Übe dich aber zur Gottseligkeit

1. Timotheus 4,7

Eine ernste und bedeutungsvolle Aufforderung Gottes an alle seine Kinder! Vierzehnmal wird in den Briefen zweier Apostel der Ausdruck «Gottseligkeit» vom Heiligen Geist gebraucht und auf die Erlösten angewandt. Ihnen allen gilt dieser Zuruf.

Gottseligkeit ist der Inbegriff von echter Frömmigkeit, Hingabe und Treue im Leben des Christen. Die Gottseligkeit hat darum für uns zentrale Bedeutung. Sie ist «das ungeteilte Anhangen an dem Herrn», wie diese Glaubenshaltung in 1. Korinther 7,35 so schön heisst. Darin erweist sich erst eigentlich die Echtheit unseres Glaubenslebens. Ohne sie ist das christliche Bekenntnis eine Lüge, eine kraftlose Form, ein trügerischer Formalismus – schlimmer noch als die erklärte Gottlosigkeit (2. Tim 3,5)!

Paulus macht uns mit eindringlichen Worten auf den Wert der Gottseligkeit aufmerksam. Er selbst nennt sich im Titus-Brief Knecht Gottes und Apostel Jesu Christi, dazu bestellt, den Glauben der Auserwählten Gottes und die Erkenntnis der Wahrheit zu predigen, die sich in einem gottseligen Wandel bewährt oder der Gottseligkeit entspricht.

Er mahnt in 1. Timotheus 6,3.4: «Wenn jemand anders lehrt und nicht beitritt den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist (oder zu ihr hinführt, der Gottseligkeit dient), so ist er aufgeblasen und weiss nichts …»

Unser Interesse für Gottseligkeit und unser Fragen danach wird geweckt, wenn Paulus von ihr sagt, sie sei «ein grosser Gewinn». Sie ist es wert, dass der Mensch Gottes nach ihr strebt.

Petrus erinnert uns daran, dass Gott den Kindern Gottes für ein Leben der Gottseligkeit «alles geschenkt hat» (2. Pet 1,3.4). Somit erwächst daraus für uns eine heilige Verpflichtung. Welche Wertschätzung erfahren diese Geschenke? Nehmen wir sie in herzlicher Dankbarkeit an, um sie gottgemäss zu verwenden? Die neue, göttliche Natur ermöglicht und begehrt ein gottseliges Leben in der Nachfolge Jesu.

Das Erdenleben unseres Herrn und Heilandes war geprägt durch Gottseligkeit. Es war ein Leben steter, inniger Gemeinschaft mit seinem Gott und Vater, erfüllt von tiefer, heiliger Freude, Liebe und Kraft. Sein Kennzeichen war geistliche Entschiedenheit und Tatkraft, in voller Hingabe und Treue. – Das macht Ihn zum «Ausgezeichneten unter Zehntausenden» (Hld 5,10). Darum ruhte das Auge Gottes mit unendlichem Wohlgefallen auf Ihm.

Der Christus Gottes benötigte nie die Aufforderung: «Übe dich aber zur Gottseligkeit», denn sie war das Liebes- und Lebensbedürfnis seiner Seele. Er war «der Mensch Gottes» im wahrsten Sinne des Wortes, zur Bewunderung der Engel und zur anbetenden Freude all derer, die Ihn lieben.

Gottseligkeit bei den Heiligen bedeutet darum Jesus-Ähnlichkeit, das Umgestaltet-werden in sein Bild. Wie müht sich doch der Heilige Geist, dieses Ziel mit uns zu erreichen! Bist du hierzu willigen Herzens? Ist es auch das tiefe Verlangen deiner Seele, auf diese Weise «dem Bild des Sohnes Gottes gleichförmig» zu werden? – Übe dich darum zur Gottseligkeit!

Wie nötig ist dieser Zuruf! Denn unser alter Mensch, das Fleisch, steht dem Begehren der neuen Natur entgegen. Und ohne ernste Selbstverleugnung geht es nicht. Christen, die die träge, verdorbene Adamsnatur nicht im Tod halten, werden in dieser Übung versagen.

