Über die Leiden eines Sterbenden zu spotten, ist nicht üblich. Selbst wenn es um einen Verbrecher ginge, würden die gewöhnlichen menschlichen Gefühle die Zuschauer von solchem Tun zurückhalten. Aber der, der am Kreuz hing, war der Sohn Gottes, und daher war dies hier eine ganz andere Sache. Die Menschen hatten keine Achtung vor Ihm; nichts war ihnen zu schlecht, um es auf sein Haupt zu häufen.
Erst wenn wir auf das Kreuz blicken, sehen wir in vollem Ausmass, was der Mensch ist. In früheren Heilszeitaltern hatte er durch das Übertreten des Gesetzes Gottes sein Gewissen verletzt, und das sagte viel über seine Verdorbenheit aus; aber wenn wir auf das Kreuz Christi blicken, wird sie völlig offenbar.
Wäre im natürlichen Herzen des Menschen ein Funke des Guten gewesen, so hätte das Kommen des Gesegneten in diese Welt dies zum Vorschein gebracht. Er kam in Liebe und demütiger Gnade, nicht zum Gericht. In seiner Hand war kein Donnerstrahl. Aber der Mensch wurde dadurch nicht gewonnen. Er erhob sich zur Empörung und wagte, seine gottlosen Hände an den Sohn Gottes zu legen.
Nun war Er am Kreuz und die Menschen spotteten über seine entsetzlichen Leiden! Wer tat dies? Die Unwissenden etwa, oder die moralisch Entarteten? Nein, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, die Vertreter der Religion und der Gelehrsamkeit jener Tage. Was sagt dies doch aus! Wie wird dadurch doch die Meinung widerlegt, dass der Mensch, wenn er in günstige Umstände versetzt würde und sich bilden könnte, besserungsfähig wäre. Nein, der Mensch ist vor Gott bis ins Innerste verdorben. Haben wir dies in seinem Licht schon völlig erkannt?
Beachte, was sie sagen: «Andere hat er gerettet.» Sie kannten seine Taten der Macht. Er hatte Aussätzige gereinigt, Dämonen ausgetrieben, Tote auferweckt. Doch meinten sie, nun sei Ihm diese Kraft geraubt, sie habe Ihn verlassen. «Sich selbst kann er nicht retten.» Das war falsch. Er war der mächtige Gott, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, bei dem es kein «unmöglich» gab. Ein Wort aus seinem Mund – und der ganze Haufe seiner Feinde wäre in den Abgrund gestürzt. Wenn Elia auf seine Feinde Feuer vom Himmel herabfallen liess, sollte dann der Herr Elias nicht dazu imstande sein?
Aber sie waren blind für seine Herrlichkeit. Sie wussten nicht, dass Er der HERR war, der sein Volk besucht hatte, obwohl sie es aufgrund seiner Handlungen und Worte hätten wissen können, wenn sie Augen, um zu sehen und Ohren, um zu hören gehabt hätten. Das war schuldhafte Unwissenheit.
Aber ach! Von einem gewissen Gesichtspunkt aus war der Ausspruch: «Sich selbst kann er nicht retten» wahr. Er war in diese Welt gekommen, um Sünder zu erretten, um die Sünde durch das Opfer seiner selbst wegzutun. Um dies zu vollbringen, musste Er leiden und sterben. Durch nichts anderes hätte dies geschehen können. Wenn behauptet wird, die Menschwerdung Christi habe zur Erlösung und zur Besserung der gefallenen Menschheit genügt, ist es eine Lüge Satans. Blut musste fliessen, Christi Blut; wenn nicht, konnte Sühnung niemals zustande kommen. Hätte Er sich selbst gerettet, wäre für keinen Menschen Errettung vom ewigen Gericht möglich gewesen. Seine unendliche Liebe führte Ihn dazu, den gefürchteten Kelch zu trinken, mit der schrecklichen Taufe getauft zu werden, die Gerechtigkeit Gottes zu befriedigen und Ihn zu verherrlichen.
Christus ist jetzt aus allem diesem herausgenommen. Das Heil ist nun für alle erreichbar. Die Gnade fliesst jetzt wie ein Strom. Friede wird verkündigt. Vergebung wird angeboten.
«Andere hat er gerettet.» Maria Magdalene, der Übeltäter am Kreuz, Saulus von Tarsus, und Millionen andere können dies bezeugen. Der Heiland, der auf Golgatha starb, ist auferstanden und sitzt jetzt zur Rechten Gottes. Noch ist der Tag des Heils, «jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden» (Apg 2,21).