Die Welt als Wohnort der Menschen wird in der Schrift auf dreierlei Weise gesehen:
- Als das Gebiet Adams in Unschuld, hineingesetzt durch Gott (1. Mo 1,28);
- als das Gebiet Satans und der Verdorbenheit, durch widerrechtliche Inbesitznahme (Lk 4,5.6);
- als das Gebiet Christi in Gerechtigkeit, durch Erlösung und Sieg (Ps 2,8; 72,8).
Wie wir wissen, dauerte der erste Zustand nur kurz. Adam fiel und büßte alles ein. Der dritte wird bei der Regierung des Messias in Macht eintreten. Aber der zweite besteht noch immer und ist ein andauerndes Element der Gefahr. Der jüngste Gläubige ist berufen, diese Gefahr zu erkennen und der älteste Gläubige muss sich ihrer bewusst bleiben. Aber Gottes Absichten werden erreicht werden.
Bei der Versuchung Jesu rühmte sich der Teufel, dass alle Reiche der Welt zu seiner Verfügung standen (Mt 4,8.9). Darum wird materieller Reichtum in Lukas 16,9 der «ungerechte Mammon» genannt, und der Herr Jesus spricht dreimal von Satan als dem «Fürsten dieser Welt» (Joh 12,31; 14,30; 16,11).
In dieser Beziehung wird die Welt als eine riesige Organisation gesehen, die Gott und denen, die aus Ihm geboren sind, gegenübersteht. Die Regierung dieser Welt ist unsichtbar, aber wird durch den Meister der Irreführung mit allumfassendem Einsatz ausgeführt. Der Zeitlauf dieser Welt (Eph 2,2) ist ein entsprechender Einfluss, der durch ihren Fürsten ausgeübt wird, durch den Geist, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams. Ihr Charakter ist durch entschiedene Feindschaft gegen Christus gekennzeichnet. Als Er in die Welt kam, fand Er Hass für die Liebe, die Er anbot; Er wurde aus seinem Erbe hinausgeworfen und zwischen zwei Räubern gekreuzigt.
Welches ist nun die Stellung der Gläubigen in der Welt? Sie nehmen in ihr den Platz von Zeugen und Wartenden ein. Sie zeugen, wie der Herr Jesus es tat, von dem Segen, der mit dem Annehmen und Tun des Willens Gottes verbunden ist, inmitten der Menschen, die ihren eigenen Willen tun. Sie warten auf seine Wiederkehr, bei der Er die Zügel der Herrschaft ergreifen wird, um den Willen Gottes in Macht auszuführen. Dann wird Er den falschen Herrscher hinauswerfen und den Lauf und den Charakter der Welt völlig verändern. Himmel und Erde werden dann vollkommen darin übereinstimmen, dass der heilige Wille Gottes und das wahre Glück des Menschen durch das Band des einen kostbaren Namens, des Namens Jesu, der zum Herrn und Christus gemacht ist, verbunden sind.
In der Zwischenzeit müssen wir wachsam sein vor den Absichten und Methoden des gegenwärtigen Fürsten der Welt. Es war von Anfang an seine Absicht, Gott zu lästern und den Menschen zu verderben. Das wird so bleiben bis zum Ende. Sein Erfolg liegt im Irreführen. Siehe 1. Timotheus 2,14; Offenbarung 20,10.
Seine Methoden wechseln. Er verblendet den Sinn der Ungläubigen (2. Kor 4,4). Er verführt den Gläubigen, wo er nur kann (2. Kor 11,3) und schlägt ihn, wenn er ihn nicht irreleiten kann (2. Kor 12,7). Wenn der Apostel Petrus von ihm spricht, sagt er: «Seid nüchtern und wacht.» Und wahrlich, es ist Grund genug vorhanden, wachsam zu sein, wenn wir bedenken, dass es die Absicht des Teufels ist, uns zu verschlingen (1. Pet 5,8). Er will nicht nur unsere Freude verderben und unseren Dienst lähmen; er würde uns, wenn er könnte, sogar ganz vernichten. Er tut, als ob er unser Bekenntnis nur als eine Art Komödie betrachtete, und dass er dies auf die Dauer auch werde beweisen können. Gelobt sei Gott! Wenn der Dieb auch versuchen wird, uns – wie der gute Hirte sagt – aus seiner Hand und aus der Hand seines Vaters zu rauben, so haben wir doch die göttliche Zusicherung, dass niemand dies zu tun vermag. Die Ratschlüsse der ewigen Liebe können unmöglich durch den Feind Gottes zunichtewerden! (Siehe Joh 10,27-30; 17,12.)