«Gymnasia» nannte der Grieche einst die Übung der Athleten, das körperliche Training der Wettkämpfer, um im Stadion den Sieg zu erringen. Darauf hindeutend sagt Paulus: «… zu wenigem nützlich!» Dann gebraucht er aber denselben Ausdruck, um dich und mich anzuspornen, Leib und Seele dem zu weihen und dafür einzusetzen, was Ewigkeitswert hat.

Die Gottseligkeit hat ja die Segensverheissung für das gegenwärtige wie für das zukünftige Leben (1. Tim 4,8). Sie ist zu allen Dingen nützlich, d.h. sie macht den Menschen Gottes erst recht tüchtig und geschickt für seine Lebensaufgabe in dieser Welt. Nur so kann er der göttlichen Bestimmung entsprechen und den Auftrag Gottes erfüllen. – Willst du dieser Segnungen verlustig gehen?

Der Aufruf des Apostels, «übe dich aber zur Gottseligkeit», hat etwas Weckendes und Verlockendes an sich. Wie gut ist es, ihm Ohr und Herz zu öffnen! Er ermuntert uns zu einem konzentrierten Dasein, zu einem zielgerichteten Leben. Alle, die sich dieser Übung widmen, begehren damit der Berufung Gottes zu entsprechen, die etwas vom Kostbarsten zum Inhalt hat. In 1. Korinther 1,9 ist sie mit den Worten umschrieben: «Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.» – Das ist praktizierte Gottseligkeit!

Was heisst nun das? Worin besteht diese Gemeinschaft? Was umschliesst sie alles? Gemeinschaft haben bedeutet: mit jemandem etwas teilen, es gemeinsam geniessen oder besitzen, seien es Freude oder Leid, Gaben oder Aufgaben.

Unser Gott und Vater würdigt uns, mit seinem über alles geliebten Sohne echte Gemeinschaft zu haben. Macht das unsere Herzen nicht verlangend, diesem seinem Wunsch zu entsprechen und sie zu verwirklichen? Es ist darum der Mühe wert, darüber nachzusinnen. Wir entdecken dann, vielleicht zu unserem Erstaunen, eine Vielfalt von Einzelheiten. Jede von ihnen ist hochbedeutsam und gesegnet, für unsere Herzen beglückend. Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus haben bedeutet:

1. Wir teilen mit dem Sohn Gottes das Leben des Vaters

Das heisst, aus Gott geboren, der göttlichen Natur teilhaftig sein, das ewige Leben besitzen (Joh 3,36; 5,26; 10,10; 14,19; 2. Pet 1,4). Eine wundersame Lebensgemeinschaft! Damit ist allen Gotteskindern ein sieghaftes Überwinden ermöglicht. Er, der grosse Überwinder, und du, der aus Gott Geborene, haben dasselbe Leben. Welche Möglichkeiten eröffnen sich da dem Auge des Glaubens! Darauf hinblickend ruft darum Paulus dir und mir zu: «ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist» (1. Tim 6,12). Lass das bei dir Wirklichkeit werden. Rechne damit in den Schwierigkeiten und Prüfungen deines Alltags und danke dafür von ganzem Herzen. Bleibe praktisch in dieser Lebensgemeinschaft, übe dich darin!

2. Wir teilen mit Christus die Liebe des Vaters (Joh 17,23)

Eine überwältigende Tatsache! Du bist geliebt vom Vater, wie Er den Sohn seiner Wonne liebt, weil die Erlösten mit Ihm eins gemacht sind. – Wer würde es wagen, solches zu denken oder gar zu sagen, wenn nicht sein heiliger Mund dies bezeugt hätte. Anbetungswürdige Herablassung Gottes! – Wollen wir Ihm dafür nicht stets von neuem herzinnig danken? Gottes Kinder sind in Wahrheit Vielgeliebte, wie es Johannes in seinem ersten Brief voll heiligen Staunens ausruft: «Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat» (1. Joh 3,1). – Der Heilige Geist erwecke dieses Frohlocken stets frisch in unseren Seelen, in bewusster Gemeinschaft mit dem Herzen Christi Jesu.

