Den alten Menschen abgelegt
Die Gläubigen in den Versammlungen von Galatien hatten durch den Glauben an den Herrn Jesus ein vollkommenes und herrliches Kleid empfangen und angezogen (siehe Gal 3,26.27). In den Augen Gottes hatten sie daher eine grössere Herrlichkeit als die heiligen Engel.
Einige von diesen Gläubigen, soweit sie Juden oder Proselyten waren, hatten früher ihr Bestes getan, um durch das Halten des Gesetzes sich selbst ein Kleid zu erwerben. Sie trachteten, durch ihre Werke die Gerechtigkeit Gottes zu erlangen. Nun aber hatte Gott seinen eigenen Sohn für ihre Sünden in den Tod gegeben. So waren sie, die sich vergeblich angestrengt hatten, um gerechtfertigt zu werden, nun gerechtfertigte Gläubige und Kinder Gottes geworden (Gal 4,6). Weil sie nun den Herrn Jesus durch den Glauben angenommen hatten, so hatten sie Ihn angezogen, waren mit Ihm bekleidet. Wenn jemand sein bis dahin getragenes Kleid, das ihm mehr oder weniger wertvoll war, abgelegt und ein neues Kleid anzieht, bekommt er ein neues Aussehen. So hatten die erwähnten Galater in geistlicher Hinsicht ihre alte Existenz unter dem Gesetz preisgegeben und Christus Jesus angezogen. Dadurch, dass ihnen Gott den Heiligen Geist gab, besiegelte Er die Tatsache, dass sie in Christus gerechtfertigt worden waren. Die Herrlichkeit davon konnten sie jedoch nicht sehen, weil sie wieder in die religiöse, gesetzliche Denkweise zurückgefallen waren, die sie früher beherrscht hatte. Nur wenn der Glaube in ihren Herzen wirksam war, konnten sie die Freude darüber geniessen, dass sie in Gottes Augen so herrlich bekleidet waren. Dann allein besteht kein Bedürfnis, um durch Gesetzeswerke nach etwas zu trachten, was vor Gott Wert hat.
Das herrlichste Kleid
Die Galater – und alle Gläubigen mit ihnen – hatten also Christus Jesus selbst angezogen. Er war ihr Kleid. Kann etwas vollkommener, schöner oder besser sein, als das, was Er ist? Vor Gott erfüllt Er den Himmel der Himmel mit Gerechtigkeit und Heiligkeit. Auf der Erde war Er der Gerechte. In jeder Prüfung, in die Er kam, in jedem Leiden, das Er zu ertragen hatte, zeigte es sich, wie vollkommen Er als der Gerechte war. Auf dem Kreuz nahm Er den Platz für uns, die Ungerechten, ein. Das tat Er nach dem Willen Gottes, weil Gott unseren schrecklichen Sündenzustand wegtun wollte, indem Er Ihn richtete. Das Verdammungsurteil wurde an Ihm vollzogen, und auf diese Weise wurde der Gerechtigkeit Gottes volle Genüge getan. Vierzig Jahrhunderte waren vorüber gegangen, in denen Gott Nachsicht erwiesen hatte (Röm 3,25). Schliesslich aber musste Er seine Gerechtigkeit zeigen, dadurch, dass Er seinen ganzen Zorn über die Sünde an Christus heimsuchte. Was für eine Stunde! Da ist nur ein anbetendes «seiner-Gedenken» am Platz, gewirkt durch den Heiligen Geist. Keine Feder kann beschreiben, keine Worte vermögen auszudrücken, was dort geschehen ist.
Durch Christi Werk ist Gott verherrlicht worden: Er, der heilige und gerechte Gott, hat Jesus auferweckt – durch die Herrlichkeit des Vaters (Röm 6,4). Jeder Mensch, der an Ihn glaubt, ist nun bekleidet mit all dem, was Christus Jesus in Gottes Augen ist, nachdem Er das Werk der Versöhnung vollbracht hat. Ein schöneres und herrlicheres Kleid kann es nicht geben. Wie sollen wir Gott für eine solche Gnade den gebührenden Dank bringen!
Christus anziehen
In seinem Wort ermahnt uns Gott aber auch, Christus anzuziehen. In Römer 13,14 lesen wir: «Zieht den Herrn Jesus Christus an.»