Schon hat Satan Fehler gemacht zu seinem eigenen Untergang, und er wird dies bis zum Ende tun. Er kann nicht in den Herzen der Menschen lesen. «Du allein» – sagt Salomo in seinem Gebet zu Gott «kennst das Herz aller Menschenkinder» (1. Kön 8,39). Satan hat kein geistliches Unterscheidungsvermögen und kann weder die Absichten Gottes noch die geistlichen Übungen seiner Heiligen begreifen; aber er kann sich aufgrund der Taten der Menschen sein eigenes Urteil bilden und ihnen grossen Schaden zufügen. In Matthäus 4 wird er der «Versucher» genannt, und es besteht kein Zweifel darüber, dass er, um auf irgendeine Weise den Eigenwilligen hervorlocken zu können, die natürlichen Neigungen und persönlichen Schwachheiten jedes Gläubigen auf der Erde genau so sorgfältig studiert, wie er es einst mit Hiob und seinen Umständen getan hat. Wenn er sieht, dass ein Gläubiger im Augenblick gegen Versuchungen der Lust des Fleisches standhaft ist, wird er trachten, ihn in etwas zu verstricken, was ihn zu Hochmut des Lebens, vielleicht sogar zu religiöser Selbstbewunderung führt. (Siehe 1. Joh 2,16.)
Wie heilsam ist es, zu bedenken, dass weder eine besondere Gabe noch Erfolg im Dienst, noch Bibelkenntnis, noch Erfahrungen des Alters, noch das alles miteinander für die Ziele Satans auch nur ein wenig ein Hindernis bildet. In das alles kann sich Eigenwille einschleichen, und je mehr dieser Eingang hat, desto leichter findet der Feind eine offene Tür. Er kann den Zugang nicht mit Gewalt öffnen, aber wo er auch nur zum verborgenen Wirken des eigenen Willens verleiten und verlocken kann, wird er Zutritt finden. Und wenn der Eigenwille die Türe für ihn auftut, dann hält das Selbstvertrauen sie offen.
Dagegen können wir mit unerschütterlichem Vertrauen festhalten, dass da, wo williger Gehorsam und bewusste Abhängigkeit vom Herrn ist, der Feind absolut nichts tun kann. Gehorsam schliesst mit Erfolg die Tür vor ihm zu, und Abhängigkeit hält sie geschlossen.
Der vollkommene Gehorsam konnte sagen: «Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir» (Joh 14,30). Wenn bei uns der Wille des Fleisches durch das Urteil des Todes niedergehalten wird, kann er auch in uns nichts finden. Zweifellos ist der gegenwärtige Lauf der Dinge in der Welt der Weg des menschlichen Willens, während Satan hinter dem Vorhang gespannt darauf lauert zuzuschlagen, wo er nur kann.
Als der Herr Jesus, der sich ganz dem Willen Gottes hingab, in diese Welt kam, erhob sich sogleich der menschliche Widerstand gegen Ihn. Und der letzte Ratschlag des Menschen gegen Ihn offenbarte den wahren Charakter der Welt. Lasst uns für einen Augenblick die beiden Männer betrachten, von denen damals die Sprache war. In Barabbas haben wir ein besonders treffendes Bild vom menschlichen Willen, im Herrn Jesus hingegen den vollkommenen Ausdruck des göttlichen Willens. Barabbas führte mit rücksichtsloser Energie seinen eigenen Willen aus und achtete nicht darauf, was dies andere kostete.
Er verübte Gewalttat (Aufstand), plünderte den Besitz anderer (Raub) und nahm einem Menschen sogar das Leben (Mord). Der Herr Jesus vollbrachte Gottes Willen, aber das kostete Ihn sein eigenes Leben; sein Tun ist zu unserem ewigen Gewinn. Nun kam der Test: Auf welchen Mann wird die Wahl der Welt fallen? Eine öffentliche Abstimmung wird gefordert, und sie kommt mit Geschrei zustande. Nicht der gnädige Geber, der sein Leben für andere geben wollte, sondern der berüchtigte Räuber, der anderen das Leben nahm, um sein Ziel zu erreichen, wurde gewählt, um freigelassen zu werden.