3. Wir teilen mit dem Geliebten die Freude am Vater (Joh 15,11; 17,13)

So köstlich und innig seine Freude an denen bleibt, die der Vater Ihm gegeben hat, so ist doch das, was Er «meine Freude» nennt, mehr als seine Wonne an den Menschenkindern (Spr 8,31). Die Freude dieses Bräutigams an seiner Braut wird weit übertroffen von seiner Freude am Vater. Der Vater selbst ist mehr für Ihn als alle seine Gaben. Könnte es eine Freude geben, die grösser wäre als seine Freude am Vater? Er will sie mit uns teilen! Ist dein Herz dafür bereit? Willst auch du in dieser Beziehung bewusst mit Ihm traute Gemeinschaft pflegen und dir dafür Zeit nehmen? – Wenn ja, welche Glückseligkeit des Herzens wartet dann auf dich! Du kennst die köstlichen Worte des Geliebten: «damit meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde». Wie verlockend für jede gläubige Seele, die Ihn kennt! Wie verbindet doch gemeinsame Freude!

4. Wir teilen mit dem Herrn Jesus den Frieden des Vaters (Joh 14,27; Phil 4,7)

Unser Gott und Vater trägt zu Recht den Namen «der Gott des Friedens». Siebenmal betont der Heilige Geist dies in den Schriften des Neuen Testaments! Und zehnmal wird in den Briefen der Apostel den Heiligen zugerufen: «Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus!»

Den Genuss dieser Segnung verdanken wir dem Liebeswillen des «Friedefürsten». Nicht der Friede des Gewissens, den sein vergossenes Blut uns sichert, sondern der Friede des Herzens ist gemeint, die unerschütterliche Ruhe deiner Seele in allen Wechselfällen deines Erdendaseins. Im Blick auf sich und sein Ergehen wusste er sich wunderbar geborgen. «Friede wie ein Strom» durchflutete sein Innerstes (Jes 48,18; 66,12)! Nichts trübte diesen Frieden seines Herzens, weil Er allezeit das Gott Wohlgefällige tat. Wie wünscht Er doch sehnlichst, diesen Frieden mit dir und mir zu teilen! … «Meinen Frieden gebe ich euch.» Hast du auch darin Gemeinschaft mit Ihm?

5. Wir teilen mit unserem Herrn und Gebieter den Auftrag des Vaters (Joh 20,21)

Er war der Gesandte Gottes, der Apostel unseres Bekenntnisses, wie uns der Hebräerbrief wissen lässt (Heb 3,1; Hiob 33,23). In unvergleichlicher Treue tat Er seinen Dienst, wie auch immer seine Botschaft aufgenommen wurde. Nicht um Menschen zu gefallen, nie um ihre Gunst werbend. Als Herold der Liebe Gottes war Er rastlos tätig, um sowohl die Worte als auch die Werke seines Vaters kundzumachen (Joh 3,34; 5,36). Dieser heilige Bote begehrt die Erlösten als seine Jochgenossen (Mt 11,29). Vorrecht und Verantwortung vereinigen sich in diesem Auftrag, einzigartig und einmalig in seiner Art! In Gemeinschaft mit Ihm den Mitmenschen dienend als seine Vertrauten und Freunde (Joh 15,15; 17,18). Bewegt dich dieser Auftrag, bist du sein Gesandter und Botschafter? Wenn nicht – was dann? – Wie herzbewegend ist seine Frage in Jesaja 6,8, und wie ehrt Ihn die Bereitschaft, die aus der darauf folgenden Antwort ertönt. Die Liebe des Christus und der Schrecken des Herrn sind mächtige, gottgewollte Antriebe zu einer solchen Hingabe (2. Kor 5,11.14).