Jeder Gläubige trägt seine alte Natur mit sich herum, mit allen ihren Leidenschaften und Begierden. Dem Grundsatz nach ist es so, dass unser alter Mensch in Christus gerichtet ist und dass wir ihn mit seinen Handlungen ausgezogen haben (Kol 3,9). Wir sind aber berufen, alles, was aus der alten Natur kommt, auch praktisch abzulegen (Kol 3,8) und Jesus Christus anzuziehen. Keine Anstrengung der menschlichen Natur kann uns dabei helfen.
Durch den Glauben und die Wirksamkeit des Geistes Gottes empfangen wir die Gewissheit, dass wir Christus angezogen haben und dass wir vor Gottes Angesicht so bekleidet sind.
Unsere Berufung ist es nun, Christus anzuziehen, um in den guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, zu wandeln (Eph 2,10). Eine solche Antwort der Seele auf die grosse Gnade, die ihr zuteilgeworden ist, ist für Gott kostbar.
Welche Folgen es hat, wenn wir Christus anziehen, wird uns unter anderem in Römer 13,14 vorgestellt: «Treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden.» Mit der «Vorsorge für das Fleisch» ist ein gewisser Dienst für unseren Leib gemeint, wodurch die Begierden aufgeweckt werden können. Von Natur sind wir geneigt, uns bei der Sorge für unseren Leib – im weiteren Sinn für unseren Lebensunterhalt – durch menschliche Begierden leiten zu lassen. Wenn wir aber Christus angezogen haben, danken wir Gott für den Lebensunterhalt, den Er uns gibt (1. Tim 4,4). Wir sind dann mit der Nahrung und Kleidung zufrieden, wofür Gott, als Vater für seine Kinder, gesorgt hat (1. Tim 6,8). Gott gibt seinen Kindern keine Nahrung, um ihre Begierden zu erfüllen. Sie empfangen keine Kleidung, um damit zu prunken und ihrer Eitelkeit zu frönen; keine Häuser, um darin sich selbst zu gefallen.
In seiner Weisheit und Führung gibt uns Gott dies alles, um uns zu prüfen. Er will, dass wir darin zeigen, Christus in dankbarer Liebe praktisch angezogen zu haben und dass wir bei der Erfüllung unserer Lebensbedürfnisse uns nicht durch die Begierden unseres natürlichen Herzens leiten lassen. – Ganz allgemein, sollen wir aber auch nicht Dingen nachgehen, in denen die Begierden des Fleisches Nahrung finden, sondern «so wandeln, wie Er gewandelt ist» (1. Joh 2,6).
Die Tugenden Christi
In Kolosser 3,12-23 wird uns das Anziehen der Tugenden des Christus vorgestellt, in Verbindung mit dem Betragen gegenüber unseren Mitgläubigen und unserem Verhalten in der gesellschaftlichen Stellung, in der wir uns befinden.
Den Ausgangspunkt dafür finden wir in Vers 12, wo diese Tugenden aufgezählt werden: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut, Verträglichkeit und Bereitschaft zum Vergeben.
Wenn wir einst bei dem Herrn sind, im Haus des Vaters, ist es nicht mehr nötig, einander zu ertragen. Nein, die Schönheit dieser Tugend Christi in uns, soll Gott auf der Erde bei uns wahrnehmen können, darin, dass wir uns mit unseren Mitgläubigen gut vertragen, auch wenn wir noch so viel bei ihnen entdecken, das wir als unangenehm empfinden oder das uns leid tut. Dann bleiben wir nicht auf unserem Platz stehen, in der Erwartung, dass uns die anderen Liebe und Achtung erweisen. Die Liebe erträgt alles (1. Kor 13,7). Im Anziehen der Demut des Christus ist die Liebe wirksam.
Lasst uns einander nicht in der Weise vergeben, dass wir von den Eigenschaften unserer natürlichen Gefühle geleitet werden, von einem stolzen Gebaren, vom Gedanken, dass wir erhaben seien über das, was der andere uns angetan hat. In Gottes Augen ist das Hochmut, wie sehr andere uns auch dafür preisen mögen. «Wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr!» Dann verschwindet alles, was von unserer Natur ist, und der Glaube, der seinen Platz zu den Füssen des Herrn Jesus einnimmt, lässt sich durch Sanftmut leiten. Die Folge davon ist, dass alles vergeben wird, welche Anklage auch immer vorhanden sein mag. (Christus hat uns alles vergeben, als wir in Buße und Glauben zu Ihm kamen.)
Beharren im Gebet (Kol 4,2) ist nötig, um hierin dem Herrn zu dienen, auch im Gebet für einander, damit dieses Anziehen mehr bei uns gefunden wird. Nur so können wir würdig des Herrn wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk fruchtbringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes (Kol 1,9-11).