gottes gesetzt (Heb 10,12), das heisst, Er muss sich nicht mehr erheben, um sein Werk zu vollbringen, denn Er ist «einmal geopfert worden, um vieler Sünden zu tragen», und wenn Er ein zweites Mal erscheint, so ist es nicht mehr, um zu leiden und zu sterben, sondern, um die zur Herrlichkeit zu führen, die Ihn kennen und erwarten (Heb 9,28). Die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen, der den Tod überwunden hat, wird noch in Off 1,12-16 erwähnt, und in Off 14,14.15 sehen wir Ihn zum Gericht erscheinen.
Die Herrlichkeit unseres teuren Heilandes, die sich in ihrer ganzen Pracht entfalten wird, sollte uns zutiefst interessieren: Dann werden ihm alle Reiche der Welt unterworfen sein. Wir können vor Freude frohlocken, in der Erwartung, dass wir Ihn sehen und seine Schönheit betrachten werden. Aber wir werden an dieser Herrlichkeit nicht unbeteiligt sein: Er will, dass die Seinen dann bei Ihm seien und an seiner Herrlichkeit teilhaben, die Er als gehorsamer Mensch empfing, der den Tod überwunden hat. Er will auch, dass wir die Herrlichkeit betrachten, die Er verlassen hatte, um herabzukommen, und in die Er wieder eingetreten ist als Mensch und Sohn des Vaters, die Herrlichkeit, die Er vor Grundlegung der Welt hatte (Joh 17,5.24).
Er wird in der Herrlichkeit eine Familie haben und der Erstgeborene sein unter vielen Brüdern. Er hat sie durch seinen Tod erworben (Joh 12,24). Wir sind sein Werk, die Frucht der Mühsal seiner Seele (Jes 53,11). Mit Ihm vereinigt und teilhabend an allem, was Er ist und jetzt in der Herrlichkeit besitzt, werden wir bald «Ihm gleich» sein (1. Joh 3,2). In Epheser 1,20-23 sehen wir, dass Gott Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben hat, die sein Leib ist. Er ist in der Herrlichkeit als Haupt der Versammlung, und sie nimmt teil an der ganzen Herrlichkeit ihres Hauptes, mit dem sie schon jetzt vereinigt ist.
Wie erwarten wir den Herrn? Als Sohn des Menschen, der zum Gericht erscheint? Nein, denn da ist keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind (Röm 8,1). Wir erwarten Ihn zur Erlösung unseres Leibes (Röm 8,23). Wir gehören jetzt schon zu diesem neuen Zustand der Dinge, in den Er als der Auferstandene eingetreten ist. Wir sind allem gestorben, was dem alten System angehört, das am Kreuz gerichtet wurde, und wir sind mit Christus auferstanden. Der Christ ist eine neue Schöpfung, was den Charakter seines Lebens und seine Stellung vor Gott anbelangt (2. Kor 5,17): Neues ist geworden, und er erwartet den Herrn Jesus als Heiland, der «vom Himmel herabkommen wird» (1. Thes 4,16-18). Das ist es, was wir in Ihm besitzen; unser Glaube sieht Ihn mit Ehre gekrönt. Welch ein Glück, Ihn so zu kennen!
Er gebe uns, dass wir Ihm immer fester anhangen, Ihm dienen und Ihn erwarten. Jede Erkenntnis seiner anbetungswürdigen Person erfreut unsere Herzen. Die Erwartung seiner Wiederkunft sollte bewirken, dass wir uns vom gegenwärtigen Zeitlauf getrennt halten. Denn die Gerichte, die der Sohn des Menschen ausüben wird, werden auf diesen Schauplatz fallen, wenn wir, die Seinen, bei seinem Kommen Ihm entgegengerückt werden und in Sicherheit gebracht sind.