6. Wir teilen mit dem treuen Zeugen die Leiden zur Ehre des Vaters

«Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen» (Röm 15,3). Das war das Empfinden und die Sprache des Gottesboten, als Er die Verachtung und Verwerfung vonseiten der Gottlosen erfuhr (Joh 15,24). Er hat uns, sofern wir gottselig leben wollen, in diesem Zeitlauf dasselbe Los verheissen (2. Tim 3,12). Ja, noch mehr, Er hat den Seinen nicht nur geschenkt, an Ihn zu glauben, sondern auch für Ihn zu leiden. Es gab einen, der bezeugen konnte, dass «wie die Leiden des Christus uns gegenüber überreichlich sind, so ist auch durch den Christus unser Trost» (2. Kor 1,5). Der Schreiber dieser Worte wusste sich nicht allein in seinen vielen Nöten. Er litt sie in bewusster Gemeinschaft mit dem grossen Überwinder und wird einst die Krone des Lebens empfangen. Solche Leidensgenossen hat der Herr viele. Ob wir dazu gehören? Welche Würde verbindet sich mit einer derartigen Hingabe (Joh 15,18.19; 17,14). – Schätzen und begehren unsere Herzen diese Gemeinschaft mit Ihm wie ein Paulus, in Philipper 3,10? Wir sind dazu berufen!

7. Wir teilen mit dem Erstgeborenen das Erbe vom Vater

Das Zeugnis Gottes über seinen Sohn lautete in Hebräer 1,2: «… Er hat ihn gesetzt zum Erben aller Dinge.» Und der Christus Gottes bezeichnet sich selbst als den Erben (Mt 21,38). «Dieser ist der Erbe …», sagen seine Feinde in jenem Gleichnis. Der Liebeswille unseres Gottes bestimmte, dass alle seine Kinder Miterben des Sohnes sein sollen. Der Vater hat uns fähig gemacht, Anteil zu haben am Erbe der Heiligen in dem Licht. Wunderbare Gnade bestimmte uns dazu, ein Erbe zu haben unter allen Geheiligten (Apg 20,32; 26,18; Kol 1,12).

Petrus nennt es ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil. Und dies haben wir allein «in ihm» erlangt (Eph 1,11.12). Dies aber, so wundervoll und unvergleichlich es an sich sein wird, ist noch nicht das Wesentlichste. Den höchsten Wert erlangt Gottes Erbe dadurch, dass wir es «mit Ihm» besitzen werden, in glückseliger Gemeinschaft mit dem Sohn seiner Liebe. Wahrlich, eine Erbgemeinschaft ungeahnten Ausmasses (Röm 8,17). Christen wissen, das Schönste kommt noch. Welche Aussicht für alle Erlösten! Das wird zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade sein!

8. Wir teilen mit dem Sohn des Menschen die Herrlichkeit beim Vater

Paulus weiss sich schuldig, Gott allezeit zu danken, dass Gottes Auserwählte einer besonderen Berufung wertgeachtet sind, nämlich «zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus» (2. Thes 2,14). Diese Herrlichkeit will unser hochgelobter Herr in wunderbarer Gnade mit all den Seinen teilen! Er will uns nicht nur als die Gabe des Vaters besitzen (Joh 17,6.9.24). Sein Herz verlangt danach, uns nicht nur seine Herrlichkeit schauen zu lassen, sondern uns daran Anteil zu geben (Joh 17,22.24). Vor aller Welt sichtbar, werden wir als «die Genossen des Christus», des Herrn der Herrlichkeit, mit Ihm Thron und Herrschaft teilen, damit Er bewundert werde in allen denen, die geglaubt haben (Heb 1,9; 3,14). Wie sind diese Dinge für das sinnende Herz dazu angetan, uns brennend zu machen und die Sehnsucht zu beleben nach der «Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus» (Tit 2,13).

«Übe dich aber zur Gottseligkeit!» Wessen Herz sich so mit diesen Ergebnissen der Erlösung eingehend und liebend beschäftigt und sie dahin wirken lässt, dass die Seele davon zu Ihm hingezogen wird, der wird dem göttlichen Ruf gehorsam. Ist Er es nicht wert, dass wir um seinetwillen «alles für Dreck achten», was uns von seiner Nähe und aus seiner Gemeinschaft weglocken will? – Wie wird es Ihn erfreuen, uns als solche zu sehen, die sich, Ihm innig zugetan, derart in der Gottseligkeit üben. Erfüllen sich dann nicht die Worte aus dem Hohenlied 1,4: «Zieh mich: Wir werden dir nachlaufen. Der König hat mich in seine Gemächer geführt: Wir wollen frohlocken und uns an dir freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein! Sie lieben dich in Aufrichtigkeit.»