Sie entschieden sich nicht für den, der zum Segen der Menschen Gottes Willen ausführte, sondern für den, der bis zum äussersten seinen eigenen Willen ausgeführt hat, zur Verunehrung Gottes und zum Schaden der Nächsten. Sie schrien: «Weg mit diesem, lass uns aber Barabbas frei!» – «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!» (Lk 23,18; 19,14). Schrecklicher Entschluss; aber der Beweggrund ist deutlich. Der Wille Gottes war die Freude Christi; wenn aber der Wille Gottes eingeführt wurde, dann trat dieser an die Stelle des menschlichen Willens. Das hätte den ganzen Gang der Dinge verändert, und weder die Welt noch ihr Fürst wollten dies haben.
Die Stellung des Gläubigen in einer solchen Welt ist keine leichte Sache, besonders in einer Zeit, in der so viele unter denen, die dem Bekenntnis nach dem Verworfenen angehören, in Gefahr stehen, die Freundschaft der Welt, die ihn verworfen hat, anzunehmen, ja sogar zu suchen!
Früher folgten wir alle übereinstimmend dem Lauf dieser Welt. Das eigene Ich war unser Gegenstand. Aber als durch das Werk des Geistes Gottes die grosse Veränderung in uns zustande kam und eine Neugeburt stattfand, wurde ein neuer Gegenstand vor unser Herz gestellt: Jesus, der für uns starb und für uns lebt, um uns zu dienen und uns in alle Ewigkeit zu lieben. Dieser Gesegnete ist von den Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar (1. Pet 2,4). Wenn Er aber für Gott kostbar ist, so ist Er es auch für uns: «Den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt» (1. Pet 1,8).
Das wahre Geheimnis der richtigen Haltung des Gläubigen gegenüber der Welt in dieser Zeit ist Liebe, aber eine Liebe, womit Gott die Menschen liebt und die Er uns ins Herz gibt. Kein anderer Beweggrund darf unser Herz mehr beeinflussen als sie.
So ist es also mit den Kindern der Weisheit: Der Strom des Zeitlaufs dieser Welt und ihr Fürst sind gegen sie. Um ihren Fortschritt im Schwimmen gegen den Strom zu hindern, wird er ihnen vielleicht Schrecken einjagen; um sie aber zu verführen, mit dem Strom zu gehen, wird er freundlich tun. Doch mit dem herrlichen Ziel vor Augen können sie freudevoll singen:
- Da ist helles Licht und Leben.
Da sind wir vom Glanz umgeben.
Der Heiland ist da, wie könnten sie wieder umkehren? Zudem werden sie vom Geist ernstlich gemahnt: «Wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes» (Jak 4,4). «Liebt nicht die Welt», noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt – hier ist fleischliche, sündige Liebe gemeint –, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm» (1. Joh 2,15). Wie muss eine weltliche Gesinnung für Gott abstossend sein, besonders dann, wenn sie sich unter dem Mantel der Religiosität verbirgt!
Wir können viel geistlichen Verlust erleiden durch die Freundlichkeit der Welt, aber ihre Missbilligung brauchen wir nicht zu fürchten. Die Liebe unseres Herrn, seine Gemeinschaft und seine Anerkennung entschädigen uns reichlich dafür. Was tut es, wenn sie uns droht? Er sagt uns ja: «Seid guten Mutes!» Auf Petrus ruhte das Lächeln des Herrn, und er wurde aus dem Gefängnis erlöst, als Herodes drohte. Johannes erlebte es auf Patmos. Obwohl ihn die Welt verbannt hatte, legte der Herr seine Rechte auf ihn (Off 1). Auch Paulus hatte es im Gefängnis in Philippi, und das veranlasste ihn und seinen Mitgenossen, mitten in der Nacht zu singen.
Dieselbe Stimme, die sie und Tausende andere ermutigte, sagt nun auch zu unseren Herzen: «In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden» (Joh 16,33). Mit dem Trost seiner Liebe in unseren Herzen können wir gewiss «guten Mutes» sein. «Ich bin eben darin guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi» (Phil 1,6). Wie begann dieses «gute Werk»? Mit einem solchen Gefühl sündiger Unwürdigkeit, dass wir Christus begehrten und es schrecklich fanden, Ihn nicht zu haben! Wie wird dies enden? In einem «ewigen Gewicht von Herrlichkeit» (2. Kor 4,17).